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Wie Dörfer nicht zum Altenheim der Nation werden




Bewegung tut gut und ist auch in jedem Dorf möglich.
epd-bild/Rolf K. Wegst
Viele Menschen auf dem Land zweifeln daran, dass sie im hohen Alter noch in ihrem Heimatort leben können. Vielerorts wird die Infrastruktur immer weiter ausgedünnt. Engagierte Bürger zeigen, wie das Leben auf dem Dorf weiter attraktiv bleiben kann.

Auf einer Anhöhe nahe der Loreley liegt das Dorf Bornich. Von den einst weit über 1.000 Einwohnern sind noch etwas mehr als 900 übrig. Es gibt dort einen Kirchturm, einen kleinen Lebensmittelladen, einen Bäcker und den evangelischen Kindergarten, der seit Jahren damit zu kämpfen hat, seine zwei Gruppen zu erhalten. So weit handelt es sich um eine ziemlich gewöhnliche Ortschaft in der rheinland-pfälzischen Provinz.

Doch neulich war der Deutschlandfunk da und berichtete anderthalb Stunden aus dem Dorf. Denn auf die Probleme des ländlichen Raums hat Bornich eine Reihe interessanter Antworten gefunden.

Fortzug noch nicht gestoppt

Viele Aktivitäten vor Ort hat Dieter Zorbach angestoßen, ein pensionierter Realschullehrer. Er setzt mit einer an die evangelische Kirche angebundenen "Initiative 55 plus minus" pausenlos neue Ideen um. Zuletzt entwickelte die Initiative eine Sozial-App, mit der die Nachbarschaftshilfe in der Region besser organisiert werden soll. Bislang hätten alle Aktivitäten nicht ausgereicht, um den Fortzug zu stoppen, sagt Zorbach: "Aber ich glaube, dass man das umdrehen kann." Er hofft, dass das Engagement des Dorfes sich herumspricht und Bornich für Neubürger attraktiv macht.

Statt über Fortzüge, den Wegfall der sozialen Infrastruktur und Überalterung zu klagen, haben die Einwohner angefangen, sich mit vereinten Kräften um den Erhalt der Gemeinschaft zu kümmern. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im Dorf gibt es eine aktive Jugendband, Dorfbewohner organisieren Sprachkurse für Flüchtlinge und polnische Pflegehelferinnen. Ein ehrenamtlicher Fahrdienst bringt hochbetagte Leute zum Arzt in die Nachbarstädte. "Der Fahrer setzt sich dann auch gleich mit ins Wartezimmer", berichtet Zorbach.

Somit ist es auch kein Zufall, dass die evangelische Kirche als Veranstaltungsort für ein Symposium zum Thema "Gut alt werden im ländlichen Raum" das Gemeindezentrum des Vorzeigedorfs ausgewählt hat. Bei dem Treffen rennt der evangelische Propst für Süd-Nassau, Oliver Albrecht, offene Türen ein mit seiner Forderung, die Vorzüge der Dorfgemeinschaft wertzuschätzen: "Sie haben hier Stärken, von denen wir in den Vorstädten nur träumen können", sagt er. Projekte dürften aber nicht nur an der älteren Generation ausgerichtet werden: "Die Idee ist ja nicht, dass der ländliche Raum zum Altenheim der Nation wird."

Renaissance des Genossenschaftswesens

Damit Aktivitäten in den Dörfern nicht allein vom Vorhandensein charismatischer Vordenker abhängen, empfiehlt der Pflegewissenschaftler Hermann Brandenburg eine Renaissance des Genossenschaftswesens. Genossenschaften oder Bürgervereine könnten soziale Angebote auf eine breitere Basis stellen, ist der Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar überzeugt. Denkbar sei ein Punktesystem, bei dem ehrenamtliche Mitarbeit später im Gegenzug dazu führe, dass Dorfbewohner einen Anspruch auf Unterstützung erwerben.

Brandenburg warnte zugleich vor unrealistischen Zielen. Einen kleinen Dorfladen zu erhalten oder einen Bürgerbus zu etablieren, sei durchaus möglich. Fachärztliche Versorgung im ländlichen Raum oder die Schaffung einer großen Zahl von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen würden hingegen vermutlich eine Illusion bleiben. "Man kann nicht alles haben", sagt der Professor.

Karsten Packeiser

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