Ausgabe 38/2016 - 23.09.2016
Bonn (epd). Der Bund will die psychosoziale Versorgung von Kindern bei Katastrophen und Notfällen verbessern. Wie das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) am 16. September in Bonn mitteilte, startet derzeit ein Forschungsprojekt, das die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei schweren Unfällen, Naturkatastrophen oder Terroranschlägen ermitteln soll.
Zwar gebe es für diese Fälle bereits Konzepte und Empfehlungen, sagte Jutta Helmerichs, Expertin für psychosoziales Krisenmanagement beim BBK. Diese seien jedoch aus der Praxis entstanden und je nach Organisation oder Ort unterschiedlich. "Es fehlt die wissenschaftliche Absicherung." Außerdem bezögen sich die Konzepte fast ausschließlich auf individuelle Notfälle. Welche Unterstützung Kinder und Jugendliche im Falle einer Katastrophe mit einer großen Zahl Betroffener brauchten, sei bislang noch nicht untersucht worden. Diese Lücke solle mit dem dreijährigen Forschungsprojekt "Kind und Katastrophe" (KIKAT) geschlossen werden, das mit rund 370.000 Euro gefördert wird.
Es gebe im Bereich der psychologischen Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen zahlreiche offene Fragen, sagte der Leiter des Forschungsprojekts, Harald Karutz, von der Medical School Hamburg. So sei zum Beispiel noch unklar, ob es sinnvoll sei, Kinder in Gruppen oder Klassen zu betreuen, wenn diese gemeinsam ein schlimmes Erlebnis hatten. "Manchmal funktioniert das gut, manchmal nicht. Man weiß aber nicht, warum." Eine Lücke gebe es auch, wenn Kinder nach der psychosozialen Akutversorgung einen langfristigeren Betreuungsbedarf hätten. "Viele Helfer wissen dann nicht, wohin sie die Kinder weiter vermitteln können", stellte Karutz fest.
Im Laufe des Projekts wollen die Forscher Empfehlungen und Konzepte erarbeiten, die dann zur Leitlinie für die Notfallversorgung auf Bundes- und Landesebene sowie für die Akuthilfe-Teams in den Gemeinden werden sollen. Dazu wollen die Wissenschaftler bereits vorhandene Konzepte prüfen sowie Meinungen von Experten aus der Praxis einholen.
Außerdem sollen konkrete Notfallereignisse im Hinblick auf die psychosoziale Versorgung analysiert werden. Dabei wollen Karutz und sein Team zum Beispiel mit Lehrern und Helfern in bayerischen Schulen sprechen, die durch die jüngsten Überschwemmungen betroffen waren. Dort konnten die Kinder nach Starkregen nicht nach Hause gehen und mussten in der Schule übernachten. Erstmals sollen auch betroffene Kinder, Jugendliche und Eltern nach ihren Erfahrungen mit der Notfallversorgung befragt werden.