Ausgabe 31/2017 - 04.08.2017
Düsseldorf (epd). Die Kinderarmut in Deutschland hat 2016 einer Untersuchung zufolge erneut spürbar zugenommen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die unter der Armutsgefährdungsgrenze leben, stieg um 0,6 Prozentpunkte auf 20,3 Prozent, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung am 3. August in Düsseldorf mit. Das entspreche rund 2,7 Millionen Personen unter 18 Jahren. Das Deutsche Kinderhilfswerk und die Grünen forderten die Bundesregierung zum Handeln auf.
Als Grund für den Anstieg nennen die Forscher, dass sich die große Zahl der in letzter Zeit nach Deutschland geflüchteten Kinder und Jugendlichen jetzt in der Sozialstatistik niederschlägt. Dagegen seien die Armutsquoten unter Kindern und Jugendlichen, die keinen Migrationshintergrund haben oder als Kinder von Migranten in Deutschland geboren wurden, leicht rückläufig.
Die allgemeine Armutsquote in Deutschland stagniert der Statistik zufolge, während sich der langfristige kontinuierliche Anstieg der Armutsgefährdung unter Senioren auch 2016 fortgesetzt hat. Neben einer möglichst effektiven Integration von Zugewanderten in Bildung und Arbeitsmarkt sei auch eine Verbesserung der Alterssicherung notwendig, so die Wissenschaftler.
Die WSI-Forscher Eric Seils und Jutta Höhne haben die gerade erschienenen Armutsdaten des Mikrozensus 2016 ausgewertet. Als arm gelten nach gängiger wissenschaftlicher Definition Haushalte, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des bedarfsgewichteten mittleren Einkommens beträgt. Für eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag die Armutsschwelle 2015 bei einem verfügbaren Nettoeinkommen von weniger als 1978 Euro im Monat.
Das Deutsche Kinderhilfswerk forderte strukturelle sozialpolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinderarmut. Auch müsse es in der neuen Legislaturperiode mehr vorausschauende Integrationsmaßnahmen für zugewanderte Kinder und Jugendliche geben. Zum Kampf gegen Armut gehörten neben armutsfesten Hartz IV-Regelsätzen, eine Beschäftigungspolitik, die Eltern in die Lage versetzt, sich und ihren Kindern durch eigene Erwerbstätigkeit eine ausreichende finanzielle Lebensgrundlage zu bieten.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen, warf der großen Koalition Versagen vor. "Es war zu erwarten, dass die ohnehin schon hohe Kinderarmut in Deutschland durch die Zuwanderung steigen wird." Es fehle ein wirksames Integrationskonzept: "Damit Integration gelingt, müssen bei zugewanderten Familien die Eltern gezielt unterstützt werden: etwa durch eine zügigere Anerkennung der beruflichen Qualifikationen und durch die Förderung der Sprachkenntnisse."