sozial-Politik

Flüchtlinge

Brüssel schlägt neue legale Wege in die EU vor




Diese sunnitische Familie kam 2009 aus dem Irak über das Resettlement-Programm nach Deutschland.
epd-bild/Thomas Rohnke
Europa sei eine Festung, die sich vor Flüchtlingen und Migranten abschotte, sagen Kritiker oft. Wenn das zutrifft, will die EU-Kommission jetzt die Zugbrücke für einige Zehntausend Menschen freiwillig herunterlassen.

Die EU-Kommission hat Pläne für die legale Einreise von mindestens 50.000 Flüchtlingen aus dem Nahen Osten und Afrika vorgelegt. Es geht um besonders Schutzbedürftige insbesondere aus Libyen, Ägypten, Niger, Sudan, Tschad und Äthiopien, die in den kommenden zwei Jahren auf sicherem Weg nach Europa gebracht werden sollen, wie die Kommission am 27. September in Brüssel erklärte. Sie will dafür eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung stellen, also 10.000 Euro pro Person.

Das Programm war grundsätzlich schon im Juli, damals mit der Zielmarke von 40.000 Menschen, angekündigt worden. Die EU-Kommission hatte auf einen Aufruf der Vereinten Nationen reagiert, die für die sogenannte Neuansiedlung (resettlement) immer wieder aufnahmewillige Länder suchen. Dadurch kann diesen die oft lebensgefährliche, von Schleppern organisierte Reise erspart werden.

Geschäftsmodell der Schleuser soll trockengelegt werden

Das Kontingent an legalen Einreiseplätzen ist ein Anreiz, es nicht auf illegale Weise zu versuchen. Damit will die EU das Geschäftsmodell der Schleuser austrocknen und Migration in geordnete Bahnen lenken. Nicht unlogisch war es deshalb, dass die Kommission auch Empfehlungen für schnellere Abschiebungen von Menschen vorlegte, die in der EU kein Aufenthaltsrecht haben.

Jetzt sind die EU-Mitgliedstaaten am Zug, denn die Kommission kann die Neuansiedlung nur vorschlagen und finanziell unterstützen, nicht anordnen. Bislang hätten elf Regierungen für das neue Programm zusammen 14.000 Plätze zugesagt, hieß es; ob und wie viele von ihnen Deutschland aufnehmen will, konnte die Kommission nicht angeben.

Ein im Sommer 2015 gestartetes EU-Neuansiedlungsprogramm hat rund 23.000 Flüchtlingen zu einer sicheren Einreise nach Europa verholfen und läuft jetzt aus. Die EU arbeitet ferner an einem generellen rechtlichen Rahmen für die Neuansiedlung, der derartige Ad-hoc-Programme überflüssig machen würde.

Pilotprojekt soll Klarheit schaffen

Die legale Migration nach Europa soll darüber hinaus, auch das schlug die Kommission am Mittwoch vor, durch Patenschaften privater Gruppen und zivilgesellschaftlicher Organisation gefördert werden. Zu diesem Zweck beauftragte die Behörde das Europäische Asylbüro (EASO) mit einem Pilotprojekt.

Ferner will die Kommission mit weiteren Pilotprojekten die Wirtschaftsmigration nach Europa stärken. Im Vorfeld sollen dabei Akteure aus der Wirtschaft angeben, wo Arbeitskräfte gebraucht werden. Schon jetzt können Arbeitsmigranten legal nach Europa kommen, insbesondere mit der "Blue Card". Dabei geht es aber vor allem um Hochqualifizierte.

Dass auch niedriger Qualifizierten der Zuzug ermöglicht werden sollte, mahnen Vertreter religiöser Organisationen in einem aktuellen Positionspapier an. "Es ist einer der zentralen Mängel in der EU-Politik zur Arbeitsmigration, dass sie keine legalen Wege für Leute in niedriger bezahlten Sektoren geöffnet hat", heißt es in einer Stellungnahme vom September, an der unter anderem die katholische Kommission der Bischofskonferenzen der EU und das Brüsseler Büro der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beteiligt sind. Daher seien in diesen Sektoren irreguläre Migration und Ausbeutung der Migranten sehr markant.

Phillipp Saure

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