sozial-Politik

Bundestag

Familiennachzug bleibt bis Ende Juli ausgesetzt




Flüchtlinge bei einer Demonstration für Familiennachzug.
epd-bild/Christian Ditsch
Der Bundestag hat am 1. Februar eine Übergangsregelung zum umstrittenen Familiennachzug für Flüchtlinge beschlossen. Bis Ende Juli will die mögliche neue große Koalition eine Neuregelung auf den Weg bringen, die ab August die Aufnahme von monatlich 1.000 Familienangehörigen ermöglicht.

Der Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen bleibt über Mitte März hinaus für weitere viereinhalb Monate ausgesetzt. Mit der Mehrheit von 376 Stimmen beschloss der Bundestag in Berlin die von CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Übergangslösung. 248 Abgeordnete votierten in namentlicher Abstimmung gegen den Kompromiss von Union und SPD, vier enthielten sich.

Wie aus dem detaillierten Ergebnis der Abstimmung hervorgeht, votierten insgesamt 13 Vertreter der möglichen erneuten großen Koalition gegen den Kompromiss. In der SPD-Fraktion stimmten zehn Parlamentarier mit Nein, bei der Fraktion von CDU/CSU drei. Vier Abgeordnete enthielten sich, jeweils zwei von Union und SPD.

Auf das Kontingent von 1.000 Personen hatten sich Union und SPD bereits in den Sondierungsgesprächen geeinigt. Zusätzlich sollen weiterhin Visa in Härtefällen erteilt werden, die nicht auf das Kontingent angerechnet werden, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Bundestag sagte. Das hatte die SPD in den Koalitionsgesprächen nachverhandelt.

Regelung betrifft vor allem Syrer

Von der Aussetzung des Familiennachzugs sind vor allem Syrer betroffen, denen als Bürgerkriegsflüchtlinge oftmals nur der untergeordnete subsidiäre Schutz zuerkannt wird. Anders als Flüchtlinge mit dem Schutzstatus nach der Genfer Konvention haben sie keinen Anspruch mehr, ihre Kernfamilie - also Ehegatten, minderjährige Kinder oder Eltern - nach Deutschland nachzuholen.

Linke und Grüne sehen darin eine unzumutbare Regelung. "Familienzusammenführungen zu ermöglichen, ist eine moralische Pflicht", sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch (Linke). Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, Union und SPD machten aus einem Rechtsanspruch ein "Gnadenrecht". Beide Parteien forderten einen Familiennachzug ohne Einschränkungen. Die FDP kritisierte die Festlegung auf 1.000 Fälle als willkürlich und forderte eine großzügigere Regelung. Die AfD will dagegen den Familiennachzug für diese Gruppe komplett verhindern.

Lilie nennt Kompromiss "kleinherzig"

Flüchtlingsorganisationen, Sozialverbände und Kirchen hatten wiederholt die Aussetzung der Familienzusammenführungen kritisiert. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete den Kompromiss von Union und SPD als "kleinherzig". Ein reiches Land wie Deutschland könne mehr als 1.000 Menschen den Nachzug ermöglichen, sagte er dem epd: "Zumal völlig ungeklärt ist, nach welchem Verfahren diese 1.000 Menschen bestimmt werden sollen", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtverbandes.

Auch der EKD-Migrationsexperte Manfred Rekowski kritisierte die geplante Deckelung des Familiennachzugs. Ein monatliches Kontingent von 1.000 engen Angehörigen mache aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für wenige Menschen, sagte der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aus Recht wird letztendlich ein Gnadenakt. Das ist eine fatale Entwicklung."

"Bestehende Härtefallregelung bewährte sich nicht"

Dass zum Kontingent von 1.000 Menschen auch noch Härtefälle kommen können, beruhigt die Kritiker nicht. Solch eine Regelung galt schon während der Aussetzung des Familiennachzugs ab März 2016, fand aber selten Anwendung. Ende Dezember teilte das Auswärtige Amt mit, dass darüber im vergangenen Jahr gerade einmal 96 Menschen ein Visum erteilt wurde.

"Dieses Ergebnis ist eine bittere Enttäuschung", kommentierte Pro Asyl die Einigung. Die Organisation nannte den Kompromiss eine "Pseudolösung" und übergab im Bundestag eine Petition mit 30.000 Unterschriften für die Zulassung des Familiennachzugs ohne Einschränkungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, dies sei "keine substanzielle Verbesserung". Auch Kinderrechtsorganisationen äußerten sich enttäuscht.

Die SPD fordert nun, diese Regelung künftig großzügiger anzuwenden. Sie müsse anders ausgelegt werden, um mehr Menschen helfen zu können, sagte die SPD-Abgeordnete Eva Högl im Bundestag. Für die konkrete Gestaltung der Neuregelung scheint sich dabei bereits jetzt neuer Streit anzukündigen.

Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz sagte, die Härtefallregelung sei eng gefasst und es werde nicht daran gerüttelt. Bundesinnenminister de Maizière sagte in dieser Woche, die Härtefallregelung solle "wie bisher" angewendet werden. Auch über die Kriterien für die Kontingent-Aufnahmen müssen Union und SPD noch verhandeln.

Länder fordern mehr Geld vom Bund

Unterdessen dringen die Länder auf weitere Unterstützung des Bundes bei der Versorgung von Flüchtlingen. Mit der Integration stiegen die Kosten, sagte die Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nach einem Treffen der Regierungschefs der Länder am 1. Februar in Berlin.

Sie erwarte daher, dass der Bund seine bisherige Unterstützung weiter leiste und verstetige. Die Unterstützung müsse eigentlich sogar erweitert werden, sagte die saarländische Regierungschefin.

Bund und Länder hatten 2016 vereinbart, dass der Bund bis 2018 zwei Milliarden Euro im Jahr für die Integration von Flüchtlingen zahlt und die Kosten der Unterkunft übernimmt, für die eigentlich die Kommunen aufkommen müssen. Die kommunalen Spitzenverbände hatten bereits gefordert, die Zahlungen weiterzuleisten.

Corinna Buschow

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