Ausgabe 31/2016 - 05.08.2016
Stuttgart (epd). Das Finanzgericht befand in einem am 20. Juli veröffentlichten Urteil, dass die "angemessenen Krankheitskosten" von der Steuerschuld abzuziehen sind, so, wie das auch bei Aufwendungen für die hauswirtschaftliche Betreuung möglich sei.
Damit bekam die pflegebedürftige Klägerin, bei der seit April 2012 die Pflegestufe II anerkannt ist, teilweise recht. Nach mehreren Stürzen in ihrer Wohnung wollte sie einen ständigen Bereitschaftsdienst vor Ort haben.
Sie engagierte einen ambulanten Pflegedienst aus Polen und erhielt für den selbst beschafften Pflegedienst Pflegegeld in Höhe von 440 Euro monatlich. Der Pflegedienst bot vorwiegend eine hauswirtschaftliche Versorgung, Alltagsunterstützungen wie Einkaufen oder Kochen und in geringerem Umfang auch eine Grundpflege an. Die eingesetzten Pflegekräfte mussten laut Vertrag keine pflegerische Ausbildung haben. Das Pflegepersonal war während der Arbeit in der Wohnung der Klägerin untergebracht.
Die Pflegekosten des ambulanten Dienstes im Jahr 2014 in Höhe von über 30.000 Euro machte die Klägerin erfolglos beim Finanzamt als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend.
Die Behörde gewährte lediglich einen Steuerabzug für "haushaltsnahe Dienstleistungen", die der Pflegedienst erbracht hatte. Dieser war auf den Höchstbetrag von 4.000 Euro gedeckelt. Nur Aufwendungen von qualitätsgesicherten Pflegeleistungen, die von ausgebildeten Pflegekräften beziehungsweise einem anerkannten Pflegedienst erbracht werden, können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, argumentierte der Fiskus. Zahle die Pflegeversicherung Pflegegeld, könne davon ausgegangen werden, dass keine ausgebildete Pflegekraft beschäftigt war.
Hier habe der polnische Pflegedienst vorwiegend hauswirtschaftliche Leistungen und Alltagsunterstützungen geleistet. Das sei der "privaten Lebensführung" der Klägerin zuzuordnen.
Die pflegebedürftige Frau hielt diese Einschätzung für rechtswidrig. Auch in anerkannten Pflegeeinrichtungen würden ungelernte Pflegekräfte eingesetzt.
Das Finanzgericht gab der Klägerin jetzt teilweise recht. Pflegeaufwendungen zählten dem Grunde nach als Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastungen gelten. Dazu können auch Aufwendungen im Bereich hauswirtschaftlicher Versorgung gehören, wenn damit die Krankheit erträglicher gemacht werde.
Es sei nicht erforderlich, dass es sich bei der Betreuung um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt. Denn der Gesetzgeber gehe davon aus, dass "die Anerkennung von Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht von der Qualifikation des jeweiligen Pflegepersonals abhängt", betonte das Finanzgericht.
Die Klägerin könne jedoch nur außergewöhnliche Belastungen von rund 15.500 Euro geltend machen. Denn es dürften nur die "angemessenen Kosten" berücksichtigt werden. Weil der Pflegedienst kein Pflegetagebuch geführt habe, habe das Gericht den Umfang der Pflegeleistungen mit Hilfe eines Gutachtens bestimmen müssen.
Das Finanzgericht ließ die Revision zum Bundesfinanzhof in München zu.
Az.: 5 K 2714/15