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Senioren

Zahl der Sozialhilfeempfänger in Pflegeheimen steigt




Die Zahl der von Sozialtransfers abhängigen Heimbewohnern wächst.
epd-bild / Werner Krüper
Jeder dritte Pflegebedürftige ist laut VdK mittlerweile auf Sozialhilfe angewiesen. Auf die Qualität der Pflege hat das keinen Einfluss - wohl aber auf die Teilhabemöglichkeiten der Menschen am gesellschaftlichen Leben.

Immer mehr Pflegebedürftige erhalten in Deutschland "Hilfe zur Pflege" - also Sozialgeld, weil sie die Heimkosten nicht stemmen können. Über 450.000 Menschen sind aktuell betroffen. "In unseren Einrichtungen beziehen durchschnittlich 28 Prozent der Bewohner Sozialhilfe", sagt Jochen Keßler-Rosa, Geschäftsführer der Diakonie Schweinfurt. Er kennt aber auch Heime, wo jeder zweite Bewohner auf Sozialgeld angewiesen ist.

Rund 110 Euro Taschengeld

Sozialhilfeempfänger erhalten im Heim zwar keine "zweitrangige" Pflege. Gravierend im Nachteil sind sie jedoch, was Aktivitäten außerhalb der Einrichtung anbelangt. Das liegt am knappen Taschengeld von meist nur um die 110 Euro im Monat.

"Das Geld reicht meist nur für Medikamentenzuzahlung, Friseur, Pediküre und Hygieneartikel", sagt Cornelia Jurrmann, Pressesprecherin beim VdK in Deutschland. Bitter sei für die Betroffenen, dass sie ihren Enkel allerhöchstens hin und wieder eine Tafel Schokolade schenken können, ergänzt Andrea Keller vom "Haus Lehmgruben" der Rummelsberger Dienste in Marktheidenfeld (Kreis Main-Spessart). Mehr sei finanziell nicht drin.

Laut VdK ist inzwischen jeder dritte Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen. Das liege daran, dass Pflegebedürftige immer mehr selbst zahlen müssen, weil die Leistungen der Pflegeversicherung den tatsächlichen Aufwand nicht mehr decken. Seit 2005 sei die Zahl der Empfänger von "Hilfe zur Pflege" um 33 Prozent gestiegen. "Immer weniger Renten geben eine gute stationäre Versorgung im Pflegeheim her, besonders nicht Renten von Frauen", betont Jurrmann.

"Fatale Entwicklung"

Ute Haas, Referentin beim Deutschen Pflegerat, bestätigt diesen Trend. Sie verweist auf das Statistische Bundesamt, dem zufolge die Situation in Bayern sogar noch vergleichsweise gut ist. Auf 1.000 Einwohner kommen im Freistaat im Durchschnitt vier pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger. In Berlin sind es im Schnitt inzwischen 10, in Hamburg 9,5, in Bremen 8,5.

Mit der "fatalen Entwicklung" hin zu immer mehr armen Heimbewohnern werde das ursprüngliche Ziel der Pflegeversicherung konterkariert, kritisiert der VdK: "Die Versicherung sollte ursprünglich verhindern, dass Bewohner von Pflegeheimen zu Sozialfällen werden." Doch seit Einführung der Pflegeversicherung hätten die Pflegeleistungen einen Kaufkraftverlust von 25 Prozent hinnehmen müssen. Jurrmann: "Darum fordern wir, dass die Anpassung an das Preis- und Lohnniveau sofort erfolgen muss, nicht erst, wie geplant, in drei Jahren."

Constanze Mauermayer von der Pressestelle des Bezirks Oberbayern bestätigt, dass vor allem Frauen unter Armut im Pflegeheim leiden: "Sie verfügen oft über kein eigenes oder nur über ein sehr geringes Einkommen." Die Mütterrente biete keinen adäquaten Ausgleich. Auch sei das Vermögen betagter Frauen gering: "Es reicht meist nur für einen kurzen Zeitraum als Selbstzahler."

Allein in Oberbayern erhalten derzeit fast 11.100 Menschen Hilfe zur Pflege. Die Zahl wuchs binnen zehn Jahren um 17 Prozent. 370 Personen erhalten zusätzlich zum Sozialgeld einen "Demenzzuschlag". Mauermayer: "Wobei unser Bezirk mit einem erheblichen Nachholbedarf rechnet. Geschätzt dürfte rund ein Viertel der Leistungsberechtigen künftig auch Anspruch auf diese Leistung haben."

Meist im Doppelzimmer

Als Pflegebedürftiger von Sozialhilfe zu leben bedeutet, auch hinsichtlich des Heims und der Wohnform im Heim im Nachteil zu sein. "Derzeit werden nur Doppelzimmerkosten übernommen", erklärt Mauermayer. Die Betroffenen sind also gezwungen, mit einem ihnen bis dato völlig fremden Menschen Tag und Nacht ein Zimmer zu teilen. Nur wenn die Unterbringung im Einzelzimmer krankheits- oder verhaltensbedingt erforderlich ist, werden die höheren Kosten übernommen.

Bei der Heimauswahl hingegen greift der Bezirk Oberbayern nicht ein. Allerdings kann ein Heimwechsel, etwa um näher bei den Kindern zu wohnen, schwierig werden. "Der sollte nicht mit erhöhten Mehrkosten verbunden sein", so die Pressesprecherin.

Laut der Diakonie in Bayern kann keineswegs jeder arme Pflegebedürftige seinen Heimwunsch gegenüber dem Sozialhilfeträge durchsetzen. "Wir wissen, dass es Bezirke gibt, die Bewohner beispielsweise von München aufs Land umziehen lassen, um Kosten zu sparen", berichtet Pressesprecher Daniel Wagner. Deutschlandweit gesehen passiert es laut VdK häufig, dass Sozialhilfeträger die Übernahme der Kosten des Wunschheims ablehnen.

Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) fordert, endlich zu einer echten Finanzierung der Pflege durch die Gesellschaft zu kommen. Die DEVAP-Idee skizziert Vorsitzender Bernhard Schneider so: "Pflegekosten zahlt die Pflegeversicherung, Behandlungskosten die Krankenversicherung, die Kosten für Haushaltsführung und Teilhabe der Betroffene selbst. Das wäre ein einfaches und gerechtes System, das unabhängig vom Lebensort funktionieren kann."

Pat Christ

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