sozial-Politik

OECD-Studie

Wenig Karriere, mehr Haushalt




Frauen im Spagat: Sie reiben sich auf zwischen Job und Familie. (Archivbild)
epd-bild / Andrea Enderlein
Teilzeitarbeit ist in Deutschland Frauensache - und zugleich Karrierebremse. Niedrige Löhne in typischen Frauenberufen und Steuer-Instrumente wie das Ehegattensplitting fördern in Familien die Entscheidung zur Teilzeitarbeit - für die Frau.

In keinem anderen Industrieland tragen Mütter so wenig zum Haushaltseinkommen bei wie in Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Nur 22,6 Prozent der Familienkasse erwirtschaftet bei Paaren mit Kindern die Frau. Die Hauptursache sehen die Autoren der Untersuchung in der hohen Teilzeitquote deutscher Mütter: 39 Prozent arbeiten in Teilzeit, rund 30 Prozent in Vollzeit, die anderen gar nicht. Dafür übernehmen sie zwei Drittel der Hausarbeit - Geldverdienen bleibt traditionell Väter-Domäne.

Ohnehin ist geringe Lohnarbeit hierzulande Frauensache: Auf rund 80 Prozent der 11,1 Millionen Teilzeit-Stellen arbeiten Frauen. Nur neun Prozent der berufstätigen Männer sind laut Statistischem Bundesamt in Teilzeit, aber jede zweite Frau. Damit erklären Forscher auch einen großen Teil der regelmäßig kritisierte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Seit Jahren beträgt der sogenannte Gender Pay Gap in Deutschland um die 20 Prozent (vergangenes Jahr 21 Prozent): Soviel verdienen Frauen im Durchschnitt pro Jahr weniger als Männer.

Weniger Arbeit gleich weniger Verdienst

Wer weniger arbeitet, verdient natürlich weniger. Aber: Wirklich frei gewählt ist die weibliche Teilzeit nicht immer, sagt Yvonne Lott, Arbeitszeitforscherin am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften. Familienarbeit gibt etwa ein Drittel der Frauen als Grund für Teilzeit an. Und die übernimmt aus verschiedenen Gründen die Frau. "Rollenklischees sind in Deutschland noch sehr präsent", sagt Lott. Und Instrumente wie das Ehegattensplitting förderten sie: "Es wird eben steuerlich belohnt, wenn ein Partner viel weniger verdient als der andere."

Auch weil Frauen häufiger in schlechter bezahlten Berufen arbeiteten, reduzierten eher sie bei Ereignissen wie Geburt oder Krankheit Angehöriger die Arbeitszeit. Das Ehegattensplitting bringe verheiratete Paare dann dazu, dauerhaft beim Modell zu bleiben, kritisiert Lott: "Es lohnt sich finanziell ja nicht, mehr zu arbeiten."

Teilzeit bremst Karriere aus

Nur: Teilzeit bremst die Karriere, zeigt Lotts neueste Studie. In Leitungspositionen gibt es sie quasi nicht, ansonsten liegt der Teilzeit-Anteil bei Führungsaufgaben bei etwa elf Prozent: Je höher auf der Karriereleiter, desto seltener ist Teilzeit: "Wer Teilzeit arbeitet, wird zudem seltener fortgebildet oder befördert und gilt als weniger engagiert." Auch deshalb bleiben Frauen oft in der Teilzeit hängen.

Ein Rückkehrrecht auf Vollzeit, wie es nun am Widerstand der Union in der Bundesregierung gescheitert ist, könnte helfen, Lebensphasen in Teilzeit "auf allen Hierarchieebenen und unabhängig vom Geschlecht normal zu machen", glaubt Lott. Solange es aber gleichzeitig noch Gegenmittel wie das Ehegattensplitting gebe, "kann die Wirkung auch leicht verpuffen."

Auch Cornelia Spachtholz vom Verband berufstätiger Mütter sieht Teilzeit oft als Falle für Frauen. Und: "Dauerhaft in geringfügiger Teilzeit zu verharren, bedeutet ein gewaltiges Armutsrisiko im Alter ebenso wie bei einer Trennung vom Partner." Über die Nebenwirkungen mancher Mini-Verträge "sollte bei der Einstellung aufgeklärt werden wie bei Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln", sagt die Expertin. Wenig Stundenlohn, weniger Weiterbildung, keine Beförderung und "die Altersarmut ist vorprogrammiert."

Paare wollen oft gleich viel arbeiten

Der Verband berate oft Frauen, die nach Eltern- und Teilzeit "statt auf der alten Stelle auf dem Abstellgleis landen". Ein Rückkehrrecht auf Vollzeit fordert der Verband seit Jahren. Und noch mehr - zum Beispiel eine Quotierung von Chefstellen, die Männer und Frauen sich teilen. Es müsse in allen Führungsebenen Teilzeit geben. Spachtholz: "Dadurch gibt es mehr Karriereperspektiven für Frauen und mehr Familienzeit für Männer." Und Teilzeit werde für niemanden zur Einbahnstraße.

Eigentlich wollen deutsche Paare auch gleich viel arbeiten - im Job und für die Familie, weiß die Münchner Soziologin Paula-Irene Villa. Das sagten sie immer wieder in Umfragen. Kommt aber ein Kind oder ein Pflegefall, läuft es schnell anders - und die Frau übernimmt den unbezahlten Part.

Miriam Bunjes

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