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Zwei Männer und ein Hintern



Die Werbung zum Kinofilm «Dirty Grandpa» setzt auf entblößte Körperteile und feiert den lüsternen Mann - abgesegnet vom Deutschen Werberat. Für die Anti-Sexismus-Initiative Pinkstinks entlarvt das die Debatte nach der sexuellen Gewalt von Köln als scheinheilig.

Der Frau mit den Hotpants fehlt der Kopf. In die Bildmitte des Kinoplakats zum Hollywood-Film "Dirty Grandpa" ragt stattdessen ihr knapp bekleideter Hintern - betrachtet von Großvater (Robert de Niro) und Enkel (Zac Efron), der auf das Hinterteil mit einem Tankzapfhahn zielt. In der Posterversion prangt darüber noch die Frage "Bist du hart genug für eine Spritztour mit Grandpa?"

Der Film über den lüsternen Großvater, der seinen biederen Enkel kurz vor der Hochzeit mit einer Spritztour im doppelten Sinne von seinen Verklemmungen befreien will, ist am 11. Februar in vielen Kinos angelaufen. Die Kinos haben das Bild der zwei Männer hinter dem Frauenhintern plakatiert, manche in Lebensgröße und größer - im öffentlichem Raum einer Republik, in der seit den Übergriffen der Silvesternacht vor allem über den gefährlichen Sexismus von Zuwanderern debattiert wird.

"Die Frau ist bloßes Sexobjekt"

Für Stevie Schmiedel ist die Kinowerbung "Sexismus in Reinform". "Die Frau ist bloßes Sexobjekt, ihr Kopf ist gar nicht erst zu sehen, während die vollständigen Männer sie in eindeutig sexueller Motivation betrachten - sie wird auf ihren Körper reduziert", sagt die Gründerin des deutschen Ablegers von Pinkstinks, einer britischen Initiative, die gegen Sexismus in Industrie und Werbung protestiert. "Der erhobene Zapfhahn deutet dabei noch Penetration an. In Kombination mit der Frage, ob der Betrachter hart genug für eine Spritztour sei, sei das schon fast eine Aufforderung zur sexuellen Gewalt", findet die Genderforscherin.

Der Satz findet sich allerdings nicht in allen Versionen des vom Münchener Filmverleih Constantin Film an die Kinobetreiber gelieferten Plakate. Aber auch ohne ihn wird ein hochproblematisches Frauenbild transportiert, findet die Initiative Pinkstinks: kopflos, verfügbar.

Dabei handele es sich nicht um Ausnahmeerscheinungen: "Das ist ein besonders offenes Beispiel für allgegenwärtige sexistische Frauenbilder", sagt Schmiedel. Solche Werbung entlarve auch die Sexismus-Debatte nach Köln als scheinheilig. "Dass so ein Plakat aufgehängt und damit auch als angemessen angesehen wird, macht doch überdeutlich, dass Sexismus nicht neu von Einwanderern ins Land gebracht wurde."

Beschwerde als unbegründet abgewiesen

Dagegen stuft der Deutsche Werberat - das Selbstkontrollorgan der Werbewirtschaft - das Bildmotiv des Plakates als nicht-sexistisch ein. Er wies eine Beschwerde dazu als unbegründet ab. Dabei untersagen die eigenen Richtlinien Werbung, "die Personen auf ihre Sexualität reduzieren oder ihre sexuelle Verfügbarkeit nahelegen".

Grundsätzlich sei es schon problematisch, Körperteile vereinzelt darzustellen, hieß es. "Hier fehlt aber nur der Kopf, ansonsten ist der Körper vollständig", sagt Werberats-Sprecherin Julia Busse. Das sei grenzwertig. Die Frau wirke aber nicht wie ein Opfer, sondern habe eine "selbstbewusste Körperhaltung". Zudem passe die Werbung zu dem beworbenen Film, der nun mal ein sexuelles Thema habe.

Im Cinedom Köln wurde es dennoch noch vor dem Filmstart abgehängt: Zwei Kundinnen hatten sich beschwert. "Und wir fanden den Anblick des Motivs auch im Nachklang der Silvesterereignisse nicht tragbar", sagt Geschäftsführer Martin Ebert. Der Verleiher werde darüber "wohl nicht erfreut sein", glaubt Ebert: "Aber das ist immer noch unser Haus, in dem wir über Sexismus selbst entscheiden."

Constantin Film will sich nichtöffentlich äußern. Auf der eigenen Webseite ist das kritisierte Motiv nicht zu sehen. Im offiziellen Trailer zu dem Film, dessen Altersbeschränkung die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) nach Widerspruch der Verleihfirma von 16 auf zwölf Jahre herabsetzte, darf der Großvater dafür Sonnencreme in ein Dekolleté spritzen und begeisterten jungen Frauen "Party, bis ihr alle schwanger seid" zuschreien.

Miriam Bunjes

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