» Sozialverbände unzufrieden mit Hartz-IV-Reform
» Sexualstrafrecht: Union und SPD einigen sich über letzte Details
» AWO beschwört das "soziale Europa"
» Mortler: Deutsche trinken noch immer zu viel Alkohol
» Diakonie-Experte fordert Reformen für häusliche Pflege

Arbeitslosigkeit

Sozialverbände unzufrieden mit Hartz-IV-Reform




Anmeldung in der Agentur für Arbeit in Berlin-Neuköln.
epd-bild / Rolf Zöllner
Der Beschluss zur Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung durch den Bundestag am Donnerstagabend ist bei den Sozialverbänden überwiegend auf Kritik gestoßen. Vor allem der Fortbestand der Sanktionen sorgt für Unmut. Am 8. Juli berät der Bundesrat das Gesetz.

Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie, sagte am Freitag in Berlin: "Mit dem Gesetz sollten viele Regelungen für die Leistungsbezieher vereinfacht werden. Dieses Versprechen löst das Gesetz nicht ein." Ähnlich äußerten sich auch die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt und der Verband der alleinerziehenden Mütter und Väter.

Loheide monierte vor allem, dass bei den umstrittenen Sanktionen für säumige Hilfebezieher alles beim Alten bleibe: "Wer keine prekäre Beschäftigung annimmt, muss auf existenzsichernde Leistungen für Essen, Kleidung und Wohnen verzichten." Sie kündigte an, dass sich die Diakonie weiterhin für die Abschaffung von Sanktionen und einen Mindestlohn von Anfang an auch für Langzeitarbeitslose einsetzen werde.

Die Rechtsvereinfachung greife trotz positiver Ansätze zu kurz, monierte der Deutsche Caritasverband. "Trotz zweijähriger Beratung ist es nicht gelungen, eine Reform der Sanktionen in Angriff zu nehmen", sagte Präsident Peter Neher. Bei Hilfebeziehern bis 25 Jahren können nach zwei Sanktionsandrohungen alle Hilfen gestrichen werden.

Das Gesetz enthält seinen Worten zufolge aber auch eine Reihe von positiven Regelungen. Langzeitarbeitslose erhalten jetzt leichter sozialpädagogische Beratung, wenn sie durch öffentlich geförderte Beschäftigung beschäftigt werden. Auch die längere Förderungsdauer in Arbeitsgelegenheiten von drei statt bisher zwei Jahren bietet Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, bessere Integrationschancen. Positiv sei zudem, dass zukünftig Kinder von Flüchtlingen auch dann durch das Schulstarterpaket gefördert werden, wenn sie während des laufenden Schuljahres eingeschult werden.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler. Er hoffe, dass die Bundesregierung im weiteren parlamentarischen Verfahren die geforderte Abschaffung der schärferen Sanktionsregelungen für unter 25-Jährige Hilfebezieher aufgreift. Die schärferen Sanktionen "erziehen nicht, sondern erschweren die Lebensbedingungen der Betroffenen und deren Rückkehr in das Erwerbsleben", sagte Stadtler.

Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter begrüßte zwar die Entscheidung der Koalition, eine Verschlechterung der Lage von Kindern mit getrennt lebenden Eltern im Sozialgeldbezug abzuwenden. Dennoch warb der Verband für die Einführung einer sogenannten Umgangspauschale, die die Mehrkosten auffängt, die entstehen, wenn ein Kind zwischen den Haushalten von Mutter und Vater pendelt. "Jedes Kind sollte sich Umgang mit seinem getrennt lebenden Elternteil leisten können", sagte Verbandschefin Solveig Schuster.



 
 

Koalition

Sexualstrafrecht: Union und SPD einigen sich über letzte Details



Union und SPD haben sich auf letzte Details zur Reform des Sexualstrafrechts verständigt. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Johannes Fechner, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Berlin, die nun gefundene Regelung für sexuelle Übergriffe aus Gruppen heraus sehe vor, dass sich auch strafbar mache, wer die Taten ermögliche oder befördere. Dies könne etwa geschehen durch Anfeuern oder dadurch, dass Beteiligte eine Mauer um die eigentlichen Täter bilden. Mit dieser Verschärfung reagiert die Koalition auf die Übergriffe auf Hunderte Frauen in der Kölner Silvesternacht.

Verständigt hatten sich Union und SPD bereits darüber, dass Grapschen künftig als sexuelle Belästigung bestraft wird. Verschärft wird aber vor allem den Tatbestand der Vergewaltigung. Künftig gilt "Nein heißt nein". Als Vergewaltigung kann dann jeder Geschlechtsverkehr verurteilt werden, der gegen den erkennbaren Willen des Opfers erzwungen wird. Bisher ist Gegenwehr, Gewalt oder die Androhung von Gewalt Vorraussetzung für eine Bestrafung des Täters.

Der Gesetzentwurf soll Anfang Juli, in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, verabschiedet werden. Offen ist noch, wie die Verschärfungen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung mit den Ausweisungsgründen für Ausländer in Übereinstimmung gebracht werden. Im Ausweisungsrecht ist bislang festgelegt, dass Vergewaltigung als Voraussetzung für die Ausweisung eines Ausländers mit Gewalt, Drohung, Gefahr für Leib und Leben oder List einhergehen muss. Die Union setzt sich für eine Anpassung an das künftige Strafrecht für Vergewaltigungen ein. Fechner sagte, dafür sei auch die SPD-Fraktion offen.

Die Einigung wurde von der Frauen Union in der CDU und der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen bestätigt. Die beiden Vereinigungen sprachen von einem Erfolg der Frauen in der Koalition, auf deren Initiative die Verschärfung des Vergewaltigungsparagrafen zurückgehe.


 
 

Großbritannien

AWO beschwört das "soziale Europa"



Die Arbeiterwohlfahrt hat das Votum der Briten für den Austritt aus der EU "als schwarzen Tag für die europäische Idee" bezeichnet. Der Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler sagte am Freitag in Berlin, dennoch müsse sich "Europa zu einem sozialen Europa weiterentwickeln".

Deshalb forderte Stadler, in der derzeitigen europäischen Krisenpolitik umzudenken und nicht nur auf den Sparkurs zu setzen. Ziel müsse es sein, ein echtes soziales Europa zu schaffen. "Deshalb führt der Verband derzeit intensive Debatten über europaweite soziale Mindeststandards und eine Stärkung des innereuropäischen strukturellen und finanziellen Ausgleichs der Regionen." Nur auf diesem Wege könnten die unterschiedlichen regionalen Stärken und Schwächen in Europa ausgeglichen werden.

Die Bundesregierung sollte sich laut Stadler für eine gerechtere und sozialere Europäische Union einsetzen, "um damit der zunehmenden Europakritik auch in Deutschland aktiv zu begegnen".


 
 

Sucht

Mortler: Deutsche trinken noch immer zu viel Alkohol



Zum Weltdrogentag am 26. Juni haben Experten den den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol angemahnt. Marlene Mortler, die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sagte in Berlin: "In Deutschland trinken noch immer viel zu viele Menschen mehr Alkohol als ihnen gut tut." Die Folge: 74.000 Todesfälle im Jahr, die auf Alkoholkonsum oder den kombinierten Konsum von Tabak und Alkohol zurückzuführen sind.

Sie verwies darauf, dass der Alkoholkonsum der Deutschen im internationalen Vergleich noch immer hoch ist: mit 12,87 Liter reinem Alkohol liegt der jährliche Pro-Kopfkonsum der Bevölkerung ab dem Alter von 15 Jahren einen Liter über dem europäischen Durchschnitt.

Erwachsene, die viel tränken, seien "Kindern und Jugendlichen keine guten Vorbilder. Zu viele junge Menschen zeigen ebenfalls ein riskantes Trinkverhalten.", sagte Heidrun Thaiss, die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Insgesamt trinken hierzulande rund 1,6 Millionen Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren zu viel. Etwa 1,77 Millionen Menschen sind zudem als alkoholabhängig anzusehen (4,8 Prozent der Männer und 2,0 Prozent der Frauen). Die Zahl der vom Alkohol abhängigen Frauen ist den Angaben nach seit 2006 von 2,6 Prozent auf 3,5 Prozent im Jahr 2012 angestiegen. Bei Männern liegt die Zahl unverändert bei 9,8 Prozent.


 
 

Senioren

Diakonie-Experte fordert Reformen für häusliche Pflege



Der Initiator des Diakonie-Projekts Fair Care, Johannes Flothow, fordert eine staatliche Finanzierung der häuslichen Pflege. Wie in Nordeuropa längst üblich, müsse sie auch hierzulande von der öffentlichen Daseinsvorsorge getragen werden, ähnlich wie die Kindererziehung, sagte Flothow dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Das kostet Geld, circa drei Prozent der Steuereinnahmen", räumte er ein. Doch nur so sei es möglich, faire Arbeitsbedingung für Pflegekräfte durchzusetzen.

"Die betroffenen Familien tragen die Last und sind meistens überfordert", kritisierte Flothow. Der Zuschuss aus der Pflegekasse von maximal 728 Euro für die häusliche Betreuung sei viel zu niedrig, davon könne man keine externe Unterstützung bezahlen. Dabei gehe es immerhin um einen Arbeitsmarkt für hochgerechnet rund 350.000 Menschen in Deutschland. Schwarzarbeit und Gaunereien trieben derzeit Blüten. "Mit der Vermittlung von häuslichen Pflegekräften verdienen schwarze Schafe heute sehr viel Geld."

Projekte wie Fair Care, das vom Verein für internationale Jugendarbeit unter dem Dach der Diakonie betrieben wird, seien zwar ein Anfang, sagte Flothow. Aber ohne die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen hätten sie auf Dauer kaum eine Chance, schwarze Zahlen zu schreiben. "In Zukunft wird es noch mehr alleinstehende ältere Menschen geben. Handeln ist dringend geboten," betonte Flothow.