Ausgabe 27/2017 - 07.07.2017
Dortmund (epd). Fachleute aus der Flüchtlings- und aus der Behindertenarbeit kritisieren die Hilfsangebote für geflüchtete junge Menschen mit Handicap als in erheblichem Maße lückenhaft. Die Schwierigkeiten begännen bereits damit, dass im Zuge des Asylverfahrens überhaupt nicht abfragt werde, ob ein Unterstützungsbedarf bestehe, bemängelte Hildegard Azimi-Boedecker vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk (IBB) am 5. Juli auf einem Fachkongress in Dortmund. Gerade geflüchtete Kinder und Jugendliche benötigten aber aufgrund ihrer Traumatisierungen dringend Psychotherapien.
Viele brauchten auch medizinische Hilfsmittel wie Prothesen oder Hörgeräte, sagte Azimi-Boedecker. Die Organisation "deaf refugees welcome" (Gehörlose Flüchtlinge willkommen) habe in Deutschland allein 900 junge geflüchtete Menschen ermittelt, die entweder taub sind oder unter Schwerhörigkeit leiden.
Geflüchtete müssten nach Asylantragstellung 15 Monate warten, ehe sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Anspruch auf weitergehende psychologische oder medizinische Hilfe erhalten, erläuterte die IBB-Referentin weiter. Bis dahin stehe ihnen laut Gesetz nur eine Grundversorgung zu. Aufgrund von Sprachbarrieren und bürokratischen Hürden hätten Flüchtlinge aber auch sehr häufig Schwierigkeiten, notwendige medizinische Unterstützung zu erhalten. "Die Menschen verstehen das Hilfssystem schlicht und ergreifend nicht." Darüber hinaus mangele es auch in den Einrichtungen, Arztpraxen und Krankenhäusern sehr häufig an Informationsmaterial in den Sprachen der Geflüchteten.
Benötigten junge Menschen psychologische Betreuung, müssten sie oftmals mit langen Wartezeiten rechnen, da Termine in Praxen und Einrichtungen schon über viele Monate ausgebucht seien. Dabei sei eine schnelle Hilfe für traumatisierte Kinder und Jugendlichen mehr als wünschenswert. Wie groß die Anzahl von jungen Flüchtlingen mit Behinderungen ist, lasse sich auch deshalb nicht genau beziffern, weil nirgends ein Unterstützungsbedarf erfasst werde, so die IBB-Fachbereichsleiterin. Die Organisation "Handicap International" habe vor kurzem damit begonnen, die Bedarfe zumindest für die Bundesländer Brandenburg und Bayern sowie für Berlin zu ermitteln. Das Ergebnis der Studie wird für Dezember 2017 erwartet.