Ausgabe 08/2017 - 24.02.2017
Berlin (epd). Über vorgeburtliche Diagnoseverfahren herrscht noch immer Uneinigkeit: Ärzte und Ethiker sehen zwar pränatale Medizin als Chance für sicherere Geburten, warnen aber auch vor sogenannten Designerbays. Medizinhistorikerin und Mitglied des Ethikrats Claudia Wiesemann sagte am 16. Februar in Berlin, Planbarkeit sei eine große Errungenschaft. Je eher man wissen könne, ob ein Kind gesund auf die Welt käme, desto höher seien die Überlebenschancen bei Schwangeren und Kindern.
Die Idee, dass Reproduktionsmedizin und Pränataldiagnostik sogenannten Designerbabys Vorschub leisteten, nannte sie "eine Angstvorstellung, die nur auf ganz wenige Menschen zutrifft". Sie vertraue da auf eine starke Zivilgesellschaft. Wiesemanns Vortrag war Teil des Workshops "Planbare Schwangerschaft - perfektes Kind?" von der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Wolfgang Holzgreve, Leiter des Universitätsklinikums in Bonn, sagte, die Entscheidung von Eltern, ein behindertes oder schwerbehindertes Kind zu bekommen, werde nach seiner Erfahrung nicht durch die Diagnoseverfahren bestimmt. "Pränatale Medizin ist nicht behindertenfeindlich." Alle vorgeburtlichen Diagnoseverfahren, die seit der Einführung des Ultraschalls 1965 erfunden wurden, hätten letztlich zu sichereren Geburten und weniger Abtreibungen geführt. Die feineren Untersuchungsmethoden erlaubten auch vorbelasteten Paaren, Kinder zu bekommen. Das gelte auch für die neuen, nichtinvasiven Bluttests.
Der Moraltheologe Franz-Josef Bormann sagte, er warnte vor einem Abtreibungsautomatismus bei Trisomie 21 Kindern. Verfahren zur früheren Erkennung würden Eltern den Schwangerschaftsabbruch erleichtern, gleichzeitig fehle eine gute Beratung und Aufklärung. Dadurch sei eine wirklich autonome Entscheidung der Eltern nicht möglich, kritisierte das Mitglied des Ethikrats Bormann. Er befürworte vorgeburtliche Diagnoseverfahren nur, wenn sie dazu dienten, Krankheiten bereits im Mutterleib zu behandeln und die Eltern vorzubereiten.
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin werden neun von zehn Kindern mit Trisomie vor der Geburt abgetrieben. Abtreibungen sind in Deutschland generell illegal, bleiben vor der 12. Schwangerschaftswoche jedoch straflos. Ist die körperliche und psychische Gesundheit der Schwangeren ernsthaft bedroht, sind auch Spätabbrüche möglich.