Ausgabe 5/2018 - 02.02.2018
Berlin, Frankfurt a.M. (epd). Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat ernst gemacht und zu seinem schärfsten Sanktionsinstrument gegriffen: Der Landesverband hat beschlossen, das Diakoniewerk Bethel als Mitgliedsunternehmen aus der diakonischen Gemeinschaft auszuschließen, wie der Verband am 26. Januar in Berlin mitteilte. Im Fall des Ausschlusses darf sich der Sozialträger unter anderem nicht mehr als Diakoniewerk bezeichnen, denn Namen und Marke "Diakonie" darf nur tragen, wer Mitglied im Diakonie-Dachverband ist.
Der Fall geht jedoch in eine weitere Runde: Der Bethel-Vorstand hat nach Angaben des Landesverbandes Einspruch gegen die Entscheidung des Diakonischen Rates, des höchsten Aufsichtsgremiums des Diakonieverbandes, eingelegt. Dies würde den Ausschluss des evangelisch-freikirchlichen Sozialträgers zumindest verzögern. Eine endgültige Entscheidung werde dann die Mitgliederversammlung des Diakonieverbandes voraussichtlich im September fällen, teilte der Verband mit.
Der Diakonische Rat sei in seiner Beratung am 25. Januar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorwürfe gegen das Diakoniewerk Bethel nicht hinreichend ausgeräumt worden seien. Der Träger mit Sitz in Berlin steht seit Monaten wegen des Umgangs mit den eigenen Finanzen in der Kritik. Das Diakoniewerk Bethel betreibt unter anderem ein Krankenhaus in Berlin und Pflegeeinrichtungen. Das freikirchliche Sozialunternehmen hat nichts mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel mit Sitz in Bielefeld zu tun.
Die bundesweit 17 diakonischen Landesverbände haben das Recht, untragbare Mitglieder aus dem kirchlichen Verband zu entfernen. Ihre Satzungen geben dies her. In der Praxis ist diese scharfe Sanktion extrem selten, wie der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Baden, Urs Keller, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. "Ich habe in meiner sechsjährigen Amtszeit noch nicht zu diesem Mittel greifen müssen."
Mit einem Rauswurf will der Berliner Verband Schaden von den übrigen Mitgliedsbetrieben abwenden. Bethel-Vorstand Karl Behle soll sich unter anderem Pensionsansprüche in Millionenhöhe verschafft haben. Insgesamt befand die diakonische Aufsicht, dass die Struktur von Bethel nicht geeignet sei, die Grundsätze guter Unternehmensführung in der Diakonie sicherzustellen.
Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) der Baptisten, mit dem das Diakoniewerk Bethel in einer sogenannten Bekenntnisgemeinschaft verbunden ist, hatten in den vergangenen Monaten mehrfach zur Aufklärung der Vorwürfe aufgerufen. Gefordert wurden zudem Veränderungen in der Organ- und Aufsichtsstruktur.
Der Berliner Verband hat schon einmal eine Mitgliedseinrichtung ausgeschlossen. Im Jahr 2010 setzte er die Treberhilfe vor die Tür. Der damalige Geschäftsführer der gemeinnützigen Obdachlosenorganisation, Harald Ehlert, hatte sich zuvor etliche Kapriolen erlaubt: Er hatte sich einen Maserati als Dienstfahrzeug und ein Jahresgehalt von weit über 300.000 Euro geleistet.
Diakonieunternehmen mussten auch schon aus anderen Gründen die Gemeinschaft verlassen. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, deren 5.000 Mitglieder in ganz Nordrhein-Westfalen sowie in Teilen von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ihren Sitz haben, musste nach den Worten ihres Vorstandes, Thomas Oelkers, "insbesondere bei Verstößen gegen das kirchliche Arbeitsrecht" mit Ausschluss drohen. Er sei aber "sehr selten" vollzogen worden. "In der Regel wird versucht, eine tragfähige Lösung zu finden", sagt Oelkers.
Besonders scharf waren die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen vor einigen Jahren in Bremen. Das größte Diakonieunternehmen in der Hansestadt, die Stiftung "Friedehorst", hat in dem erbitterten Streit ein Urteil des obersten evangelischen Kirchengerichts hartnäckig ignoriert - ohne dass dies für das Unternehmen Sanktionen zur Folge hatte.
Die Stiftung mit 1.400 Beschäftigten setzte seit 2005 in großem Umfang dauerhaft Leiharbeiter ein, um die Lohnkosten zu drücken. Der Kirchengerichtshof hatte bereits 2006 entschieden, dass dies nach kirchlichem Arbeitsrecht nicht erlaubt ist, und untersagte dem Unternehmen diese Praxis. Die Stiftung weigerte sich jedoch viele Jahre, dem Urteil zu folgen. Erst nach einem Wechsel im Vorstand beendete das Unternehmen Anfang 2013 die Leiharbeit und die damit verfolgte Tarifflucht.
Einen ähnlich gelagerten Fall gab es in Niedersachsen. Wegen Lohndrückerei und Rufschädigung wollte der Diakonieverband 2012 das Evangelisch-Lutherische Wichernstift in Ganderkesee nicht länger als Mitglied dulden. Denn das Unternehmen hatte, als es in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, von allen Mitarbeitern einen Lohnverzicht gefordert. Beschäftigte, die sich weigerten, wurden an den Pranger gestellt: Der Vorstand ließ ihre Namen in öffentlichen Listen aushängen.
Die Diakonie reagierte auf den Skandal mit einem Verbandsausschluss, das Unternehmen klagte dagegen und bekam vor Gericht recht. Aus formalen Gründen, wie es in der Begründung der Richter hieß.