Ausgabe 5/2018 - 02.02.2018
Leipzig (epd). Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am 25. Januar bekanntgegebenen Urteil. Die Hilfe dürfe deshalb nicht für eine zusätzlich Teilzeitbeschäftigung verweigert werden, befand das Gericht.
Damit bekam der blinde und zu 100 Prozent schwerbehinderte Kläger von den obersten Verwaltungsrichtern im Grundsatz recht. Der Mann arbeitete seit dem Jahre 2000 zunächst in Vollzeit als Beamter im öffentlichen Dienst in Luxemburg. Bis 2013 verringerte er seine Arbeitszeit schrittweise auf 50 Prozent, um in seiner eigenen Firma mehr arbeiten zu können. So hatte er 2008 ein Internetradio unter dem Motto "Das Radio für ein barrierefreies Leben" gegründet.
Neben den selbst produzierten regelmäßigen Radiosendungen vermittelte und managte er auch Künstler. Ab Ende 2014 widmete er sich dann allein der Künstleragentur. Seinen Wohn- und Firmensitz verlegte er mitsamt seiner Familie nach Schleswig-Holstein. Seine berufliche Tätigkeit als Beamter in Luxemburg übte er im wöchentlichen Wechsel mit seiner selbstständigen Tätigkeit aus.
2014 beantragte er bei seinem zuständigen Integrationsamt die Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz, damit er seine selbstständige Nebentätigkeit ausüben könne. Die Assistenz übernahm seine Ehefrau. Geplant war, seine Beamtentätigkeit ganz aufzugeben, um dann aus dem Nebenjob eine Vollzeitbeschäftigung zu machen.
Das Integrationsamt lehnte die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz ab. Die Behörde wollte nicht fördern, dass der schwerbehinderte Mann seine gesicherte Existenz als Beamter aufgibt. Die Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz diene im Wesentlichen dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen, lautete die Begründung.
Dieser Sicht folgte noch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG). Der Kläger sei bereits mit seiner Beamtentätigkeit "hinreichend in das Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert". Die Beschäftigung als Beamter sei auch nicht gefährdet, hieß es. Der Kläger wolle diese Tätigkeit vielmehr freiwillig reduzieren. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz für eine zweite Tätigkeit "bei Vorliegen einer vollständigen Eingliederung" sei nach dem Gesetz nicht vorgesehen, so die Richter.
Diese Entscheidung hob jetzt aber das Bundesverwaltungsgericht auf und verwies das Verfahren zum OVG zurück. Die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz dürfe nicht deshalb verneint werden, weil der schwerbehinderte Mensch einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit seien keine notwendigen Bedingungen für eine Kostenübernahme, entschieden die obersten Verwaltungsrichter.
Eine notwendige Arbeitsassistenz diene nämlich auch der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Sie dürften zudem selbst entscheiden, welchen Beruf sie ausüben, ob sie in Vollzeit arbeiten oder mehrere Teilzeitbeschäftigungen nachgehen wollen.
Das OVG muss nun noch feststellen, ob, in welcher Art und in welchem Umfang der Kläger bei seiner selbstständigen Tätigkeit "zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile der Unterstützung bedarf".
Az.: 5 C 9.16