sozial-Branche

Burn-out

Als Luther überarbeitet zusammenbricht




Stress am Arbeitsplatz führt nicht selten zum Burn-out.
epd-bild / Steffen Schellhorn
Zu Martin Luthers Zeiten noch unbekannt, ist der Begriff Burn-out heute in aller Munde. Die Zahl der Beschäftigten, die "ausgebrannt" im Bett bleiben, steigt. Auf der anderen Seite sagen Experten: Die psychischen Belastungen haben nicht zugenommen, sie werden nur häufiger diagnostiziert.

Hatte Martin Luther einen Burn-out? Im neuen Film über seine Frau Katharina scheint es so: Man schreibt das Jahr 1526, es ist tiefster Winter. Katharina findet Luther im Arbeitszimmer auf dem Boden liegend. Er windet sich vor Schmerzen: "Der Teufel will mich umbringen", stöhnt der Reformator. Katharina hat eine andere Erklärung: "Du arbeitest Tag und Nacht, du schläfst nicht, entweder du isst nichts oder du stopfst fettes Fleisch in dich hinein", weist sie ihn zurecht: "Es ist nicht der Teufel, der dich umbringen will. Du bist es." Nach modernem Verständnis ein Fall von Hektik, Stress und Überarbeitung – das, was heute oft als Burn-out bezeichnet wird.

Der Begriff war in den bewegten Zeiten Luthers natürlich noch völlig unbekannt. Heute ist er dagegen in aller Munde. "Burn-out" – prangt in dicken Buchstaben auf Magazinen und Gesundheitszeitschriften. Fußballtrainer Ralf Rangnick, der ehemalige Skispringer Sven Hannawald und Fernsehkoch Tim Mälzer bekannten sich dazu, total erschöpft und "ausgebrannt" zu sein. Aber Burn-out trifft nicht nur Prominente. Viele Menschen suchen in den schnelllebigen Zeiten professionelle Hilfe, weil sie sich überfordert fühlen und einfach "nicht mehr können".

Oft ist die Lage im Job der Auslöser

In die Praxis von Uwe Landwehr, Psychotherapeut in Grevenbroich, kommen immer mehr Patienten mit einem Burn-out, oft wegen der Belastung am Arbeitsplatz: "Früher hat man Briefe geschrieben, heute wird erwartet, dass E-Mails sofort beantwortet werden", erläutert Landwehr. Das immer höhere Arbeitstempo, die Vielzahl von Aufgaben, "Multitasking" und die gleichzeitige Verantwortung für Haushalt, Familie und Kinder belaste viele Menschen. Oft seien vor allem engagierten Arbeitnehmer betroffen, besonders soziale und medizinische Berufe: Wer "ausbrennt", hat vorher viel Einsatz gebracht, für seine Aufgabe sprichwörtlich "Feuer gefangen".

Dem DGB zufolge müssen heute mehr Arbeitnehmer in kürzerer Zeit immer mehr leisten: "Viele Überstunden, ständige Erreichbarkeit und zu wenige Erholungspausen sind für viele Beschäftigte eine zunehmende psychische Belastung", sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Über 40 Prozent der Frühverrentungen gingen heute auf psychische Erkrankungen zurück.

Zahl der Fehltage hat sich verdoppelt

Zahlen, die die gesetzlichen Krankenkassen bestätigen. Die durch psychische Krankheiten ausgelösten Fehltage haben sich von 2005 bis 2015 verdoppelt, heißt es im BKK Gesundheitsreport 2016.

Burn-out-Experten wie der Psychiater Andreas Hillert weisen aber daraufhin, dass psychische Erkrankungen bei Erwachsenen in den letzten Jahrzehnten nicht zugenommen haben. Vielmehr suchten heute mehr Patienten mit psychischen Symptomen einen Arzt oder Therapeuten auf, und die Krankheit werde dann auch entsprechend diagnostiziert. "Die Menschen achten heute mehr auf sich als früher. Das ist ein Privileg", sagt der Chefarzt aus Prien am Chiemsee.

Dabei gilt der Burn-out nicht als eigenständige Erkrankung. "Es ist eine emotionale Erschöpfung, eine Übermüdung. Der oder die Betroffene wird oft den eigenen Erwartungen nicht gerecht", erläutert Barbara Lubisch, Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung. Oft liege beim Burn-out eine Depression im Hintergrund vor – aber nicht immer. Daher sei eine rechtzeitige und genaue Diagnostik sehr wichtig. "Da ist der Fachmann gefragt", sagt Lubisch.

Patienten brauchen meist eine lange Auszeit

Uwe Landwehr erarbeitet in seiner Praxis mit den Patienten gemeinsam Strategien, wie sie künftig mit den Belastungen umgehen können. Bei schweren Symptomen wie Antriebslosigkeit und einem Gefühl der inneren Leere benötigten die Patienten in der Regel eine Auszeit von zwei bis vier Monaten. Zurück am Arbeitsplatz kann es geboten sein, Aufgaben abzutreten und an andere zu delegieren.

Dem Film zufolge hat das auch Luther nach seinem Zusammenbruch getan: Katharina macht die Entwürfe seiner Schriften für die Druckerei fertig. Luther liest - im Bett liegend – und ist beeindruckt. "Katharina Luther – du bist eine bemerkenswerte Frau", lobt er ihre Arbeit.

Michael Ruffert

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

Zahl jüngerer Menschen in Pflegeheimen nimmt zu

Auch jüngere Menschen können manchmal nicht mehr selbstständig zu Hause leben - aufgrund von Krankheiten oder nach schweren Unfällen. Nur wenige Pflegeheime sind jedoch auf diese Gruppe eingestellt.

» Hier weiterlesen

"Gesundheitsversorgung von Menschen in der Illegalität bleibt prekär"

Das Katholische Forum Leben in der Illegalität wurde 2004 gegründet. Das Bündnis, dem unter anderem die Deutsche Bischofskonferenz und der Caritasverband angehören, kritisiert die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere. Kein Randproblem: Nach Schätzungen leben in Deutschland bis zu 500.000 Menschen ohne sicheren Aufenthaltsstatus.

» Hier weiterlesen

Berufsgenossenschaft: Hohe Dunkelziffer bei Übergriffen auf Pfleger

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) geht von einer hohen Dunkelziffer bei Übergriffen von Patienten auf Pflegepersonal aus. Viele Fälle würden nicht gemeldet, weil es sich um tabuisierte Themen wie sexuelle oder rassistische Übergriffe von Pflegebedürftigen auf Mitarbeiter handele, sagte BGW-Psychologin Claudia Vaupel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Häufig erhielten die Mitarbeiter auch nicht genügend Unterstützung von den Pflegedienstleitungen und Kollegen. Die Fragen stellte Christina Denz.

» Hier weiterlesen