sozial-Politik

Bundesregierung

Flüchtlingsstreit: Verteilungsfrage könnte zurückgestellt werden




Amnesty und Pro Asyl fordern sichere Fluchtwege nach Europa.
epd-bild/Rolf Zöllner
Im Streit um die Flüchtlingspolitik ist die Bundesregierung bereit, die Kernfrage der künftigen Verteilung von Flüchtlingen auf europäischer Ebene zurückzustellen. Das wurde bei einem Treffen der EU-Innenminister in Sofia bekannt.

"Vielleicht ist es auch sinnvoll, dass wir uns zeitlich zunächst auf die anderen Themen konzentrieren, ohne dass wir den Zusammenhang aus dem Auge verlieren, dann gibt es vielleicht eher Fortschritte", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 25. Januar am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

Das Bundesinnenministerium widersprach allerdings im Laufe des Tages Mediendarstellungen, wonach de Maizière "die Diskussion um Flüchtlingsverteilung vorerst beenden will", wie es in einem Tweet des Ministeriums hieß. Vielmehr habe er "die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass es die Verhandlungen beschleunigen könne, wenn man sich zunächst auf weniger streitige Punkte" der europäischen Asylpolitik "konzentriere, ohne dabei jedoch die Frage der fairen Verteilung aus dem Auge zu verlieren", twitterte das Ministerium.

"Erst Dinge machen, bei denen die Einigung leichter ist"

In Sofia hatte de Maizière vor der Presse auf mehrere Fragen geantwortet, die um die künftige Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas kreisten. Unter anderem sagte er: "Wir wollen die Fragen zusammenhalten, aber richtig ist, dass es sozusagen verhandlungsprozessual gut ist, mal erst die Dinge einig zu machen, bei denen die Einigung leichter ist." Dazu gehörten etwa gemeinsame Verfahren, Aufnahmebedingungen und der Familienbegriff im Asylrecht. "Ohne dass wir die Frage der fairen Verteilung aus dem Auge verlieren", fügte er hinzu.

Zwar sei die Zahl der neu ankommenden Menschen in Europa nicht mehr so hoch wie 2015 und 2016 und ein Kompromiss daher generell leichter. Es gebe allerdings für Deutschland auch andere sehr wichtige Punkte bei der Reform des europäischen Asylsystems, führte der geschäftsführende Minister aus. De Maizière antwortete auch auf die Frage, ob eine Einigung auch ohne Verteilung möglich sei: "Das entscheiden wir dann am Ende der Verhandlungen."

Ziel: Bis Juni Asyl-Einigung erreichen

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben das Ziel ausgegeben, bis Juni eine Einigung über die Reform des europäischen Asylsystems zu finden. Das sollte die künftige Verteilung der Flüchtlinge einschließen. Deutschland vertritt den Standpunkt, dass zumindest bei besonders hohen Flüchtlingszahlen alle EU-Staaten einen Teil aufnehmen müssten. Dieser Punkt stand bisher bei vielen Debatten im Vordergrund.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sagte auf die Frage, ob eine Einigung über die Verteilung bis Juni möglich sei, "der europäische Geist und Geist der Solidarität werden sich durchsetzen". Bei dem Problem geht es den Worten des Kommissars zufolge ohnehin weitgehend um die Innenpolitik in den jeweiligen Ländern.

Unterdessen forderte ein Bündnis von Verbänden und Organisationen die EU zu einer Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik auf. In einer Mitteilung, die unter anderem vom Paritätischen Gesamtverband, von Diakonie und Caritas, Pro Asyl und dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst unterzeichnet ist, fordern die Verbände einen weiterhin unbeschränkten Zugang zum Asylverfahren mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylgesuchs in Europa. Sie lehnen insbesondere eine verpflichtende Drittstaatenregelung ab, die gleichzeitig mit der Absenkung von Standards für die Sicherheit der Flüchtlinge in diesen Staaten verbunden werden soll.

Lilie: Rechliche Standards müssen erhalten bleiben

"Die geltenden völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und europarechtlichen Standards für Flüchtlinge müssen erhalten bleiben. Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz - auch in Europa", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Die aktuellen Bemühungen zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems dürften nicht zu einer Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in die ohnehin stärker belasteten Krisen- und Transitstaaten führen.

In der EU müsse weiterhin um eine faire Verteilung der Schutzsuchenden gerungen werden. "Nur wenn hier eine gute Lösung gefunden wird, kann Europa seiner weltweiten Verantwortung gerecht werden", betonte der Diakoniechef.

"Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz in Europa", erklärte der Vorsitzende des federführenden Paritätischen Gesamtverbandes, Rolf Rosenbrock.

Philipp Saure

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