sozial-Politik

Integration

Viele Länder noch unentschieden über Wohnortzwang für Flüchtlinge




Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Ingelheim am Rhein.
epd-bild/Andrea Enderlein
Der Wohnsitzzwang für Flüchtlinge gehörte zu den umstrittensten Punkten im Integrationsgesetz. Die Auflage soll Ghettobildung in Großstädten verhindern. Viele Bundesländer sind aber noch unentschlossen, ob sie die Regelung umsetzen wollen.

Die Umsetzung einer konkreten Wohnortzuweisung für anerkannte Flüchtlinge ist in vielen Bundesländern noch völlig offen. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergab, gibt es in sieben Ländern noch keine Entscheidung darüber, ob den Schutzsuchenden zur Vermeidung von Ghettobildung ein Wohnsitz vorgeschrieben werden soll.

In den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen hat die Möglichkeit kaum Relevanz. Erst drei Bundesländer sind entschieden, den Wohnortzwang anzuwenden. Rheinland-Pfalz ist bislang das einzige Flächenland, das eine Umsetzung der Regelung ausschließt.

Die Landesregierung sehe derzeit keine Notwendigkeit dafür, teilte das Mainzer Integrationsministerium mit. Man behalte die Entwicklung aber im Auge und sei im Austausch mit den Kommunen. Die hatten vor allem auf die Regelung gedrungen.

Gauck muss Gesetz noch unterschreiben

Die Wohnsitzauflage ist im Integrationsgesetz festgeschrieben, das Anfang Juli von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde und demnächst in Kraft treten soll. Bundespräsident Joachim Gauck muss es noch unterzeichnen. Die Regelung sieht vor, dass auch anerkannte Flüchtlinge künftig drei Jahre in dem Bundesland bleiben müssen, in das sie nach der Aufnahme über den sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilt werden. Den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen ist bereits damit geholfen, weil Flüchtlinge aus den umliegenden Flächenländern damit nicht mehr kommen dürften.

Darüber hinaus können die Länder mit der Neuregelung innerhalb ihres Gebiets konkrete Wohnorte vorschreiben oder Ballungsräume verbieten, um Ghettobildungen zu vermeiden. Ausnahmen gibt es für Flüchtlinge, die andernorts Arbeit, Ausbildung oder Studienplatz haben.

Alle fünf ostdeutschen Bundesländer sowie Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind noch unentschieden, ob sie den Wohnsitzzwang noch näher eingrenzen. Fest entschlossen, die Wohnsitzzuweisung umzusetzen, sind Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland.

"Wir werden den Flüchtlingen ihren genauen Wohnort vorgeben, weil wir so am besten eine gleichmäßige Verteilung erreichen können", sagte der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU).

Aus Nordrhein-Westfalens Integrationsministerium hieß es, die Auflage soll bis Ende des Jahres umgesetzt werden. Im Saarland ist die Einführung beabsichtigt, Einzelheiten müssen aber noch festgelegt werden. Auch Bayern gehörte zu den Befürwortern der Regelung, ein formeller Beschluss steht dort aber noch aus. Das hessische Innenministerium teilte mit, dort sollten die Kommunen selbst über die Anwendung entscheiden.

Auflage steht weiterhin in der Kritik

Die Wohnsitzauflage hatte vor allem bei Sozialverbänden und Flüchtlingsorganisationen für viel Kritik gesorgt, weil sie die Einschränkung der Freizügigkeit für unverhältnismäßig halten. Zudem befürchten sie Nachteile bei der Integration, weil etwa Netzwerke aus Freunden und Bekannten zerrissen werden, die beim Ankommen in der Gesellschaft und der Jobsuche helfen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) äußerte sich kürzlich in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) zwiegespalten über die Regelung. Er hält es "für schwierig, anerkannten Flüchtlingen Grundrechte zu verweigern wie eben das Recht auf die freie Wahl des Wohnorts". Der Gedanke, Ghettobildungen zu verhindern, sei aber richtig.

Corinna Buschow


Ausbildung

Pro und Kontra: Ist eine Ausbildungsgarantie sinnvoll?




Ausbildung beim Unternehmen Zapf-Umzüge in Berlin.
epd-bild/Michael_9er/Zapf_Umzüge
Zahlreiche Schulabgänger finden nicht sofort eine Lehrstelle und landen dann meist im umstrittenen Übergangssystem. Eine Ausbildungsgarantie würde helfen, mehr Angebote zu schaffen, sagt die Gewerkschafterin Elke Hannack. Das bestreitet Gerhard F. Braun, der Vizepräsident der Arbeitgebervereinigung.

Eine gesetzliche Ausbildungsgarantie, wie sie nicht nur die Gewerkschaften, sondern etwa auch die Grünen fordern, setzt darauf, dass jedem ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Ausbildungsplatz zugeteilt werden kann. Idealerweise im fortbestehenden dualen System. Nur diejenigen, die keine Lehrstelle in einem Unternehmen finden, würden einen staatlich geförderten überbetrieblichen Ausbildungsplatz erhalten. Um diese Garantie einlösen zu können, müssten jedoch deutlich mehr Lehrstellen entstehen. Genau darauf setzen die Befürworter der Ausbildungsgarantie, wie sie zum Beispiel in Österreich verwirklicht ist.

Pro Ausbildungsgarantie

"Die Ausbildungsgarantie gehört ganz nach oben auf die politische Agenda", sagt Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende. Sie verweist auf erschreckende Zahlen: "Rund 270.000 Jugendliche befinden sich zurzeit in den zahllosen Maßnahmen im Übergang von der Schule in Ausbildung, in aller Regel ohne Aussicht auf eine abgeschlossene Ausbildung." Damit müsse Schluss sein: "Nur wer eine gute Ausbildung hat, wird dauerhaft gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen."

Laut Berufsbildungsbericht 2016 bekomme nicht einmal jeder zweite Hauptschüler direkt nach der Schule einen Ausbildungsplatz: "Da reichen auch die 41.000 Ausbildungsplätze nicht, die im vergangenen Jahr offen geblieben sind", betonte die Gewerkschafterin. Auch müssten wieder mehr Firmen Nachwuchs ausbilden. Derzeit bilden nach ihren Angaben nur sieben Prozent aller Betriebe aus.

Und dennoch ist ausschließlich mit betrieblichen Ausbildungsplätzen der Bedarf kaum zu decken, sagt Hannack. In Regionen mit einem problematischen Ausbildungsmarkt müssten benachteilige Jugendlichen die Chance bekommen, über eine außerbetriebliche Ausbildung einen vollwertigen Berufsabschluss zu erlangen: "Diese Ausbildung soll noch enger mit den Betrieben verzahnt werden."

Kontra Ausbildungsgarantie

Mit einer dualen Berufsausbildung hätten junge Menschen beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt, findet Gerhard F. Braun, Vizepräsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Deshalb setze die Wirtschaft alles daran, möglichst vielen Jugendlichen diese Qualifikation zu ermöglichen. "Eine Ausbildungsgarantie ist jedoch der falsche Weg", sagt der Arbeitgebervertreter. Sie verleite die Stellensucher zu Passivität und leiste einer Anspruchshaltung der jungen Menschen Vorschub. Zudem habe dieses Konzept keine Antwort auf die Frage der oft fehlenden Ausbildungsreife von Schulabgängern. Ein Problem, auf das die Unternehmen seit Jahren regelmäßig hinweisen und die Schulen in die Pflicht nehmen.

Der Begriff suggeriere zudem, dass es kein ausreichendes Angebot an Ausbildungsplätzen gibt. "Das ist aber falsch: Im September 2015 blieben in Deutschland rund 41.000 Ausbildungsplätze unbesetzt", erläutert Braun. Das achte Jahr in Folge habe es mehr unbesetzte Ausbildungsplätze als unvermittelte Bewerber gegeben.

Dass Ausbildungsplatzbewerber keine Lehrstelle finden, liegt seiner Ansicht vor allem an der fehlenden Mobilität der Jugendlichen. "Von Ausbildungsanfängern kann erwartet werden, dass sie eine Vielzahl von Berufsoptionen in Betracht ziehen und räumlich flexibel sind." Auch ein Berliner könne in Baden-Württemberg eine Lehrstelle annehmen – und umgekehrt.

Eine Garantie auf eine Ausbildung im Wunschberuf führe erst recht in die Irre, betont Braun. Weil etwa ein Viertel der neu abgeschlossenen Lehrverträge sich auf die fünf häufigsten Ausbildungsberufe konzentrieren, ist Vorsicht geboten: "Damit würde sich das ohnehin schmale Berufswahlspektrum junger Menschen weiter verengen."

Wichtig sei aber auch, leistungsschwächeren Jugendlichen auf dem Weg zum Ausbildungsabschluss gezielt zu helfen, wie das in der "Allianz für Aus- und Weiterbildung" bereits in Ansätzen geschieht. Braun lobt den Ausbau der "Assistierten Ausbildung", bei der Jugendliche mit Handicap während der Lehre unterstützt werden: "Völlig zu Recht stehen ausbildungsbegleitende Hilfen jetzt allen jungen Menschen zur Verfügung, die diese benötigen."

Dirk Baas


Bundesagentur

Jeder vierte Hartz-IV-Bezieher ist Ausländer




Immer mehr Ausländer haben ein Recht auf Hartz IV-Leistungen.
epd-bild/Stefan Arend

Immer mehr Menschen aus anderen Ländern stehen Hartz-IV-Leistungen zu. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit bezogen im April 2016 fast sechs Millionen Menschen Hartz IV, davon kam jeder Vierte nicht aus Deutschland, sagte die Bundesagentur für Arbeit am 1. August auf Nachfrage. Im Vergleich zum Vorjahr waren es rund 170.000 Migranten mehr. Insgesamt bezogen im April 2016 1,5 Millionen Menschen aus anderen Ländern Hartz IV, hatte zuvor die "Bild"-Zeitung berichtet.

Den Angaben zufolge kommen besonders viele Migranten, denen diese Leistungen zustehen, aus östlichen EU-Ländern oder sind anerkannte Flüchtlinge. Im Rahmen der EU-Osterweiterung habe rund 276.000 Menschen Hartz-IV zugestanden. Im Vergleich zum Vorjahr seien es im April 2016 deutlich mehr Rumänen (plus 36 Prozent) und Bulgaren (plus 35 Prozent) gewesen.

Rund 411.500 Hartz-IV-Bezieher kamen im April 2016 aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern, wie aus der Statistik der BA hervorgeht. Im Vergleich zum Vorjahr waren das rund 181.000 Menschen mehr. Die Zahl der anerkannten Flüchtlinge aus Eritrea, die Hartz-IV beziehen, wuchs um 229 Prozent auf rund 16.770 Menschen. Aus Syrien bezogen laut BA 160.000 Menschen mehr als im Vorjahr Hartz IV (plus 195 Prozent).

Frauke Wille von der Bundesagentur für Arbeit sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), der Anstieg an Hartz-IV-Beziehern aus Syrien und Eritrea sei nicht überraschend. "Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die Asylverfahren beschleunigt und für diese Länder gibt es eine hohe Anerkennungsquote", sagte Wille. Die Geflüchteten würden also schneller anerkannt. Hätten sie nicht schon Kontakte zu möglichen Arbeitgebern geknüpft, sei zunächst das Jobcenter die erste Anlaufstelle nach der Anerkennung als Flüchtling.



Kriminalität

Präventions-Netzwerk "Kein Täter werden" wartet auf Geld



Wie es mit der Präventionsarbeit für pädophile Männer an der Berliner Charité weitergehen soll, ist immer noch nicht klar. Die Finanzierung durch den Bund läuft Ende des Jahres aus.

Kostenlos und anonym ist das Therapieangebot, das das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" pädophilen Männern macht. Fast 6.420 haben sich bis zum Frühjahr 2016 an die Anlaufstellen in elf Städten gewendet. Allein in Berlin am Sexualwissenschaftlichen Institut der Charité waren es in den vergangenen zehn Jahren mehr als 2.300. Wie viele Übergriffe auf Kinder und Jugendliche dadurch verhindert wurden, weiß niemand.

Aber der Leiter des Instituts und Gründer des Netzwerks, Klaus Michael Beier, ist überzeugt, dass Prävention der einzige Schutz für die potenziellen Opfer ist. Bundesweit haben in den vergangenen Jahren 550 Männer eine Therapie angefangen, zwei Drittel hielten durch. Sie müssen lernen mit ihrer pädophilen Neigung zu leben, ohne übergriffig zu werden oder Missbrauchsdarstellungen - als Kinderpornografie bezeichnet - zu konsumieren.

Fall Edathy sorgte für Aufsehen

Ein pädophiler Mann, der Verantwortung übernehme und sein Verhalten kontrolliere, könne auch Spitzenämter im Staat bekleiden, sagte Beier dem "Spiegel" auf dem Höhepunkt der Edathy-Affäre im Jahr 2014. Für einen Teil der Bevölkerung kam das einer Provokation gleich. Der SPD-Bundestagabgeordnete Sebastian Edathy hatte sich kinderpornografisches Material beschafft. Unterstützung erhielt Beier aber von der Politik.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärte, Prävention sei der beste Opferschutz und erhöhte noch im selben Jahr die Mittel für Beiers Projekt um 148.000 auf 535.000 Euro. Heute betragen sie 585.000 Euro. Ein Drittel geben die Berliner für die Koordination des inzwischen bundesweiten Netzwerks aus. Die meisten Anlaufstellen gibt es erst wenige Jahre. Seither steigen die Behandlungszahlen.

Arbeit steht nirgendwo auf sicheren Füßen

Doch die Arbeit steht nirgendwo auf sicheren Füßen. Die Landesregierungen fördern die Anlaufstellen jeweils nur für ein bis drei Jahre. Für die Berliner läuft die Finanzierung durch das Justizministerium Ende des Jahres aus. Ein klinisches Forschungsprojekt mit Jugendlichen wird vom Familienministerium noch bis März 2017 gesichert. Gegenwärtig kümmern sich nach Auskunft des Sprechers, Jens Wagner, fünf Therapeuten um die Patienten. Für eine klinische Forschung mit sexuell auffälligen Jugendlichen stehen vier Halbtagsstellen zur Verfügung.

Eine dauerhafte Absicherung sollte über das Gesundheitswesen erfolgen, meint Justizminister Maas. Seine Möglichkeiten der Projektförderung sind ausgeschöpft. Aber der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hat einen Antrag des Präventionsnetzwerks auf Finanzierung als Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Versorgung im April abgelehnt. Gesetzlich ist eine Förderung als Modellvorhaben bis zu acht Jahre möglich, um zu prüfen, ob neue Therapien Kassenleistungen werden können.

GKV-Spitzenverbands-Vorstand Gernot Kiefer argumentierte, Kriminalprävention gehöre nicht zum Aufgabenspektrum der Krankenversicherung, sondern müsse aus Steuergeldern finanziert werden. Das könnten die Krankenkassen auch anders sehen, denn laut Weltgesundheitsorganisation ist Pädophilie eine behandlungsbedürftige Störung.

Bund und Senat schweigen zur Zukunft

Beim Bund und beim Berliner Senat wiederum ist wenig darüber zu erfahren, wie denn dann die Weiterführung der preisgekrönten und hochgelobten Präventionsarbeit gesichert werden soll. Das Bundesgesundheitsministerium erklärt, das Projekt sei der Regierung "ein wichtiges Anliegen". Über die Weiterführung liefen derzeit Gespräche innerhalb der Bundesregierung. Gespräche laufen auch im Berliner Senat. Sie würden "noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen" heißt es aus der Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD).

Müller und sein Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) haben Beier mehrfach ihre Unterstützung zugesichert. Doch im Berliner Doppelhaushalt für dieses und das kommende Jahr ist kein Cent für das Projekt eingestellt, wie Heilmanns Sprecherin bestätigt. Der Justizsenator verhandele mit dem Gesundheitsressort und den Ressorts für Bildung, Jugend und Wissenschaft sowie Finanzen darüber, wo das Geld herkommen könne. Die Sprecherin von Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) ergänzt, es gebe den "politischen Willen, das Projekt zu unterstützen".

Das hören Beier und seine Mitarbeiter nicht zum ersten Mal. Kommen die Finanzierungszusagen nicht bald, sind die Therapieplätze in Berlin sowie die Koordination des gesamten Netzwerks gefährdet.

Bettina Markmeyer


NS-Zeit

"Dann wehe uns allen, wenn wir alt und schwach werden"




Kardinal Clemens August von Galen (1878-1946)
epd-bild
Vor 75 Jahren, am 3. August 1941, hält Bischof Clemens August Graf von Galen in Münster eine unerhörte Predigt: Er wettert gegen den Massenmord der Nationalsozialisten an Behinderten und psychisch Kranken. Wenig später gerät die Mordmaschine tatsächlich ins Stocken.

Anfang August 1941 herrscht in den Führungsgremien der NSDAP helle Aufregung. In Martin Bormanns Partei-Kanzlei wird Berichten zufolge vorgeschlagen, den verhassten Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen (1878-1946) endlich aufzuhängen, am besten am Turm der örtlichen Kirche St. Lamberti. Propagandaminister Josef Goebbels habe davor gewarnt, ihn vor den Volksgerichtshof zu stellen - dann könne man das ganze katholische Westfalen abschreiben.

Schließlich soll Reichskanzler Adolf Hitler entschieden haben, mitten im Krieg wolle man keine Märtyrer schaffen, er spare sich die Abrechnung mit Galen und seinen Anhang für später auf. Was ist geschehen? Am 3. August 1941, vor 75 Jahren, hat der Katholik Galen in St. Lamberti in Münster eine unerhörte Predigt gehalten.

Kritik am System von der Kanzel herab

Er informierte die Öffentlichkeit von der Kanzel herab über den heimlichen NS-Massenmord an Behinderten und psychisch Kranken und übte zugleich scharfe Kritik: "Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, so lange wir produktiv sind, so lange wir von anderen als produktiv anerkannt werden? Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den 'unproduktiven' Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden!".

Hitler persönlich hatte das "Euthanasieprogramm" T4 im Oktober 1939 angeordnet. Aus Heimen und Spitälern wurden Epileptiker, Schizophrene oder Verhaltensgestörte abgeholt, zu Hunderten und Tausenden. Unauffällige graue Busse transportierten sie in zentrale Anstalten, wo sie in Gaskammern geführt wurden, die als Duschräume getarnt waren.

70.000 bis 100.000 Opfer hat die von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkte, mit makabrer Routine ablaufende Aktion nach vorsichtigen Schätzungen gefordert. Eine Ärztekommission hatte zuvor per Fragebogen in sämtlichen Heil- und Pflegeanstalten des Reiches erfasst, wer getötet werden sollte.

Perfide Rechenaufgaben in Schulbüchern

"30.000 Geisteskranke, Epileptiker usw." würden in deutschen Anstalten gepflegt, hieß es unter NS-Herrschaft in Schulbuchaufgaben. "Was kosten diese jährlich insgesamt bei einem Tagessatz von vier Reichsmark? Wieviel Ehestandsdarlehen zu je 1.000 Reichsmark könnten von diesem Geld jährlich ausgegeben werden?"

Solch perfide Propaganda trug schon lange vor Beginn der eigentlichen Tötungsaktion Früchte: Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14. Juli 1933 ordnete die Zwangssterilisierung von psychisch Kranken, Blinden oder Alkoholikern an. Es stieß auf scharfe Kritik des Vatikans, aber nur auf verhältnismäßig zurückhaltenden Widerstand der deutschen Bischöfe.

Als die generalstabsmäßig organisierte "Euthanasie" anlief, war Clemens August Graf von Galen der erste Bischof, der das Mordprogramm in aller Öffentlichkeit von der Kanzel herab zum Thema machte. Am 3. August donnerte er in seiner Predigt: "Dann wehe den Invaliden, die im Produktionsprozess ihre gesunden Knochen eingesetzt, geopfert und eingebüßt haben! (…) Dann braucht nur irgendein Geheimerlass anzuordnen, dass das bei Geisteskranken erprobte Verfahren auf andere 'Unproduktive' auszudehnen ist, dass es auch bei den unheilbar Lungenkranken, bei den Altersschwachen, bei den Altersinvaliden, bei den schwerkriegsverletzten Soldaten anzuwenden ist. Dann ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher!".

Die Predigt wird in ganz Deutschland bekannt, auch von vielen evangelischen Kanzeln verlesen. Abschriften gehen durchs Land. Sekretärinnen tippen nachts im Büro heimlich Durchschläge, in den Familien werden Abschriften mit der Hand verfertigt und an Freunde weitergeschickt, Fahrgäste lassen den Text in der Eisenbahn liegen.

Tötung geht inoffiziell weiter

Hitler stoppt das offizielle Mordprogramm tatsächlich, es endet am 24. August. In verringertem Umfang aber geht die sogenannte "wilde Euthanasie" weiter, nicht mehr in den Gaskammern, sondern mit tödlichen Spritzen oder schlicht durch Nahrungsentzug. Nach Schätzungen wurden insgesamt zwischen 200.000 und 300.000 Behinderte und psychisch Kranke ermordet.

Clemens August Graf von Galen aber, zu Beginn seiner kirchlichen Laufbahn noch stramm nationalkonservativ und ein Gegner der Weimarer Republik, war mit seiner mutigen Predigt in St. Lamberti endgültig zum Wortführer eines offensiven regimekritischen Kurses innerhalb der katholischen Bischofskonferenz geworden. Kurz vor seinem Tod im März 1946 ernannte ihn Papst Pius XII. zum Kardinal. 2005 sprach ihn sein deutscher Landsmann Benedikt XVI. selig.

Christian Feldmann


Nordrhein-Westfalen

Pendelverkehr beschleunigt für Asylverfahren



Bis Ende September sollen in Nordrhein-Westfalen alle Flüchtlinge in den offiziellen Aufnahmeeinrichtungen einen Asylantrag gestellt haben. Um die Verfahren zu beschleunigen, ist ein Pendelverkehr von den Einrichtungen zu den Behörden eingerichtet worden, wie die Bezirksregierung Arnsberg am 1. August mitteilte. Bis zu 250 der kommunal zugewiesenen Flüchtlinge könnten nun täglich bei den Ankunftszentren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihren Asylantrag stellen und persönlich angehört werden.

Die Flüchtlinge werden am Vortag ihres Anhörungstermins aus ihren Kommunen abgeholt und übernachten in einer Unterbringungseinrichtung des Landes, wie die Bezirksregierung mitteilte. Wegen der stark gestiegenen Flüchtlingszahlen im Herbst 2015 hatte das Land den Kommunen viele Flüchtlinge zugewiesen, die noch keine Möglichkeit zur Asylantragstellung beim Bamf gehabt hätten.

Mit dem von der Bezirksregierung angebotenen Pendelverkehr solle sichergestellt werden, dass alle für eine Anhörung vorgesehenen Flüchtlinge ihre Termine wahrnehmen können.

In Nordrhein-Westfalen sind inzwischen fünf Ankunftszentren für eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen eingerichtet. Nach Bonn, Dortmund, Mönchengladbach und Münster nahm Anfang Juli auch das Ankunftszentrum in Bielefeld seine Arbeit auf.

In den vom Bundesamt aufgebauten Einrichtungen soll der Großteil der Asylverfahren innerhalb von 48 Stunden abgeschlossen werden. Von der Registrierung über die Anhörung, den Bescheid bis hin zur Arbeitsmarktorientierung sollen dort alle Schritte des Asylverfahrens unter einem Dach stattfinden.



Niedersachsen

Berufseinstieg zugewanderter Frauen wird gefördert



Damit zugewanderte Frauen in Niedersachsen leichter Arbeit finden, will das Land für derzeit 24 Beratungsstellen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Die "Koordinierungsstellen Frauen und Wirtschaft" können für 2017 und 2018 jeweils bis zu 70.000 Euro bei der Förderbank NBank beantragen, wie das Sozialministerium am 3. August in Hannover mitteilte. "Zugewanderte Frauen wollen arbeiten, wir unterstützen sie dabei", sagte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD).

Bei den Koordinierungsstellen erhalten Frauen eine kostenlose Beratung über mögliche Berufswege oder über einen Wiedereinstieg in den Beruf. Zudem werden Unternehmen beraten. "Von dieser Kompetenz sollen auch zugewanderte Frauen profitieren", sagte Rundt. Ihnen gelinge der Weg in den Arbeitsmarkt oft nur schwer. Dazu trügen traditionelle Rollenverteilungen, Sprachbarrieren oder unzureichende Angebote der Kinderbetreuung bei.

Nach einer Studie des Bundesamtes für Migration wollten jedoch rund drei Viertel der zugewanderten Frauen arbeiten.



Mecklenburg-Vorpommern

Kommunen erhalten mehr Geld für Flüchtlinge



Die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern bekommen für die Flüchtlingsbetreuung mehr Geld vom Land. Bis 2018 sollen die Landkreise und kreisfreien Städte jährlich 7,5 Millionen Euro für den erhöhten Verwaltungs- und Betreuungsaufwand bekommen, teilte der Städte- und Gemeindetag MV am 2. August nach einem Spitzentreffen der Landesregierung mit Kommunalvertretern in Schwerin mit. Das seien 2,7 Millionen Euro mehr als bisher für 2016 geplant.

Außerdem sollen die Gemeinden jährlich je Flüchtling 100 Euro für Integrationsveranstaltungen erhalten. Im Sozialministerium soll zudem ein Fonds eingerichtet werden, in dem von 2016 bis 2018 jährlich eine Million Euro für integrative Maßnahmen zur Verfügung stehen.

Der Städte- und Gemeindetag MV begrüße die Einigung, hieß es. Beide Seiten hätten sich aufeinander zu bewegt und einen tragfähigen Kompromiss gefunden. Für den kommunalen Spitzenverband sei es wichtig gewesen, jetzt eine Lösung zu finden, da viele befristete Verträge für die Mitarbeiter in den Verwaltungen und bei den Trägern ausliefen und daher Unsicherheit bestanden habe.

Nunmehr sei die Zuständigkeit für die Betreuung der anerkannten Flüchtlinge geklärt und der Weg frei für die Einrichtung von Integrationszentren, die die Leistungen bündeln sollen, hieß es.



Bayern

Regierung will weniger Geld für Asyl ausgeben



Zugunsten eines Haushalts ohne neue Schulden will die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) auch bei Ausgaben für Asylbewerber sparen. Sie rechne in diesem Jahr mit nicht mehr als 200.000 Flüchtlingen, die nach Bayern kommen, sagte die Ministerin am 3. August in München. Sie verwies auf sinkende Kosten, da teure Notunterkünfte inzwischen geräumt worden seien.

Im Jahr 2017 werde der Sozialhaushalt rund 6,3 Milliarden Euro, was einem Rückgang gegenüber 2016 um über 640 Millionen Euro entspreche. Die Ausgaben für Asylbewerber reduzierten sich laut Müller von rund 2,6 Milliarden Euro in diesem Jahr auf rund 1,5 Milliarden Euro im nächsten und rund 1,2 Milliarden Euro im Jahr 2018.

Während im Januar 2016 laut Sozialministerium 74.677 Menschen nach Bayern kamen, waren es im gesamten Juli nur 3.333 Flüchtlinge, die untergebracht werden mussten.



Hessen

Fördergeld für Projekte mit ausländischen Studierenden



Das Land Hessen fördert zwei Modellprojekte für international Studierende und Flüchtlinge an der Hochschule Darmstadt (h_da) und der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) mit insgesamt 693.200 Euro.

Die h_da erhalte 416.400 Euro für ihr Projekt "Study and Stay", die THM 276.800 Euro für ihr Projekt "Welcome and Stay", teilte das hessische Wissenschaftsministerium am 2. August in Wiesbaden mit. Das Geld für die Projekte stammt aus dem Europäischen Sozialfonds.

Damit beteiligen sich nach den Angaben von Minister Boris Rhein (CDU) insgesamt zehn Hochschulen in Hessen am landesweiten Projekt "Potenziale nutzen. Hochschule - Integration - Arbeitsmarkt".

Die ersten Förderungen in Höhe von insgesamt rund 3,6 Millionen Euro gingen an die Goethe-Universität Frankfurt, die Universität Kassel und die Philipps-Universität Marburg, die Hochschule Geisenheim, die Frankfurt University of Applied Sciences und die Hochschule Fulda.



Behinderung

Sozialministerin: Freiheitsbeschränkende Maßnahmen sind letztes Mittel



Freiheitsbeschränkende Maßnahmen kommen bei der professionellen Betreuung von behinderten Kindern und Jugendlichen nur als allerletztes Mittel in Betracht. Das betonte die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) am 4. August in München vor der Presse. Sie stellte einen 10-Punkte-Plan zur Prävention vor, der als Reaktion auf Vorfälle in stationären Behinderteneinrichtungen vom April entstanden ist.

Nach Medienberichten im April 2016 über die Anwendung freiheitsbeschränkende Maßnahmen in Pflegeheimen für behinderte Kinder hatte Müller eine umfassende Untersuchung aller 104 Einrichtungen im Freistaat eingeleitet.

"Die stationären Einrichtungen werden in Bayern gut geführt. Unsere Nachforschungen haben dennoch sieben gravierende Verstöße bei der Anwendung von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zutage gefördert", berichtete Müller. Die Verstöße seien umgehend abgestellt worden.

Der 10-Punkte-Plan sieht unter anderem vor, dass die Eltern stärker an der Betreuung ihrer Kinder im Heim beteiligt werden. Deshalb sollen in allen Einrichtungen Sprecher der Eltern oder Sorgeberechtigten die Träger der Einrichtungen beraten. Dazu werden laut Müller die Heimrichtlinien überarbeitet: "Sie werden um verbindliche Empfehlungen zum Umgang mit freiheitsbeschränkenden Maßnahmen sowie die Beteiligung von Eltern und ihren Kindern ergänzt."

Außerdem kündigte die Ministerin an, dass bei den Bezirksregierungen Beratungs- und Beschwerdestellen geschaffen werden, an die sich Eltern im Falle von Problemen wenden können. Die Prüfung durch die Heimaufsicht solle zudem verstärkt werden, um zu sehen, ob und wie die fachlichen Empfehlungen umgesetzt werden: "Die Heimaufsicht wird künftig stichprobenartige Prüfungen vornehmen, auch unangemeldet", sagte Müller.



Umfrage

"Girls"- und "Boys' Day" haben Einfluss auf die Berufswahl



Die Berufsorientierungstage "Girls' Day" und "Boys' Day" helfen Jugendlichen einer Studie zufolge, neue Berufsfelder jenseits von Geschlechterklischees zu erkunden. Mehr als 5.200 Jungen und Mädchen bestätigten bei einer Umfrage die Wirkung der Aktionstage auf ihre Berufswahl, teilte das Kompetenzzentrum für Chancengleichheit in Bielefeld mit. Demnach gaben mehr als 50 Prozent der befragten Mädchen im Anschluss an den Aktionstag einen Wunschberuf an, in dem Frauen eher selten tätig sind. Das sind 18 Prozent mehr als noch vor dem Girls’ Day.

Bei den Jungen stieg der Anteil der Nennung von Berufen, in denen eher wenige Männer arbeiten, auf 43 Prozent, ein Zuwachs von 14 Prozent. Im Herbst startet eine dritte abschließende Befragung. Das Gesamtergebnis der Vorher-Nachher-Befragung soll Anfang 2017 vorliegen.

Der Aktionstag "Girls' Day" bietet Schülerinnen die Chance, sich über handwerklich-technische und IT-Berufe sowie über naturwissenschaftlich-technische Studiengänge zu informieren und eventuelle Vorbehalte abzubauen. Beim "Boys' Day" absolvieren Jungen ein Tagespraktikum im sozialen, pflegerischen oder erzieherischen Bereich. Die bundesweite Koordinierungsstelle für Chancengleichheit ist an der Bielefelder Fachhochschule angesiedelt.



Behinderung

Marl testet Bodenleitsystem für Blinde



Die Stadt Marl testet in einem landesweiten Pilotprojekt ein neuartiges Bodenleitsystem für Blinde und Sehbehinderte. Aus Kunststoff gefertigte Rillen- oder Noppenplatten werden auf dem Gehweg aufgeklebt und sollen auf Ampeln, Bordsteinkanten oder andere Hindernisse hinweisen, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Diese "Bodenindikatoren" seien deutlich kostengünstiger als die bisher üblichen Formsteine.

Außerdem seien die Kunststoffelemente schwarz-weiß gefärbt, so dass sie auch für Ältere und Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit besser zu erkennen sind. An einer Ampelkreuzung der Stadt werden die Bodenindikatoren derzeit getestet: Sie können mit dem Blindenstock oder den Füßen ertastet werden und sollen so ein barrierefreies Leitsystem bilden. Später sollen die Kunststoffelemente auch an zwei Bushaltestellen zum Einsatz kommen.



Sachsen-Anhalt

Ämter prüften 2.475 Fälle auf Kindeswohlgefährdung



Die Jugendämter in Sachsen-Anhalt haben im vergangenen Jahr 2.475 Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdung geprüft. Dies waren 250 Verfahren oder 9,2 Prozent weniger als noch im Vorjahr, wie das Statistische Landesamt am 29. Juli in Halle mitteilte. In 408 Fällen habe eine akute Kindeswohlgefährdung vorgelegen, in 384 Fällen konnte dies zumindest nicht ausgeschlossen werden.

Kein Handlungsbedarf ergab sich in 885 Fällen. In den Fällen, in denen sich der Verdacht bestätigte, ging es um Vernachlässigung, körperliche und psychische Misshandlung, aber auch sexuelle Gewalt. Fast jedes dritte Kind hatte zu Beginn des Verfahrens der Gefährdungseinschätzung das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet, hieß es.



Niedersachsen

Land gibt mehr Geld für Frauenhäuser



Frauenhäuser und Gewaltberatungsstellen in Niedersachsen sollen in den kommenden zwei Jahren mehr Geld bekommen. Das Land wolle die finanzielle Unterstützung für die mehr als hundert Einrichtungen um eine Million Euro pro Jahr aufstocken, kündigte die Gleichstellungsministerin Cornelia Rundt (SPD) am 1. August in Hameln an. Die sozialen Einrichtungen, die sich für den Schutz von Frauen gegen Gewalt einsetzten, erhielten dann insgesamt sieben Million Euro jährlich. Das Geld müsse aber noch im Haushalt bewilligt werden.

"Frauen, die Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt wurden, leiden oft ein Leben lang unter den Taten", sagte Rundt. Mit dem zusätzlichen Geld könnten sie gezielt beraten und betreut werden. Die Angebote würden in jüngster Zeit vermehrt auch von zugewanderten Frauen in Anspruch genommen. Sie stünden aber allen Frauen zur Verfügung.

Auch die Schwangeren- und Schwangerenkonfliktberatungsstellen sollen Rundt zufolge mehr Geld vom Land erhalten. Der Betrag steige von 7,98 Million Euro in diesem Jahr bis auf 8,42 Million Euro im Jahr 2018.




sozial-Branche

Haft

Sozialprojekte ersparten Straftätern das Gefängnis




Sozialarbeiter Falk Pieper betreut in Wuppertal das Projekt "Schwitzen statt Sitzen".
epd-bild/Uwe Möller
Wenn Straftäter Geldstrafen für kleinere Vergehen nicht bezahlen können, müssen sie ins Gefängnis. Das kann sie noch tiefer in die Abwärtsspirale stürzen. Das Projekt "Schwitzen statt Sitzen" will das verhindern.

Es waren zwei Schicksalsschläge, die den 29-jährigen Marc aus der Spur brachten: Erst verlor der gelernte Zerspanungsmechaniker seine Arbeit, kurz darauf seine Wohnung. Dann wurde er straffällig. Für den Diebstahl eines Tablet-Computers sollte er 600 Euro Strafe zahlen. Marc hatte das Geld nicht und hätte deshalb eine sogenannte Ersatzfreiheitsstrafe antreten müssen. Dann aber fand er einen Weg, die Haft zu umgehen: Mit Hilfe des Sozialprojekts "Schwitzen statt Sitzen" leistete er die Geldstrafe auf einem Wuppertaler Sportplatz mit gemeinnütziger Arbeit ab.

Schon seit 1997 haben straffällig gewordene Menschen in Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit, bei kleineren Delikten Geldstrafen mit gemeinnütziger Arbeit zu begleichen, wenn sie die zu zahlende Summe nicht aufbringen können. Denn ob Schwarzfahren oder Ladendiebstahl - wer zum Beispiel 30 Tagessätze à zehn Euro nicht zahlen kann, muss dafür alternativ rund einen Monat ins Gefängnis. Doch eine solche vierwöchige Ersatzhaft kostet den Steuerzahler etwa 3.000 Euro.

Beide Seiten profitieren

Von "Schwitzen statt Sitzen" profitieren daher das Land und die betroffenen Straftäter gleichermaßen. Pro Jahr sitzen im Schnitt 35.000 Häftlinge in den NRW-Gefängnissen ein, davon etwa 6.000 wegen minderschwerer Delikte. Allein im Vorjahr konnten mit Hilfe des Projekts gut 54.000 Hafttage vermieden werden. Bei angesetzten Kosten von rund 120 Euro pro Tag und Häftling sparte das Land 6,5 Millionen Euro, rechnet das Düsseldorfer Justizministerium vor, das das Projekt in NRW initiierte.

Auch in anderen Bundesländern wie Niedersachen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es "Schwitzen statt Sitzen". Ausgeweitet und bundesweit flankiert wurde diese Form des Strafvollzuges 2010. Damals hatte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) eine entsprechende Reform angeregt, nach der Täter eher gemeinnützige Arbeit leisten sollten, statt hinter den Mauern einer ohnehin überfüllten Vollzugsanstalt zu verschwinden. Dasselbe soll bei kleineren Straftaten gelten: Statt zu einer Haftstrafe von bis zu einem halben Jahr kann der Richter Angeklagte - etwa notorische Ladendiebe - auch zum Müllsammeln im Park verurteilen.

Zypries gab Gerichten Alternativen an die Hand

Zypries setzte sich über die Bedenken vor allem aus der Union hinweg: Sie schrieb den Richtern das Schwitz-Prinzip nicht zwingend vor, sondern gab den Juristen eine Alternative zur Verhängung der Haftstrafe an die Hand.

Inzwischen sind in NRW zehn soziale Träger angeschlossen. Die evangelische Kirche unterstützt das Projekt seit September 2015, die katholischen Bistümer schlossen im Juni eine Kooperationsvereinbarung mit dem Justizministerium. Die Träger bekommen von den Staatsanwaltschaften Klienten zugewiesen und vermitteln diese in gemeinnützige Beschäftigungen - zum Beispiel auf Sportplätzen oder in Tierheimen. Insgesamt zahlt das Land für das Projekt 400.000 Euro jährlich an die Träger - ein Bruchteil der Einsparungen durch Haftvermeidung.

Für die straffällig Gewordenen wiederum ist die gemeinnützige Arbeit ein Schutz davor, noch tiefer in die Abwärtsspirale zu rutschen, sagt NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD): "Durch die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen werden Verurteilte unnötig aus ihrem sozialen Umfeld herausgerissen." Die gemeinnützige Arbeit sei damit auch eine "Maßnahme der sozialen Integration".

Ähnlich sieht das auch Sozialarbeiter Falk Pieper. Er betreut in der diakonischen Einrichtung Wichernhaus in Wuppertal "Schwitzen statt Sitzen" für den Landgerichtsbezirk Wuppertal. "Das Projekt hat für die Betroffenen nur Vorteile", betont er. Etwa 700 Klienten vermittelt er pro Jahr in gemeinnützige Tätigkeiten.

Es fehlt an ausreichend Personal

Doch gerade weil das Projekt schon seit Jahren so gut läuft, ist Pieper auch unzufrieden - was nur scheinbar ein Widerspruch ist. Er betreut das Projekt alleine mit einer 30-Stunden-Stelle. Für intensive Gespräche und tägliche Besuche auf den Einsatzstellen fehlt ihm zunehmend die Zeit. Dieses Problem hätten auch viele seiner Kollegen bei den anderen Trägern, berichtet Pieper und betont: "Eine volle Stelle und eine Verwaltungskraft zusätzlich kosten nicht viel im Vergleich zu dem, was die Landesregierung dann noch zusätzlich sparen könnte."

Denn obwohl das Land den Etat im Vorjahr gegenüber 2014 auf 400.000 Euro verdoppelte, hat Pieper für seine Vermittlungsarbeit seit Jahren unverändert 40.000 Euro jährlich zur Verfügung. Der Grund: Mit der erhöhten Landessumme ging auch eine gestiegene Zahl von sozialen Trägern einher. "Unterm Strich bleiben wir unterfinanziert", bilanziert Pieper.

Ungeachtet dessen ist für Menschen wie den 29-jährigen Marc das Projekt ein persönlicher Segen: "Ich glaube, der Knast hätte mir den Rest gegeben", sagt er. "Die gemeinnützige Arbeit sehe ich jetzt als meine Chance auf einen Neuanfang."

Frank Bretschneider


Ferienfreizeit

In der Heide lernen Flüchtlingsfamilien gemeinsam Deutsch




Osama Seno aus Syrien und seine Tochter Jumana auf dem Gelände des Bildungszentrums Hermannsburg.
epd-bild/Karen Miether
Osama Seno und seine Familie leben erst seit wenigen Monaten in Deutschland. Der Flüchtling aus Syrien will schnell Deutsch lernen. Für Familien wie seine hat das Evangelische Bildungszentrum in Hermannsburg jetzt eine Ferienfreizeit organisiert.

Auf dem Rasen vor dem Volleyballfeld hebt Osama Seno sein Töchterchen Jumana hoch in die Luft. Die Dreijährige lässt ihren Vater während der Pause zwischen zwei Deutschstunden nicht aus den Augen. Ihre älteren beiden Geschwister sind ins Spielen vertieft. Mutter Reem kümmert sich um den zehn Monate alten Bruder Ali. Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan wollen bei einer Ferienfreizeit in Hermannsburg in der Lüneburger Heide eine Woche lang die deutsche Sprache und Kultur besser kennenlernen.

Wie Senos Familie, die vor drei Monaten aus Syrien nach Hermannsburg kam, leben fast alle Teilnehmer noch nicht lange in Deutschland. "Für sie gibt es noch keine offiziellen Sprachkurse", sagt der Leiter des Evangelischen Bildungszentrums Hermannsburg, Pastor Henning Uzar. Gefördert von der hannoverschen Landeskirche setzt das Bildungszentrum mit seiner Freizeit darum auf intensives Lernen und gemeinsame Vergnügungen für die ganze Familie. Noch bis zum Freitag sind dazu sechs Ehepaare mit insgesamt 25 Kindern aus Flüchtlingsunterkünften der Region in die Gästezimmer des Hauses umgezogen.

Radfahren, Basteln und ein Fest

Unter anderem stehen Radfahren, Maskenbasteln für die Kinder, ein Nähkurs und ein Fest auf ihrem Programm. Junge Frauen aus dem Ort wollen bei einem Gesprächsabend erzählen, wie sie Familie und Beruf unter einen Hut kriegen - deutsche Lebensweise. Und immer wieder wird die Sprache geübt. Nicht nur die lateinische Schrift sei manchen fremd, erläutert der Pastor. "Wir haben gemerkt, einige können gar nicht lesen und schreiben und haben keine Schule besucht."

Osama Seno gehört zu denen, die sich jetzt erste Buchstaben einprägen. In seinem Arbeitsbuch zeichnet er die vorgedruckten Lettern nach. Er übt deren Aussprache "Llll" und "Mmm" versucht, erste Wörter zu entziffern. Vor seiner Flucht hat Seno als Tischler gearbeitet. "Seine Familie war arm, er musste früh mit anpacken", übersetzt der ebenfalls aus Syrien stammende Apotheker Basel Samman, der als Dolmetscher die Freizeit begleitet. Seno ist Kurde. "Viele Kurden in Syrien haben keinen Ausweis und dürfen nicht zur Schule gehen", sagt er.

Zuversicht trotz Start bei Null

Als Willkür und Gewalt in seiner Heimat immer bedrohlicher wurden, machte sich der 28-Jährige mit seiner Familie auf den Weg. "Es war gefährlich", erzählt er nur kurz. Obwohl er in Deutschland bei Null anfangen muss, ist er zuversichtlich: "Ich habe gedacht, es ist sehr schwer in Deutschland. Aber es gibt viel Unterstützung." Die älteren Kinder haben die ersten Schulwochen hinter sich. Jumana soll nach den Ferien in den Kindergarten kommen.

"Die Kinder lernen schnell", sagt Bildungsreferent Andreas Sedlag, der das Freizeit-Programm für die Mädchen und Jungen organisiert. Doch in den Ferien fehle der Kontakt zu den Mitschülern. "Das bringt 14 Tage Rückschritt, sagen Experten." Deshalb pauken auch die Mädchen und Jungen - allerdings spielerisch. Lehrerin Carmen Zorn hat mit ihnen Bilder mit Obst bunt angemalt. Vor jedem Stuhl liegt eine andere Frucht. Mit einer Abwandlung des Spiele-Klassikers "Mein rechter, rechter Platz ist leer", üben die Kinder Vokabeln: "Ich wünsch mir die Zitrone her", sagt Mohammed. Sein Freund erhebt sich vom Zitronen-Platz und setzt sich rechts neben ihn.

Neben den Mitarbeitern der Bildungsstätte und Honorarkräften sind viele Ehrenamtliche bei der Freizeit dabei. In der Begegnung voneinander zu lernen, gehört zum Konzept. Osama Seno spricht im Alltag mit seiner Familie und den Freunden Kurdisch. Deutsch zu lernen und dann wieder arbeiten zu können, sei sein großer Wunsch, übersetzt Dolmetscher Samman. "Ich will hier von anderen etwas abhören." Und wenn er stolz von seinen Kindern spricht, rutscht ihm auch schon mal ein deutsches Wort heraus.

Karen Miether


Medien

Die elektronische Suchtfessel sprengen




Immer mehr Jugendliche leiden an Computerspiel- und Internetsucht. (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Sleegers
Soziale Netzwerke, Online-Spiele, Googeln: Alles kann zur elektronischen Suchtfessel werden. Besonders gefährdet sind Kinder und Jugendliche. Hilfe für junge Internetsüchtigen bietet die Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Der Suchtbericht 2016 der Bundesregierung enthält alarmierende Zahlen: In Deutschland zeigen bei den 14- bis 24-Jährigen etwa 2,4 Prozent - das sind 250.000 Betroffene - Zeichen einer Internet-Abhängigkeit. Bei den 14- bis 16-Jährigen seien es sogar vier Prozent. "Es wird alles andere gestrichen. Essen, sich mit Freunden treffen und in die Schule gehen, bleiben auf der Strecke", erklärt Psychologin Isabel Brandhorst, die in Tübingen ein Mal pro Woche Internetsüchtige therapiert.

Eltern können sich seit mehr als zehn Jahren an die Tübinger Kinder- und Jugendpsychiatrie wenden, wenn sie Hilfe für internetgefährdete Kinder brauchen. Die Spezialsprechstunde für Exzessive Mediennutzung und Computerspielsucht gehört zur Ambulanz der Klinik.

Trainieren, Pausen auszuhalten

Die Dauer des Aufenthalts im Internet allein sage noch nichts über die Suchtgefahr aus, meint Gottfried Barth, Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Tübingen. Denn man müsse das "Warum" erkennen und dabei gehe es oft "um Langeweile, die gefüllt werden will". Ein Punkt, der auch in der Therapie eine große Rolle spiele. "Es muss wieder trainiert werden, Pausen auszuhalten, anstatt ständig zu Daddeln", erläutert Isabel Brandhorst.

Für Barth ist die Internet-Sucht häufig nur ein Symptom für etwas anderes. Etwa Depressionen, die bei Kinder und Jugendlichen oft nicht erkannt würden. Oder die Aktivitäten im Netz dienten der Flucht aus der Realität, wenn den Jugendlichen echte Freunde fehlen und sie deshalb einsam seien.

Bis zu 16 Stunden sind die Süchtigen laut dem Bundes-Suchtbericht im Netz. Zwölf Stunden kennt Isabel Brandhorst als ihren extremsten Fall. Mädchen surfen dabei eher in sozialen Netzwerken, Jungs spielen dagegen häufiger Online-Computerspiele.

Ab wann eine Internetsucht besteht, legte eine Expertengruppe der American Psychiatric Association (APA) 2013 fest. Sie ermittelte neun Kriterien. Wenn fünf davon länger als ein Jahr auftreten, sprechen Experten von Sucht. Zwei der neun Aspekte sind, wenn sich die Gedanken ständig um Spiel-Episoden drehen und wenn es immer schwerer fällt, sich vom Netz trennen.

Offen, ob Internetverfügbarkeit die Suchtgefahr erhöht

Ob sich durch neue technische Möglichkeiten wie beispielsweise Smartphones, mit denen man ständig und überall im Netz unterwegs sein kann, das Suchtpotenzial vergrößert, halten die Experten für fraglich. Dazu zieht Barth einen Vergleich mit Alkoholkranken heran: "Alkohol ist auch ständig verfügbar. Doch die Zahl der Suchtkranken blieb in den letzten Jahren konstant."

"Ich bin mit meinen Schulnoten total abgesackt", habe ein Junge erklärt, warum er sich zur Therapie anmeldete. So einsichtige Internetsüchtige seien die Ausnahme, sagen die Tübinger Experten. Selbst Eltern wüssten manchmal nicht mehr weiter, so dass das Gericht eingeschaltet werde. Per Beschluss müssen diese Internetsüchtigen dann an einer Therapie teilnehmen. Besonders schwierige Fälle würden selbst diese Termine nicht einhalten. Die Unterbringung in der geschlossenen Klinik kann dann folgen.

Zur Therapie gehört, dass die jungen Leute auflisten, welche anderen Aktivitäten sie interessieren. Handwerkliches, Sport oder Surfbrett zählen zu den Alternativen. "Wenn wir den Patienten nur das Netz wegnehmen, entsteht ein Loch und dieses Vakuum müssen wir füllen", sagt Barth.

Bewusstgemacht werde den Teilnehmern auch, dass sich ihr Hirn regenerieren muss. "Das Gehirn hat verlernt, dass man auf andere Weise Positives erleben, also Spaß haben kann", meint Barth. Ein dritter Ansatz sei, gemeinsam mit dem Süchtigen Vereinbarungen zu treffen. Zeitliche Beschränkung des WLAN-Zugangs und ein gestellter Wecker, um den Zeitrahmen der Netznutzung einzuhalten, sind zwei Möglichkeiten.

Problem Dauersurfen ist neu hinzugekommen

In den Jahren seit Einrichtung der Beratungsstelle in Tübingen hat sich Einiges geändert. "Anfangs ging es nur um Computer-Spiele. Heute kommen andere Netzaktivitäten dazu", etwa Dauerchatten, das Surfen in sozialen Netzwerken oder allgemein im Internet, sagt Barth.

Seit 2008 bietet die Tübinger Klinik auch spezielle Beratungen für Alleinerziehende. "Für diese Personengruppe ist es besonders schwierig, ihren Kindern Grenzen zu setzen", meint Isabel Brandhorst.

Birgit Vey


Gastbeitrag

Pflegeheime

Noch viele Tücken im sensiblen Bereich der Überleitung




Thomas Harazim
epd-bild/Natalia Riefel
Mit der Einführung eines einheitlichen Eigenanteils für alle Bewohner eines Pflegeheims wird das Finanzierungssystem umgebaut. Neben dem bereits heute einheitlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionen soll nun auch der bisher noch gestaffelte Pflegesatz unabhängig von der Pflegebedürftigkeit einheitlich werden. das könnte für die Einrichtungen zu manchem Problem führen.

Die Reform, die sich auf viele Bewohner und Pflegebedürftige positiv auswirken wird, stellt sich für die Anbieter und Pflegesatzparteien schwierig dar. Denn der Gesetzgeber hat es den Ländern übertragen, für eine Ausgestaltung zu sorgen und den sensiblen Bereich der personellen Überleitung offen gelassen. Und wenn man sich die bisher bekannten Überleitungsverfahren anschaut, einige Länder haben noch gar keine Lösung veröffentlicht, obwohl die Frist Ende September verstreicht, ist das auch nur in einigen Bundesländern gut gelungen.

Zwar wird per Gesetz eine mathematische Überleitungsformel angeboten. Diese berechnet jedoch nur die monetäre Überleitung der Pflegesätze und lässt wichtige Positionen wie Steigerungsraten beziehungsweise Inflationsausgleiche oder die dazugehörigen Personalschlüssel beziehungsweise Überleitungsansätze für die Personalschlüssel auf Pflegegrade-Basis offen. Die Bundesgesetzgebung sieht somit lediglich den rechnerischen und budgetneutralen Transfer der Pflegesätze aus dem Pflegestufensystem in den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil im Pflegegradsystem vor.

Knackpunkt Personalsteuerung

Ein wesentlicher Faktor für stationäre Einrichtungen ist jedoch die wirtschaftliche Personalsteuerung, welche insbesondere unter dem Aspekt eines kostendeckenden Personalschlüssels erfolgen muss. Im heutigen System wird dieser Personalschlüssel zwar immer wieder kritisiert, stellt jedoch als Bemessungsgrundlage das wesentliche Element dar und funktioniert auch nachweislich.

Dieser Personalschlüssel bleibt im Gesetz unberührt. Es ist lediglich gewünscht, mindestens personalneutral für eine unbestimmte Zeit (voraussichtlich bis zum Jahr 2018) überzuleiten. Weil jedoch die Erträge je Pflegegrad im neuen System nicht mehr mit dem Prinzip der Pflegestufenfinanzierung zu vergleichen sind, ist insbesondere in Bundesländern mit einem gestaffelten Pflegeschlüssel (und das sind die meisten) eine Steuerung nach alten Schlüsseln nicht mehr risikolos möglich.

Durch die Politik wird sogar proklamiert, dass es im Rahmen der Umstellung ab 2017 zu einer Verbesserung der Personalausstattung von ca. 20.000 Stellen kommen soll. Eine bundeseinheitliche Lösung wird aber erst für das Jahr 2020 angestrebt. Bis dahin sollen die Bundesländer und dort die Pflegesatzkommissionen Länderregelungen für ein vereinfachtes, und damit auch die Verhandlungsparteien (in erster Linie Kostenträger und Leistungsanbieter) entlastendes Verfahren entwickeln. An diesem Punkt scheitern derzeit noch einige Länder, und die Zeit bis Ende September ist knapp.

Länder agieren sehr unterschiedlich

Es gibt aber bereits mehrere Länder, deren Pflegesatzkommissionen ein vereinfachtes Überleitungsverfahren vorgestellt haben. Hierbei zeigt sich deutlich, wie unterschiedlich diese ausgelegt und umgesetzt werden. Von pauschalen Steigerungen auf den Pflegesatz teilweise ohne Verpflichtung, diese Steigerungen in Personal zu investieren, über neue landeseinheitliche Personalschlüssel für Pflegeheime bis hin zur Berechnung neuer, einrichtungsindividueller Pflegepersonalschlüssel ist das Spektrum sehr unterschiedlich.

Zum Zeitpunkt der Überleitung erfolgt die Überleitung mindestens Budgetneutral, beziehungsweise zuzüglich eines Steigerungsfaktors für Mehrpersonal oder für den „Risikozuschlag“. Wie hoch eine solche Steigerung ist oder ob es überhaupt eine gibt, hängt von den landesinternen Regelungen ab.

Für den Risikoaufschlag reicht die Spanne von einem marginalen Inflationsausgleich von etwa einem Prozent bis hin zu 3,7 Prozent. Einige Bundesländer staffeln dabei die Steigerungsraten in Abhängigkeit vom Anteil der Bewohner mit einer nachgewiesenen, eingeschränkten Alltagskompetenz in den Heimen. Dabei wird spätestens ab einem Anteil von 80 Prozent der maximale Satz bewilligt.

Hierdurch ergibt sich das erste Risiko für die Einrichtungen. Überleitungen, die keine pauschale Steigerung des Pflegesatzes vorsehen, sind kritisch zu betrachten. Die zu erwartenden Kostensteigerungen, insbesondere im Tarifbereich, können dann im Jahr 2017 kaum abgefangen werden.

Auch pauschale Aufschläge sind vorgesehen

Zusätzlich werden in einigen Fällen dann noch einmal pauschale Aufschläge für die Refinanzierung neuer Pflegekräfte vorgesehen, während andere dies durch einen neu eingeführten Personalschlüssel machen, durch den dann der neue, erhöhte Personalbedarf berechnet wird. Andere Bundesländer verzichten auch hier auf einen Aufschlag und leiten vollständig personalneutral über.

Entsprechend der einzelnen Landesregelungen werden die neuen Pflegesätze entsprechend höher sein. Die Überleitung orientiert sich dabei nahezu in allen Fällen am bundesgesetzlichen Vorschlag. Für die Betreiber einer stationären Pflegeeinrichtung stellt sich jedoch immer die Frage, ob durch die Überleitung der Pflegeschlüssel noch eine kostendeckende Personalsteuerung auf Basis der Refinanzierung der hinterlegten Pflegschlüssel möglich ist oder ob hier ein wirtschaftliches Risiko besteht.

Der Personalschlüssel wird leider nur in wenigen Bundesländern anhand der Erträge je Pflegegrad nach Überleitung und der realen Personalkosten berechnet. Dadurch entstehen zwar hausindividuelle, aber kostendeckende Personalschlüssel, mit denen belegungsabhängig gesteuert werden kann.

Für die übrigen Länder stellt die Überleitung meistens ein nicht so befriedigendes Verfahren zur Verfügung. Es wird der neue Personalschlüssel anhand des bestehenden Personals in Abhängigkeit von der gewichteten Anzahl versorgter Pflegebedürftiger berechnet. Dadurch entstehen neue, aber fiktive, weil nicht kostenorientierte Personalschlüssel. In den betroffenen Bundesländern sollten daher alle Einrichtungen vor Überleitung die Kostendeckung je Pflegegrad berechnen, um nicht vollkommen unwirtschaftliche Personalschlüssel zu erhalten. Risiko: Das vorzuhalten Personal ist nach Abzug der Umlagekosten nicht zu finanzieren.

Verfahren vorher genau prüfen

Im Vorfeld zur Überleitung heißt es daher für alle Einrichtungen, sich genau mit den vorhandenen Verfahren auseinanderzusetzen. Denn alle bekannten Verfahren haben ihre Tücken. Sollte es noch kein Verfahren geben, besteht die Chance, individuelle Verhandlungen zu führen - was aus unserer Sicht sinnvoller ist als die Anwendung des gesetzlichen Verfahrens, weil hier zum einen noch einmal die Chance auf eine Überprüfung der angesetzten Kosten besteht und gegebenfalls eine Einflussnahme auf den Personalschlüssel sowie eine Steigerung der Pflegesätze auch in Höhe der Tarifsteigerungen möglich wird.

Inwieweit die Überleitungen, wenn sie denn Personalsteigerungen beinhalten, langfristigen Charakter haben, wird sich ebenfalls erst noch zeigen. Durch den Moment der Überleitung - in der Regel erst einmal befristet auf ein Jahr - bleiben alle Einrichtungen mindestens beim gleichen Personalstamm oder können diesen erhöhen. Für die Einrichtungen bedeutet das einen sehr intensiven Kampf um Pflegekräfte, welchen sie auch mit der ambulanten Pflege ausfechten müssen.

Für die Zukunft ist jedoch zu befürchten, dass die Pflegegrade im Vergleich zum Zeitpunkt der Überleitung nach unten reguliert werden. Das könnte anhand der dann teilweise vergleichsweise schlechteren Personalschlüssel im Rahmen der Überleitung zu einem Abbau des Personals führen. Ein entsprechendes Frühwarnsystem mit eindeutigen Kennzahlen wie etwa Verweildauer je Pflegegrad sollte daher zeitnah etabliert werden.

Thomas Harazim, Pflege- und Gesundheitsmanager, ist Berater bei der rosenbaum nagy unternehmensberatung GmbH in Köln.


Diakonie

Vorstandssprecher warnt vor Scheinlösungen bei Flüchtlingsbewegungen



Ein Jahr nach Beginn der großen Flüchtlingszuwanderung im vergangenen Sommer nach Westeuropa warnt der Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen, Christoph Künkel, vor Scheinlösungen. "Nach der Schließung der Grenzen tun wir so, als sei alles gelöst, nur weil wir die Menschen nicht mehr täglich vor Augen haben - frei nach dem Motto: Was wir nicht sehen, gibt es nicht", sagte der evangelische Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Wir verfolgen mit zwiespältigen Gefühlen die Entwicklungen in der Türkei und sind zugleich froh, dass das Land uns die Flüchtlinge abnimmt", sagte Künkel. Im griechischen Idomeni sei das Lager zwar aufgelöst worden, doch die Menschen seien damit nicht verschwunden. Sie müssten jetzt woanders klarkommen.

Auch in den Herkunftsländern der Migranten habe sich inzwischen nichts verbessert - weder in Syrien noch in Afghanistan, Somalia oder Eritrea, betonte der Oberlandeskirchenrat. Im Mittelmeer kenterten weiterhin Flüchtlingsboote, und Hunderte Menschen verlören dabei immer wieder ihr Leben. "Wir haben eine humanitäre Verpflichtung, uns zu kümmern, die wir nur alle gemeinsam politisch lösen können."

Die Zuwanderung im vergangenen Jahr habe Deutschland nicht überfordert, aber an Grenzen geführt. Künkel lobte in diesem Zusammenhang das Land Niedersachsen, das einen großen Teil seiner Flüchtlingseinrichtungen "schlafend gestellt" habe. "Wenn die Not wieder sehr groß wird, sind wir besser vorbereitet als vorher."

Jetzt gehe es darum, den Zuwanderern in Deutschland Lebensperspektiven zu eröffnen. "Das wird für viele ein sehr weiter Weg", sagte Künkel: "Unsere Arbeitsbezüge sind so komplex und mit Tempo verbunden, dass selbst viele unserer hier aufgewachsenen Hauptschüler Probleme haben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren." Besonders für die erwachsenen Flüchtlinge, die über keinerlei Schulbildung verfügten, werde es sehr schwierig.

Zwar stellten auch die unbegleiteten Minderjährigen das Land und die Jugendhilfe vor immense Herausforderungen, doch hier verfüge die Diakonie über eine lange Praxis. "Besonders die Behinderten-Einrichtungen haben langjährige Erfahrungen, wie man junge Menschen ohne direkten Zugang zum Arbeitsmarkt nach ihren Fähigkeiten und in ihrem Tempo fördert." Er hoffe, dass sich dieses vorhandene Wissen langsam und kontinuierlich auch auf andere Ausbildungen und Beschäftigungsverhältnisse übertragen lasse, betonte der Theologe.

"Ich halte fördern und fordern dabei für einen wichtigen Ansatz", sagte Künkel. Die Wahlfreiheit in westlichen Ländern sei auch etwas sehr Anstrengendes und Belastendes, was vielleicht auch manchen überfordere.

Als Beispiel nannte der Sozialexperte, dass viele Flüchtlinge offensichtlich Probleme mit Praktika in Handwerksbetrieben hätten, weil diese Berufszweige in ihren Herkunftsländern eher gering geschätzt würden. Hier müsse mit viel Geduld immer wieder aufgeklärt werden. Dabei dürfe niemand durch Vorschriften wie "Das wird jetzt gemacht" entmündigt werden: "Wir müssen vielmehr zum Ausprobieren ermutigen".



Diakonie

Rummelsberg übernimmt Nürnberger Fachakademie



Trägerwechsel bei der Evangelischen Fachakademie für Sozialpädagogik (FAKS) in Nürnberg: Die Rummelsberger Diakonie übernimmt zum 1. August die Trägerschaft. Die Evangelische Erziehungsstiftung Nürnberg als bisherige Trägerin habe die finanzielle Sicherung des Schulbetriebes in Zukunft nicht mehr gewährleisten können, sagte Stiftungsvorsteherin Birgit Löwe am 28. Juli.

Bei den Rummelsbergern sei die Fachakademie künftig in einen Verbund mit anderen Ausbildungsstätten eingebunden. Eine Vernetzung dort zwischen Theorie und Praxis schaffe Synergien, erklärte Löwe.

Die Schulaufsicht der Regierung von Mittelfranken habe dem Trägerwechsel jetzt zugestimmt, teilte der Rektor der Rummelsberger Diakonie, Günter Breitenbach, mit. "Für uns fügt sich damit ein weiteres Mosaikteil in die enge Verzahnung von Bildung, Betreuung und Erziehung, die zu unserem Leitmotiv gehört."

Die Rummelsberger Diakonie kann nach der Ausbildung zum Erzieher nun auch weitere Studiengänge anbieten. Derzeit würden bei den Rummelsbergern etwa 1.000 Schülerinnen und Schüler und Studierende auf die Arbeit in einem sozialen Beruf vorbereitet, sagte Diakon Christian Oerthel. Für die 240 Studierenden wie für das Personal der Evangelischen Fachakademie Nürnberg werde durch den Trägerwechsel wenig ändern, versicherte Oerthel.



Kreuznacher Diakonie

Fusionsziel heißt "Diakonie-Kliniken Saarland"



Die Stiftung Kreuznacher Diakonie will ihre drei saarländischen Krankenhäuser als Diakonie-Kliniken Saarland zusammenfassen. Dabei gehe es darum, das Beste aus allen drei Standorten herauszufiltern und unterschiedliche Schwerpunkte aufzubauen, sagte einer der drei Geschäftsführer des Diakonie-Klinikums Neunkirchen, Joachim Krekel, am 1. August. Rund neun Monate nach der Übernahme des Städtischen Klinikums durch die Stiftung läuft laut Pflegedirektorin Kathrin Siegwart aber "noch nicht alles rund".

Sie bat die Mitarbeiter um Geduld, wenn noch nicht alles gut funktioniere. Vorher sei vieles in einem Haus geregelt worden, nun seien die Strukturen größer, Prozesse dauerten länger, die Kommunikation müsse noch besser werden. Die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung des Diakonie-Klinikums Neunkirchen, Gabriele Umlauf-Will, betonte, dass der Übergang von weltlichem zu kirchlichem Arbeitsrecht für alle gewöhnungsbedürftig sei. Strukturen seien nun anders und manche Mitarbeiter machten sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze.

Geschäftsführer Krekel betonte, dass demnächst insgesamt fünf Prozent beim Personal abgebaut werden, weil das Krankenhaus "nach wie vor defizitär" arbeite.

Für die drei Krankenhäuser will die Kreuznacher Diakonie den Angaben zufolge beispielsweise die Speiseversorgung im Fliedner-Krankenhaus Neunkirchen zentrieren und von dort das Evangelische Stadtkrankenhaus Saarbrücken sowie das Diakonie-Klinikum Neunkirchen versorgen. Die zentrale Logistik solle wiederum beim Diakonie-Klinikum liegen, erklärte Krekel.

Das Fliedner-Krankenhaus solle zudem Schwerpunktversorger für psychische und geriatrische Krankheitsbilder werden, dafür wandere die Abteilung für Inneres zum Diakonie-Klinikum. Zurzeit liege diese Krankenhausplanung dem saarländischen Gesundheitsministerium und den Krankenkassen vor, erläuterte Krekel.



Tarifeinigung

Lohnsteigerungen für Diakonie-Beschäftigte beschlossen



Die mehr als 50.000 hauptamtlichen Diakonie-Beschäftigten in Berlin, Brandenburg und Ostsachsen bekommen auch 2017 und 2018 Lohnerhöhungen. Für das kommende Jahr sei eine Tariferhöhung um 2,1 Prozent, für 2018 um 2,85 Prozent vereinbart worden, teilte die Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am 4. August in Berlin mit. Damit habe das Angebot der Arbeitgeberseite von 0,6 Prozent mehr Lohn deutlich verbessert werden können.

Die Beschlüsse gelten für den Großteil der insgesamt rund 52.000 hauptamtlichen Beschäftigten diakonischer Einrichtungen der evangelischen Kirche in der Region, sagte Geschäftsstellenleiterin Jeanette Klebsch. Ausnahmen gebe es für einzelne Einrichtungen, die abweichende Tarifregelungen der Diakonie Deutschland oder der sächsischen Diakonie anwenden.

Die Lohnerhöhungen treten jeweils zum 1. April, für Beschäftigte der stationären und ambulanten Pflege zum 1. Juni in Kraft. Zuletzt wurden die Entgelte auf Grundlage einer Vereinbarung von 2014 in diesem Frühjahr um 2,5 Prozent erhöht.



Deutscher Verein

Broschüre zur Technik-Beratung von Senioren



Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge informiert mit einer Handlungsempfehlung über die Potenziale technischer Hilfsmittel für ältere Menschen. Inhalt der Broschüre sei eine "Anleitung für den Aufbau eines kommunalen Beratungsangebots für Betroffene und ihre Angehörigen", teilte der Verein am 1. August in Berlin mit..

Dahinter steckt die Erkenntnis, dass technische Hilfsmittel zur Förderung von Selbstständigkeit, Autonomie und gesellschaftlicher Teilhabe älterer Menschen selbst bei zunehmendem Unterstützungsbedarf bisher nur wenig genutzt werden. Deshalb zeige die jetzt veröffentlichte Broschüre die Bedeutung einer kommunalen Technikberatung für Betroffene, ihre Angehörigen und das Gemeinwesen.

"Schritt für Schritt wird der Aufbau eines bedarfsorientierten Beratungsangebots dargestellt, begleitet von Praxis-Tipps und Handlungsempfehlungen sowie einer Übersicht erprobter Geräte", betont der Verein. Das alles geschehe jenseits aufwendiger Roboter- oder Smart Home-Systeme. Die Broschüre beruht den Angaben nach auf Modellprojekten in 22 Städten und Landkreisen und deren wissenschaftlicher Begleitung.



Pilotprojekt

Experten entwickeln Evakuierungsstrategien für Behinderte



Brandschutzexperten der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität wollen Evakuierungsstrategien für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickeln. "Deren Evakuierung aus einer Gefahrenlage stellt Einsatzkräfte und Pflegepersonal vor enorme Herausforderungen", sagte Projektleiterin Andrea Klippel vom Institut für Apparate- und Umwelttechnik am Mittwoch in Magdeburg.

Demente, in ihrer Mobilität eingeschränkte Senioren, junge Menschen in Behindertenwerkstätten, die auf Rollstühle angewiesen, blind oder taub sind, seien bisher nicht in Evakuierungsmodellen berücksichtigt worden, fügte sie hinzu.

Die Wissenschaftler wollen nun in den kommenden Monaten unter anderem Ereignisse wie die Brandkatastrophe in einem Seniorenpflegeheim 2014 im niedersächsischen Wiefelstede mit einem Toten und zahlreichen Verletzten auswerten, Risikoanalysen vornehmen sowie Großbrände und worst-case-Szenarien in Alten- und Pflegeheimen und in einer Behindertenwerkstatt simulieren.

Das Forschungsvorhaben ist Teil eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojektes, das über drei Jahre mit insgesamt 1,12 Millionen Euro unterstützt wird.



Wohnungslose

Straßenfußball-Meisterschaft 2016 in Kiel



Zehn Jahre nach dem Auftakt wird in Kiel wieder die Deutsche Meisterschaft im Straßenfußball ausgetragen. Die Meisterschaftsspiele finden am 9. und 10. September im Sportpark Gaarden statt, wie das Straßenmagazin "Hempels" in seiner neuen Ausgabe berichtet.

Veranstaltet wird das Turnier von "Hempels", der Evangelischen Stadtmission, dem Sportpark Gaarden und "Anstoß!", der Bundesvereinigung für soziale Integration durch Sport. Der Eintritt ist frei.

Die erste Meisterschaft wurde 2006 in Kiel ausgetragen. Sieger wurde damals die Kieler Mannschaft "Hannibals Erben". Die Sportler haben keinen festen Wohnsitz und kommen aus Einrichtungen der Wohnungslosen-, Sucht- und Straffälligenhilfen sowie Asylunterkünften und Straßenzeitungen.




sozial-Recht

Finanzgericht

Steuerersparnis auch beim Einsatz von ungelernten Pflegekräften




Bei der Steuererklärung spielt die Qualifikation von ambulanten Pflegekräften keine Rolle.
epd-bild/Werner Krüper
Werden pflegebedürftige Menschen von ungelernten Pflegekräften ambulant betreut, können die Kosten trotzdem als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend gemacht werden. Das hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in Stuttgart entschieden.

Das Finanzgericht befand in einem am 20. Juli veröffentlichten Urteil, dass die "angemessenen Krankheitskosten" von der Steuerschuld abzuziehen sind, so, wie das auch bei Aufwendungen für die hauswirtschaftliche Betreuung möglich sei.

Damit bekam die pflegebedürftige Klägerin, bei der seit April 2012 die Pflegestufe II anerkannt ist, teilweise recht. Nach mehreren Stürzen in ihrer Wohnung wollte sie einen ständigen Bereitschaftsdienst vor Ort haben.

Pflegedienst aus Polen kam zum Einsatz

Sie engagierte einen ambulanten Pflegedienst aus Polen und erhielt für den selbst beschafften Pflegedienst Pflegegeld in Höhe von 440 Euro monatlich. Der Pflegedienst bot vorwiegend eine hauswirtschaftliche Versorgung, Alltagsunterstützungen wie Einkaufen oder Kochen und in geringerem Umfang auch eine Grundpflege an. Die eingesetzten Pflegekräfte mussten laut Vertrag keine pflegerische Ausbildung haben. Das Pflegepersonal war während der Arbeit in der Wohnung der Klägerin untergebracht.

Die Pflegekosten des ambulanten Dienstes im Jahr 2014 in Höhe von über 30.000 Euro machte die Klägerin erfolglos beim Finanzamt als außergewöhnliche Belastung steuermindernd geltend.

Finanzbehörde wollte nur 4.000 Euro anerkennen

Die Behörde gewährte lediglich einen Steuerabzug für "haushaltsnahe Dienstleistungen", die der Pflegedienst erbracht hatte. Dieser war auf den Höchstbetrag von 4.000 Euro gedeckelt. Nur Aufwendungen von qualitätsgesicherten Pflegeleistungen, die von ausgebildeten Pflegekräften beziehungsweise einem anerkannten Pflegedienst erbracht werden, können als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, argumentierte der Fiskus. Zahle die Pflegeversicherung Pflegegeld, könne davon ausgegangen werden, dass keine ausgebildete Pflegekraft beschäftigt war.

Hier habe der polnische Pflegedienst vorwiegend hauswirtschaftliche Leistungen und Alltagsunterstützungen geleistet. Das sei der "privaten Lebensführung" der Klägerin zuzuordnen.

Die pflegebedürftige Frau hielt diese Einschätzung für rechtswidrig. Auch in anerkannten Pflegeeinrichtungen würden ungelernte Pflegekräfte eingesetzt.

Das Finanzgericht gab der Klägerin jetzt teilweise recht. Pflegeaufwendungen zählten dem Grunde nach als Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastungen gelten. Dazu können auch Aufwendungen im Bereich hauswirtschaftlicher Versorgung gehören, wenn damit die Krankheit erträglicher gemacht werde.

Qualifiziertes Personal ist nicht vorgeschrieben

Es sei nicht erforderlich, dass es sich bei der Betreuung um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt. Denn der Gesetzgeber gehe davon aus, dass "die Anerkennung von Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht von der Qualifikation des jeweiligen Pflegepersonals abhängt", betonte das Finanzgericht.

Die Klägerin könne jedoch nur außergewöhnliche Belastungen von rund 15.500 Euro geltend machen. Denn es dürften nur die "angemessenen Kosten" berücksichtigt werden. Weil der Pflegedienst kein Pflegetagebuch geführt habe, habe das Gericht den Umfang der Pflegeleistungen mit Hilfe eines Gutachtens bestimmen müssen.

Das Finanzgericht ließ die Revision zum Bundesfinanzhof in München zu.

Az.: 5 K 2714/15

Frank Leth


Bundesgerichtshof

Persönliche Anhörung im Betreuungsverfahren ist Pflicht



Vor der Einrichtung einer Betreuung müssen Betroffene immer vom Betreuungsgericht angehört werden. Dies dient nicht nur dem Recht des Betroffenen, ihm rechtliches Gehör zu gewähren, sondern vor allem soll auch das Gericht damit einen unmittelbaren persönlichen Eindruck erhalten, betonte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 29. Juli veröffentlichten Beschluss. Nur weil der zu Betreuende sich weigert, die Betreuung nicht haben zu wollen oder den Betreuer ablehnt, sei dies noch kein Grund, auf die Betreuung zu verzichten, so die Karlsruher Richter.

Im konkreten Fall hatte ein geschiedener Mann die Betreuung seiner Ex-Frau im Bereich „Vertretung in dem Zugewinnausgleichsverfahren“ beantragt. Diese sei wegen ihrer psychischen Probleme nicht bereit, die scheidungsbedingte Aufteilung des Vermögens zu klären.

Das Landgericht Frankenthal lehnte die Bestellung eines Betreuers ab, ohne die Frau persönlich anzuhören. Diese kam einfach nicht zu einem Anhörungstermin.

Der BGH hob in seinem Beschluss die Landgerichts-Entscheidung auf. Nach dem Gesetz muss eine persönliche Anhörung des Betroffenen vor der Bestellung eines Betreuers erfolgen. Die persönliche Anhörung durch das Betreuungsgericht diene nicht nur dem Anspruch auf rechtliches Gehör des Betroffenen, sondern auch, „dem Gericht einen unmittelbaren Eindruck von dem Betroffenen zu verschaffen“.

Erscheine dieser nicht zu einer Anhörung, müsse notfalls die Vorführung zur persönlichen Anhörung mit Gewalt erfolgen. Hier habe es mit den psychischen Problemen der Frau Anhaltspunkte gegeben, die eine Betreuung begründen könnten. Das Gericht hätte dies mit der persönlichen Anhörung klären müssen.

Az.: XII ZB 603/15



Oberlandesgericht

Kein Recht auf alkoholfreies Bier in der Sicherungsverwahrung



In der Sicherungsverwahrung untergebrachte Straftäter können nicht generell verlangen, dass sie alkoholfreies Bier kaufen können. Erhöhe der Konsum von alkoholfreiem Bier den Suchtdruck alkoholkranker untergebrachter Personen, werde damit die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdet, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem am 27. Juli veröffentlichten Beschluss.

Im konkreten Fall hatte ein Sicherungsverwahrter beantragt, dass in der Abteilung für Sicherungsverwahrung der Kauf alkoholfreien Bieres zugelassen wird.

Die Justizverwaltung lehnte dies ab und verwies darauf, dass der Genuss des Getränkes zu einem erhöhten Suchtdruck und Alkoholrückfällen von alkoholkranken Personen führen könne.

Das Landgericht Freiburg erlaubte den Verkauf von alkoholfreiem Bier. Das OLG hob diese Entscheidung jetzt auf und verwies das Verfahren zurück. Zwar müsse die Vollzugsbehörde nach den in Baden-Württemberg geltenden Bestimmungen auf die Wünsche und Bedürfnisse der Untergebrachten Rücksicht nehmen, was ihnen zum Einkauf angeboten werden soll. Gefährden bestimmte Waren jedoch die Sicherheit oder Ordnung in der Justizvollzugsanstalt, dürften sie nicht zum Verkauf zugelassen werden.

Das wäre hier der Fall, wenn in der Sicherungsverwahrung alkoholfreies Bier alkoholkranke Personen wieder "auf den Geschmack" bringen und dies bei ihnen zu einem erhöhten Suchtdruck oder Alkoholrückfällen führt, argumentierte das OLG. Das Landgericht müsse das nun mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens überprüfen und neu entscheiden.

Az.: 2 Ws 211/16



Landessozialgericht

Jobcenter darf Zinsen auf Hartz-IV-Nachzahlung nicht zurückfordern



Langzeitarbeitslose, die für eine verspätete Hartz-IV-Nachzahlung auch Zinsen vom Jobcenter ausgezahlt, können das Geld behalten. Das Jobcenter darf die ausgezahlten Zinsbeträge später nicht als Einkommen werten, das zu niedrigeren Hartz-IV-Leistungen führt, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem am 21. Juli veröffentlichten Urteil. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließen die Stuttgarter Richter die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) in Kassel zu.

Geklagt hatte ein Langzeitarbeitsloser, der seit 2005 im Hartz-IV-Leistungen erhält. Im Zuge eines Rechtsstreits mit seinem Jobcenter kam zu einem gerichtlichen Vergleich. Danach verpflichtete sich die Behörde, insgesamt 5.608 Euro an rechtswidrig einbehaltenen Hartz-IV-Leistungen nachzuzahlen. Das Jobcenter musste die verspätete Zahlung des Arbeitslosengeldes II zudem mit 280 Euro verzinsen.

Die Zinseinnahmen wertete das Jobcenter allerdings kurz darauf weitgehend als Einkommen und kürzte das Arbeitslosengeld II einmalig um 262,77 Euro.

Das LSG rügte jetzt dieses Vorgehen. Nach dem Sozialgesetzbuch II seien diese Zahlungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Bei den von Amts wegen gezahlten Zinsen handele es sich zwar nicht unmittelbar um Arbeitslosengeld-II-Leistungen, mittelbar aber sehr wohl.

Denn die Zinsen sollen den Hilfebedürftigen dafür entschädigen, dass das Jobcenter zu spät dem Hilfebedürftigen die existenzsichernde Leistung vorenthalten hat. Dieser Entschädigungszweck der Verzinsung würde aber unterlaufen, wenn die Zinsen die Hartz-IV-Leistung als Einkommen wieder mindern.

Az.: L 9 AS 4918/14



Landesarbeitsgericht

Erziehungsgeld bei Prozesskostenhilfe kein Einkommen



Bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe darf das in Bayern für bis zu sechs Monate gezahlte Erziehungsgeld nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Gleiches gilt auch für einen vom Arbeitgeber gezahlten steuerfreien Verpflegungsmehraufwand, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem am 26. Juli veröffentlichten Beschluss.

Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer geklagt, der wegen eines Arbeitsrechtsstreits Prozesskostenhilfe beantragt hatte. Das Arbeitsgericht bewilligte die Hilfe, verpflichtete den Kläger mit Verweis auf seinen Verdienst aber zur Ratenzahlung. Der Kläger wollte die Prozesskostenhilfe jedoch als Zuschuss erhalten und verwies auf gesetzliche Freibeträge für sich und seine Ehefrau.

Das LAG entschied jetzt, dass die Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt werden müsse. Die Ehefrau erhalte zwar das bayerische Landeserziehungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich. Nach dem Elterngeldgesetz dürfen aber Elterngeld oder andere vergleichbare Leistungen bis zu einer Höhe von 300 Euro monatlich nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Für die Ehefrau des Klägers sei daher der gesamte gesetzliche Freibetrag anzusetzen, befand das Gericht.

Auch der Kläger selbst müsse sich die von seinem Arbeitgeber gezahlten steuerfreien Verpflegungsmehraufwendungen nicht als Einkommen anrechnen lassen. Insgesamt führe das zu einem geringerem als vom Arbeitsgericht berechneten Einkommen, so dass die Prozesskostenhilfe als Zuschuss gewährt werden müsse.

Az.: 7 Ta 75/16



Finanzgericht

Schlafstelle gilt noch nicht als Wohnsitz



Eine Schlafstelle oder eine nur notdürftige Unterbringungsmöglichkeit in einem Betrieb macht noch keinen Wohnsitz in Deutschland aus. Ohne Wohnsitz können EU-Bürger aber kein deutsches Kindergeld beanspruchen, stellte das Finanzgericht Hamburg in einem am 5. Juli veröffentlichten Urteil klar.

Geklagt hatte ein polnischer Vater, der für seine zwei bei der Mutter in Polen lebenden Kinder deutsches Kindergeld beantragt hatte. Er gab an, dass er in Deutschland eine selbstständige Beschäftigung ausübt. Als deutschen Wohnsitz gab er gemietete Räumlichkeiten einer Firma an, mit der er Geschäftsbeziehungen unterhielt.

Das Finanzgericht lehnte den Kindergeldanspruch ab. Kindergeld könne nur derjenige EU-Bürger beanspruchen, der in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeute, dass dieser hier auch tatsächlich wohnen muss. "Eine nur vorübergehende oder notdürftige Unterbringungsmöglichkeit reicht nicht aus, ebenso nicht eine bloße Schlafstelle in Betriebsräumen".

Eine Nutzung zu ausschließlich beruflichen oder geschäftlichen Zwecken genüge nicht, ebenso wenig ein "gelegentliches Verweilen während unregelmäßig aufeinanderfolgender kurzer Zeiträume zu Erholungszwecken", befand das Finanzgericht.

Zudem habe der Kläger nicht dargelegt, wie die Größe und Einrichtung seiner "Wohnung" aussieht, wie häufig er sich dort aufhält und ob diese gewerblich oder zu Wohnzwecken genutzt werde. Auch die Gewerbeanmeldung belege keinen Wohnsitz, schrieben die Richter.

Az.: 6 K 138/15



Europäischer Gerichtshof

Keine Diskriminierungsentschädigung wegen Scheinbewerbung



Stellenbewerber, die sich nur zum Schein auf einen ausgeschriebenen Arbeitsplatz bewerben, können sie bei einer Absage keine Entschädigung wegen einer vermeintlichen Diskriminierung geltend machen. Nach EU-Recht kann eine Diskriminierungsentschädigung nur beansprucht werden, wenn der abgelehnte Bewerber auch tatsächlich die Stelle erhalten wollte, urteilte am 28. Juli der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.

Geklagt hatte ein Stellenbewerber, der sich im März 2009 auf eine Trainee-Stelle bei der R + V-Versicherung beworben hatte. Der Bewerber, ein Rechtsanwalt, hatte in der Vergangenheit mehrfach auch bei anderen Stellenanzeigen wegen einer vermuteten Diskriminierung Arbeitgeber auf eine Entschädigung verklagt.

Als die R + V-Versicherung ihm eine Absage erteilte, fühlte er sich wegen seines Alters diskriminiert und verlangte 14.000 Euro Entschädigung. Als die Versicherung ihn doch noch zum Gespräch einlud, lehnte dieser ab. Erst müsse gezahlt werden. Als der Anwalt erfuhr, dass die vier ausgeschriebenen Stellen nur mit Frauen besetzt wurden, verlangte er weitere 3.500 Euro. Er sei nun auch wegen seines männlichen Geschlechts diskriminiert worden.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) legte den Fall dem EuGH vor. Der EuGH urteilte, dass nach EU-Recht Menschen vor Diskriminierung geschützt werden sollen, die "Zugang zur Beschäftigung" suchen. Stellenbewerber können danach einen Ausgleich für eine erlittene Benachteiligung beanspruchen.

Keine Entschädigung könnten jedoch Bewerber verlangen, die sich nur zum Schein und allein wegen des Erhalts einer Diskriminierungsentschädigung beworben haben. Denn diese Personen wollten ja gar nicht tatsächlich "Zugang zur Beschäftigung" erhalten, entschied der EuGH. Ein Schaden sei gar nicht entstanden. Niemand dürfe sich zudem in "betrügerischer oder missbräuchlicher Weise" auf die EU-Rechtsvorschriften berufen. Ob dies hier der Fall ist, muss nun das BAG entscheiden.

Az.: C-423/15




sozial-Köpfe

Rainer Schlegel neuer Präsident am Bundessozialgericht




Rainer Schlegel
epd-bild/BSG
Rainer Schlegel ist mit Wirkung zum 1. August neuer Präsident des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel. Schlegel ist bislang Vizepräsident des obersten Sozialgerichts gewesen.

Schlegel löst Peter Masuch an der Spitze des höchsten Sozialgerichtes ab, der in den Ruhestand geht. Er war seit 2007 Präsident, am Gericht arbeitete er schon seit 1996. Seine Schwerpunkte waren die Arbeitsförderung und die Arbeitsagenturen. Das Gewerkschaftsmitglied leitete seit 1998 den Richterrat in Kassel.

Schlegel ist am 4. Februar 1958 im baden-württembergischen Balingen geboren. Der Jurist gilt als CDU-nah und Mann des offenen Wortes. Nach seinem Jura-Studium in Tübingen war er Richter am Sozialgericht Stuttgart. Er wurde als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das BSG, das Bundesverfassungsgericht und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg abgeordnet.

1997 wurde Schlegel zum Richter am BSG ernannt. 2010 wechselte er in das Bundesarbeitsministerium und leitete dort die Abteilung "Arbeitsrecht und Arbeitsschutz".

Im Januar 2014 kehrte der promovierte Jurist an das BSG zurück. Er ist Vorsitzender Richter des 9., 10. und 13. Senats und befasst sich dort unter anderem mit dem Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht, Opferentschädigung, Elterngeld und Streitigkeiten aus der Rentenversicherung. Schlegel ist zudem als Honorar-Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen tätig.



Weitere Personalien



Markus N. Beeko (49) wird neuer Generalsekretär von Amnesty International Deutschland. Er wird am 1. September Nachfolger von Selmin Caliskan, die ihr Amt aufgibt, um sich beruflich neu zu orientieren. Beeko ist Betriebswirt und bereits seit 2004 in der Führungsebene des deutschen Sekretariats der internationalen Menschenrechtsorganisation tätig. Die 49-jährige Frauen- und Menschenrechtlerin Caliskan war seit März 2013 Generalsekretärin von Amnesty Deutschland. Markus Beeko war den Angaben zufolge bisher unter anderem für die Weiterentwicklung der Kampagnenarbeit der deutschen Amnesty-Sektion zuständig. Vor seinem Wechsel zu Amnesty war der Menschenrechtler mit deutsch-ghanaischen Wurzeln in einer Schweizer Politik- und Wirtschaftsberatung und der Kommunikationsbranche tätig.

Andreas Maurer (56) wird in der Paulinenpflege Nachfolger von Vorstand und Hauptgeschäftsführer Thomas Weinmann. Wenn Weinmann im Herbst 2017 nach 23 Jahren in den Ruhestand wechselt, soll Maurer ihm auf dem Chefsessel nachfolgen. Er stammt aus Heilbronn und studierte evangelische Theologie in Tübingen und absolvierte zusätzlich einen Masterstudiengang in Sozialmanagement. 2011 wechselte Maurer als Assistent des Vorstands zur Paulinenpflege. 2013 wurde er zum Geschäftsführer für Marketing, Kommunikation und Entwicklung der diakonischen Einrichtung ernannt. Die Paulinenpflege Winnenden e.V. hat aktuell 1.400 Mitarbeitende.

Matthias Ernst (47), Arzt und Betriebswirt, tritt im Oktober in die Geschäftsleitung des Krankenhauses Mara der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld ein. Er folgt auf Rolf Eickholt, der demnächst in den Ruhestand geht. Ernst ist im Klinikum Bielefeld Leiter der Unternehmensentwicklung und Prokurist. Er erhält künftig auch Prokura für das Evangelische Krankenhaus Bielefeld, das die von Bodelschwinghschen Anstalten im Verbund mit der Klinik Marta führen.

Maria Gräfin von Spee hat die Leitung des Caritasverbandes Wiesbaden-Rheingau-Taunus übernommen. Sie ist Nachfolgerin von Barbara Handke, die in Rente gegangen ist. Von Spee war zuletzt Direktorin des Hamburger Caritasverbandes, den sie aber auf eigenen Wunsch hin verlassen hat. Sie ist gelernte Krankenpflegerin, hat 20 Jahre als Pflegedienstleiterin gearbeitet und einen Master in Pflegemanagement erlangt.

Alexander Hoppe (45) wird am 1. Oktober einer von drei Hauptgeschäftsführern der Alexianer GmbH. Der Diplom-Kaufmann leitet derzeit die Klinik Verbund Vest Recklinghausen GmbH. Hoppe besitzt viel Managementerfahrung. Er leitet seit 15 Jahren als Geschäftsführer verschiedene Krankenhäuser.

Annette Lödige-Wennemaring ist neuer Vorstand im IN VIA Diözesanverband Paderborn für Mädchen- und Frauensozialarbeit. Die Sozialpädagogin und Sozialmanagerin tritt die Nachfolge von Erika Vogdt an, die in den Ruhestand getreten ist. Lödige-Wennemaring war Bildungsreferentin beim Familienbund der Katholiken und wechselte später als Beraterin zum Caritasverband für das Erzbistum Paderborn. Vogdt war 40 Jahre bei IN VIA tätig. Im Juni wurde sie feierlich verabschiedet.

Björn Enno Hermans ist für die kommenden drei Jahre Sprecher der AG Wohlfahrt in Essen. Er ist Vorstand und Geschäftsführer der Ortscaritas und ist Nachfolger von AWO-Geschäftsführer Wolf Ambauer, der in den Ruhestand gewechselt ist. Hermans Stellvertreter ist Diakoniepfarrer Andreas Müller. Die AG verfolgt das Ziel, gemeinsam die soziale Entwicklung der Stadt voranzutreiben.

Jutta Arndt ist zum hauptamtlichen Vorstand des Vereins für internationale Jugendarbeit (vij) berufen worden. Die studierte Sozialarbeiterin und Organisationsentwicklerin war zuvor Fachbereichsleiterin Bildung, Familie, Kultur in der Kreisstadt Remseck am Neckar tätig. Als Vorsitzende des Verwaltungsrates wurde Brigitte Lösch gewonnen. Die Sozialpädagogin ist seit 2001 Landtagsabgeordnete der Grünen und Vorsitzende des Ausschusses Kultus, Jugend und Sport.

Elke Reinfeld (56) hat das Amt der Pflegedirektorin am Diakonie-Klinikum Stuttgart übernommen. In dieser Funktion ist sie Mitglied der Krankenhausleitung und verantwortlich für die etwa 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Pflegedienst. Die Diplom-Pflegewirtin (FH) war zuvor Pflegedirektorin im Diakoniekrankenhaus Friederikenstift Hannover. Seit 2003 war sie hier Pflegedirektorin und Oberin der großen Diakonieschwesternschaft.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis September

August

22.-23.8. Moritzburg:

Seminar "Grundlagen für eine erfolgreiche Leitungstätigkeit - Selbstmanagement"

der Diakonischen Akademie

Tel.: 035207/84350

www.diakademie.de

30.8. Paderborn:

Seminar "Professionelle Anleitung im Bundesfreiwilligendienst - dem Fachkräftemangel

vorbeugen"

der In VIA Akademie

Tel.: 05251/290838

www.invia-akademie.de

September

5.9. Berlin:

Tagung "Flüchtlinge in soziale Berufe"

der AWO-Bundesakademie

Tel.: 030/263090

www.bundesakademie.org

14.-15.9. Stuttgart:

Seminar "Arbeitsrecht für Führungskräfte"

der Paritätischen Akademie Süd

Tel.: 0711/2155-184

www.akademiesued.org

14.-15.9. Würzburg:

Seminar "Arbeitsrecht im Führungsalltag. Kritische Situationen sicher bewältigen"

der Fortbildungs-Akademie des Caritasverbandes

Tel.: 0761/200-1700

www.fak-caritas.de

14.9.-16.9. Kassel:

ASD-Kongress "Qualität unter Druck: Positionen und Perspektiven in prekären Zeiten"

des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge

Tel.: 030/62980201

www.deutscher-verein.de

14.-17.9. Berlin

Weltkongress "Betreuungsrecht"

des Betreuungsgerichtstags

Tel.: 0234/6406572

www.bgt-ev.de

15.9. Köln:

Jahrestagung "Teilhabe an Demokratie und Gesellschaft - Ist Beschäftigung ein Schlüssel?"

des Evangelsichen Fachverbandes für Arbeit und soziale Integration

Tel.: 0711/27301110

www.efas-web.de

19.-20.9. Nürnberg:

Fachforum "Online-Beratung"

des Instituts für E-Beratung in Kooperation mit der Caritas

Tel.: 0911/58802581

www.e-beratungsinstitut.de/fachforum-onlineberatung

22.-24.9. Jena:

Jahrestagung "Beratung entwickeln"

der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung

Tel.: 0911/9771417

www.bke.de

23.9. Stuttgart:

Ethik-Fachtagung "Zwischen Selbstbestimmung und Fürsorge"

des Diakonischen Werks Württemberg

Tel.: 0711/1656-340

www.diakonie-wuerttemberg.de

26.9. Münster:

Seminar "Ganzheitliches Informations-, Sicherheits- und Risikomanagement"

der BPG Unternehmensberatung

Tel.: 02251/4820412

www.bpg-muenster.de/seminarangebote

26.-27.9. Freiburg:

Seminar "Rechtsfragen bei Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen im Internet"

der Fortbildungs-Akademie des Caritasverbandes

Tel.: 0761/2001700

www.fak-caritas.de

29.9. Bielefeld:

Fachtag "Betriebliche Gesundheitspolitik ist mehr als ein Kursangebot. Gute Führung sichert

die Zukunft des Unternehmens" des BeB, des VdDD und mehreren Kooperationspartnern

Tel.: 030/884717013

www.v3d.de

30.9.-2.10. Klagenfurt:

Tagung "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen. Flucht und Integration in Europa"

des ZdK, der Katholischen Aktion Österreich und Renovabis

Tel.: 043151552/3660