sozial-Politik

Koalitionsverhandlungen

In der Pflege sollen 8.000 zusätzliche Stellen entstehen




Mehr Geld für Personal soll die Jobs in der Pflege attraktiver machen.
epd-bild/Werner Krüper
Union und SPD haben einen Kompromiss bei der Pflege erzielt. Sie streben eine bessere Bezahlung und mehr Pflegepersonal an. Den Verbänden und dem Pflegekritiker Alexander Jorde reicht das nicht. Gebraucht würde langfristige Konzepte, um den Pflegeberuf dauerhaft attraktiver zu machen.

Mehr Personal und bessere Löhne in der Pflege: Darauf haben sich Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen geeinigt, wie die stellvertretende SPD-Vorsitzende Malu Dreyer am 31. Januar mitteilte. Sozial- und Wohlfahrtsverbände reagierten mit Skepsis und weiteren Forderungen.

Auch dem Pflegeschüler Alexander Jorde, der vor der Bundestagswahl in der ARD-Sendung "Wahlarena" mit seinen kritischen Fragen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Stein ins Rollen gebracht hat, reicht der Kompromiss nicht aus: "Die Politiker von Union und SPD müssen mit den Mini-Korrekturen aufhören und stattdessen einen Neustart in der Pflege wagen", sagte der 21-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Um die Bezahlung von Pflegekräften zu verbessern, soll nach Angaben der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Dreyer der Abschluss von Tarifverträgen erleichtert werden. Bereits in den Sondierungsgesprächen hatten sich die Parteien darauf geeinigt, die Tarifbindung in der Altenpflege zu erhöhen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete das Versprechen, für gerechte Löhne zu sorgen, als einen "ungedeckten Wechsel der Großkoalitionäre. Denn schließlich ist die Bundesregierung hier kein Tarifpartner."

Lauterbach: Angehörige werden entlastet

"Wir lenken gleichzeitig den Blick auf diejenigen, die Angehörige pflegen. Hier haben wir durchgesetzt, dass Angehörige von Pflegebedürftigen entlastet werden, indem sie einen Rechtsanspruch auf eine Auszeit mit Rehabilitionsleistungen bekommen", sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach: "Und wir fassen Pflegeangebote in einem jährlichen Budget zusammen, so dass sie flexibel und unkompliziert in Anspruch genommen werden können." Künftig würden alle Leistungen der Kurzzeit-, Verhinderungs-, Tages- und Nachtpflege zusammengelegt. "Wir erleichtern es den Beteiligten, die richtige Form der Pflege im richtigen Maß zu bekommen." Dazu soll es nur noch einen Antrag geben.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie nannte die Ergebnisse von Union und SPD "einen kleinen Schritt in die richtige Richtung". Notwendig sei in der Pflege jedoch eine strukturelle und nachhaltige Lösung. Lilie begrüßte das Bekenntnis von CDU/CSU und SPD für eine angemessene und tarifliche Entlohnung.

Weiter sagte Lilie, die Zahl von 8.000 zusätzlichen Pflegekräften sei zu niedrig. "Es braucht deutlich mehr Fachpersonal in den Pflegeeinrichtungen, um den Pflegenotstand wirksam zu beseitigen. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung von Politik und Zivilgesellschaft, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu fördern."

Der Deutsche Caritasverband begrüßte grundsätzlich die Einigung, übte aber auch Kritik. "Die genannten 8.000 zusätzlichen Stellen sind jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein und können nur der Anfang sein. Gebraucht werden erheblich mehr Stellen", sagte Verbandspräsident Peter Neher der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er mahnte, die Finanzierung der neuen Stellen dürfe zu keiner zusätzlichen Erhöhung des Eigenanteils der pflegebedürftigen Menschen in den Pflegeheimen führen.

Neher forderte Investitionen in die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte. Der Fachkräftemangel könne nur bekämpft werden, wenn auch in die Ausbildung investiert werde: "Daher begrüßen wir alle Maßnahmen, welche die Qualifizierung stärken. Besonders wichtig ist eine gute Umsetzung der generalistischen Pflegeausbildung. Ein Beitrag dazu wäre eine Anschubfinanzierung für die Pflegeschulen, damit diese künftig gut gerüstet in die neue Ausbildung starten können."

Bessere Bezahlung der Pflegekräfte braucht mehr Geld

Der Sozialverband VdK bezeichnete eine bessere Bezahlung in der Alten- und Krankenpflege als längst überfällig. Allerdings dürften die Mehrkosten für bessere Bezahlung und mehr Personal nicht dazu führen, dass die Eigenanteile von Pflegebedürftigen weiter steigen. Schon heute müssten immer mehr Pflegeheimbewohner Sozialhilfe beantragen, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher: "Pflege darf aber nicht arm machen." Die bessere Bezahlung der Pflegekräfte müsse aus Steuermitteln oder von der Pflegeversicherung finanziert werden.

Mascher sagte weiter, notwendig seien in den Pflegeheimen und Krankenhäusern ein "ausreichender Personalschlüssel und Arbeitsbedingungen, die gute und zuverlässige Pflege ermöglichen". Auch müsse mehr dafür getan werden, die Attraktivität des Pflegeberufes zu steigern.

"Tropfen auf den heißen Stein"

Die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche nannte die Einigung auf 8.000 zusätzliche Pflegekräfte einen "Tropfen auf den heißen Stein", der für die Pflegeheime weniger als eine zusätzliche Kraft bedeute. Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Einigung für "nicht annähernd ausreichend, um den Pflegenotstand wirksam zu beheben". Er schätzt den Bedarf an zusätzlichem Personal auf rund 100.000 Pflegekräfte.

Der Verband verlangte deshalb eine weitere Vereinbarung, wie und bis wann 100.000 zusätzliche Pflegekräfte gewonnen und finanziert werden sollen. Außerdem forderte der Paritätische eine gesetzliche Regelung, dass die Pflegeversicherung künftig grundsätzlich mindestens 85 Prozent der Kosten übernimmt und der Eigenanteil der Pflegebedürftigen maximal 15 Prozent beträgt.

"Vage Ankündigungen verstetigen sich"

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) wies die Ergebnisse der Koalitionsrunde als völlig unzureichend zurück. "Damit verstetigen sich die vagen Ankündigungen aus dem Sondierungspapier, mit minimalsten Maßnahmen den dramatischen Pflegenotstand in Krankenhäusern, stationären Pflegeeinrichtungen und im ambulanten Bereich zu kaschieren", Präsidentin Christel Bienstein in Berlin.

Zur Ankündigung besserer Bezahlung merkte die Expertin an: "Union und SPD wissen sehr wohl, dass sich eine flächendeckende Vergütung nicht per Koalitionsvertrag regelt, sondern einzig durch die Aushandlung der Tarifpartner."

Der Hildesheimer Pflegeschüler Jorde forderte für die Pflege ein grundlegend neues Konzept. "Die Politiker verstehen anscheinend nicht, dass es nicht nur mehr Nachwuchs in der Pflege geben muss", sagte er. Es müsse auch darum gehen, das Pflegepersonal langfristig im Job zu halten. "Die Arbeit in der Pflege ist sowohl körperlich als auch psychisch sehr belastend", betonte Jorde.

Mey Dudin, Patricia Averesch


Studie

Pflegekräfte kommen beim Verdienst nicht voran



Die Nachfrage nach Pflegepersonal ist laut der Online-Jobplattform StepStone in den vergangenen fünf Jahren um 125 Prozent gestiegen. "In keiner anderen Berufsgruppe gab es zuletzt einen größeren Anstieg an ausgeschriebenen Stellenanzeigen", heißt es in einer Mitteilung vom 31. Januar. Aber, auch das zeige die Auswertungen des aktuellen Fachkräfteatlasses: Beim Gehalt profitieren Pflegefachkräfte kam vom Nachfrageboom.

Im Gegensatz zu anderen Berufen, für die eine Ausbildung Voraussetzung ist, bleibe der Verdienst im Pflegebereich gering, hieß es. 2017 verdiente eine weibliche Pflegekraft im Durchschnitt 33.240 Euro - das sind rund 16.620 Euro (50 Prozent) weniger als beispielsweise Fachkräfte mit technischer Ausbildung.

Die schlechte Bezahlung sei auch ein Grund dafür, dass Pflegekräfte deutlich wechselwilliger sind als andere Fachkräfte. Eine eigene Analyse zeige, dass 43 Prozent aller Pflegekräfte schon mindestens einmal auf eigenen Wunsch ein Unternehmen innerhalb der Probezeit verlassen haben. Zum Vergleich: Unter allen Fachkräften waren es 29 Prozent. Mitarbeiter der Alten- und Krankenpflege wissen schließlich um ihre gute Position auf dem Arbeitsmarkt: So sind sechs von zehn befragten Pflegekräften sicher, bei Bedarf innerhalb von drei Monaten problemlos eine neue Stelle zu finden.

"In kaum einem Bereich müssen Arbeitgeber stärker um gutes Personal werben als im Pflegebereich", sagte Sebastian Dettmers, Geschäftsführer bei StepStone. Dabei sei es für Krankenhäuser und soziale Einrichtungen vergleichsweise schwierig, neue Mitarbeiter mit hohen Gehältern zu locken, denn oftmals hätten sie keinen großen Spielraum. "Unternehmen müssen daher Wege finden, sich positiv von konkurrierenden Arbeitgebern abzuheben. Dazu sollten sie in der Bewerberkommunikation auf Vorteile wie flexible Arbeitszeitmodelle oder familienfreundliches Arbeiten hinweisen, um für Fachkräfte attraktiver zu sein“, sagte Dettmers

Für seine Erhebung hat StepStone nach eigenen Angaben die Anzahl der Stellenausschreibungen auf relevanten Online- und Print-Plattformen seit dem Jahr 2012 ausgewertet.



Qualitätsbericht

Trotz Verbesserungen weiterhin Mängel in der Pflege




In der Pflegedokumentation müssen alle Arbeiten dokumentiert werden.
epd-bild / Meike Boeschemeyer
Pflegedienste und Pflegeheime in Deutschland achten mehr auf Qualität. Aber es gibt noch Verbesserungsmöglichkeiten, heißt es im jüngsten Pflege-Qualitätsbericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen.

Die Pflege in Deutschland ist besser geworden, aber es gibt weiterhin Mängel. Das ist das Ergebnis des 5. Pflege-Qualitätsberichts des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS), der am 1. Februar in Berlin vorgestellt wurde. Bemängelt werden bei der stationären Pflege in Heimen besonders die Schmerzbehandlung und unzureichende Wundversorgung. Bei der ambulanten Pflege stießen die Prüfer auf Defizite bei der Intensivpflege und der Beratung der Pflegebedürftigen.

Leichte Verbesserungen gebe es dagegen bei der Dekubitusprophylaxe - also bei Maßnahmen, die das Wundliegen von Pflegebedürftigen verhindern -, bei der Prophylaxe gegen Stürze und bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, hieß es. Erstmals wurden zudem Ergebnisse aus den Abrechnungsprüfungen in der ambulanten Pflege veröffentlicht.

26.000 Prüfungen ausgewertet

Grundlage des Berichts sind Daten aus über 26.000 Qualitätsprüfungen, die im Jahr 2016 in Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten durch den MDK stattgefunden haben. Die MDK-Prüferinnen und Prüfer untersuchten dabei die Versorgungsqualität bei 175.000 pflegebedürftigen Menschen.

Auch wenn noch einiges zu tun sei, entwickele sich die Pflegequalität insgesamt in die richtige Richtung, sagte der Vorstand des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Gernot Kiefer. Allerdings müssten sich die Bedingungen für die Pflegekräfte verbessern, damit sich mehr Menschen dauerhaft für diesen Beruf entscheiden.

Zudem sei mehr Transparenz in die Pflegebranche nötig. Die 2009 eingeführten Pflegenoten lieferten nur ein "unscharfes Bild" und böten den Pflegediensten und Pflegeheimen immer noch die Möglichkeit, schlechte Qualität zu verstecken. "Derzeit arbeitet die Wissenschaft an einem neuen System und wir erwarten, dass wir Ende dieses Jahres mit der Umsetzung beginnen können", sagte Kiefer.

Wundversorgung sollte besser sein

Verschlechterungen in der stationären Pflege gab es unter anderem bei den Gewichtskontrollen, sagte MDS-Geschäftsführer Peter Pick. Bei jedem vierten Heimbewohner sei das Gewicht nicht kontrolliert (24,9 Prozent) worden, obwohl Gefahr für einen erheblichen Gewichtsverlust bestand. Auch bei der Wundversorgung nach dem aktuellen Wissenstand fielen die Ergebnisse mit 75,6 Prozent schlechter aus als drei Jahre zuvor (79 Prozent), hieß es.

Mehr als ein Drittel der Pflegedienste in Deutschland rechnet ihre Leistungen nicht korrekt ab. Bei 35,2 Prozent der geprüften Pflegedienste stellten die MDK-Prüfer mindestens eine Auffälligkeit fest, wie MDS-Pflegeexperte Jürgen Brüggemann sagte. Knapp sieben Prozent der Pflegedienste zeigten mit sechs und mehr Ungereimtheiten gehäufte Auffälligkeiten. "Zugleich wiesen 64,8 Prozent der Pflegedienste keine Auffälligkeiten auf", sagte Brüggemann.

Patientenschützer: "Besorgniserregende Entwicklung"

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung. Der Bericht zeige auch, dass die Pflegebedürftigen unter der Überlastung der Pflegekräfte litten, sagte Vorstand Eugen Brysch. Es sei entsetzlich, dass der MDK Freiheitsberaubungen und schwerste Pflegemängel nicht zur Anzeige bringe und sich vielmehr auf "kalte Buchhalterei" beschränke.

Der Sozialverband VdK Deutschland erklärte, im Bereich der Pflegepolitik bleibe noch viel zu tun. Trotz der guten Ergebnisse erhielten immer noch zu viele Pflegebedürftige bestimmte Hilfen gar nicht oder nur eingeschränkt.

Kordula Schulz-Asche, Sprecherin der Grünen für Alten- und Pflegepolitik, sagte:"Der neue Pflege-Qualitätsbericht zeigt, dass noch viele Baustellen offen sind." Die Qualität in der Versorgung müsse dringend verbessert werden. Um die Pflegekräfte zu entlasten, forderte sie 25.000 neue tariflich entlohnte Stellen in Pflegeheimen. Zudem müsse eine angemessene Bezahlung in allen Pflegebereichen umgesetzt werden.

Markus Geiler


Niedersachsen

Rund 29.000 Pflegekräfte in Pflegekammer registriert



Für die neu entstehende Pflegekammer in Niedersachsen haben sich mittlerweile rund 29.000 Pflegekräfte registriert. Allerdings lagen nach Angaben von Sozialministerin Carola Reimann (SPD) vom 29. Januar bis Mitte Januar auch bereits 948 Einwendungen gegen die Pflichtmitgliedschaft hervor. Zwei Pflegekräfte hätten sogar gegen eine obligatorische Mitgliedschaft geklagt. Reimann beantwortete damit eine Anfrage der FDP-Landtagsfraktion.

Seit Januar 2017 sind alle Fachkräfte in der Alten- und Krankenpflege in Niedersachsen per Gesetz Mitglied in der Pflegekammer. Der Errichtungsausschuss für die Kammer hatte laut Reimann im September von rund 5.300 Arbeitgebern die entsprechenden Daten von rund 90.000 Personen erhalten. Diese wurden ab November aufgefordert, sich zu registrieren.

Der Ausschuss, der im März seine Arbeit aufgenommen hatte, führt die Kammer bis zum ersten Zusammentritt der Kammerversammlung. Er soll die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen für die Pflegekammer schaffen.

Die niedersächsische Pflegekammer ist die dritte in Deutschland. Als erstes Bundesland hatte Rheinland-Pfalz 2014 die Gründung einer Landespflegekammer beschlossen. 2015 folgte Schleswig-Holstein. Bayern geht mit der "Verinigung der Pflegenden" einen eigenen Weg. In der Sozialbranche wird auch immer wieder die Forderung einer Bundespflegekammer als Selbstvertretung für die rund 1,2 Millionen Pflegefachkräfte in Deutschland laut.



Rheinland-Pfalz

Pflegekammer beschließt Weiterbildungsordnung



Die rheinland-pfälzische Landespflegekammer hat eine für alle Pflegefachkräfte im Land verbindliche Weiterbildungsordnung beschlossen. Das rund 70 Seiten lange Regelwerk enthält Vorgaben über die Zulassung von Weiterbildungsstätten, den Ablauf von Prüfungen und die Inhalte von Fortbildungsangeboten. Erstmals in Deutschland seien die Bestimmungen zur Weiterbildung eigenverantwortlich von den Pflegekräften und nicht von einer staatlichen Stelle beschlossen worden, teilte die Kammer am 30. Januar in Mainz mit.

Nachdem das Papier vom rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium genehmigt wurde, habe die Kammer auch mit der Zertifizierung von Weiterbildungsanbietern begonnen.

Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, in dem die landesweit rund 40.000 Pflegefachkräfte nach dem Vorbild von Ärzten oder Rechtsanwälten seit 2016 in einer Berufskammer organisiert sind. Die Mitgliedschaft ist für alle Berufstätigen verpflichtend. Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind inzwischen dem rheinland-pfälzischen Vorbild gefolgt und haben ebenfalls den Aufbau von Pflegekammern beschlossen. In weiteren Bundesländern, darunter in Nordrhein-Westfalen, wird ein solcher Schritt derzeit intensiv diskutiert.



Bundestag

Familiennachzug bleibt bis Ende Juli ausgesetzt




Flüchtlinge bei einer Demonstration für Familiennachzug.
epd-bild/Christian Ditsch
Der Bundestag hat am 1. Februar eine Übergangsregelung zum umstrittenen Familiennachzug für Flüchtlinge beschlossen. Bis Ende Juli will die mögliche neue große Koalition eine Neuregelung auf den Weg bringen, die ab August die Aufnahme von monatlich 1.000 Familienangehörigen ermöglicht.

Der Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen bleibt über Mitte März hinaus für weitere viereinhalb Monate ausgesetzt. Mit der Mehrheit von 376 Stimmen beschloss der Bundestag in Berlin die von CDU/CSU und SPD vorgeschlagene Übergangslösung. 248 Abgeordnete votierten in namentlicher Abstimmung gegen den Kompromiss von Union und SPD, vier enthielten sich.

Wie aus dem detaillierten Ergebnis der Abstimmung hervorgeht, votierten insgesamt 13 Vertreter der möglichen erneuten großen Koalition gegen den Kompromiss. In der SPD-Fraktion stimmten zehn Parlamentarier mit Nein, bei der Fraktion von CDU/CSU drei. Vier Abgeordnete enthielten sich, jeweils zwei von Union und SPD.

Auf das Kontingent von 1.000 Personen hatten sich Union und SPD bereits in den Sondierungsgesprächen geeinigt. Zusätzlich sollen weiterhin Visa in Härtefällen erteilt werden, die nicht auf das Kontingent angerechnet werden, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Bundestag sagte. Das hatte die SPD in den Koalitionsgesprächen nachverhandelt.

Regelung betrifft vor allem Syrer

Von der Aussetzung des Familiennachzugs sind vor allem Syrer betroffen, denen als Bürgerkriegsflüchtlinge oftmals nur der untergeordnete subsidiäre Schutz zuerkannt wird. Anders als Flüchtlinge mit dem Schutzstatus nach der Genfer Konvention haben sie keinen Anspruch mehr, ihre Kernfamilie - also Ehegatten, minderjährige Kinder oder Eltern - nach Deutschland nachzuholen.

Linke und Grüne sehen darin eine unzumutbare Regelung. "Familienzusammenführungen zu ermöglichen, ist eine moralische Pflicht", sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch (Linke). Die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, Union und SPD machten aus einem Rechtsanspruch ein "Gnadenrecht". Beide Parteien forderten einen Familiennachzug ohne Einschränkungen. Die FDP kritisierte die Festlegung auf 1.000 Fälle als willkürlich und forderte eine großzügigere Regelung. Die AfD will dagegen den Familiennachzug für diese Gruppe komplett verhindern.

Lilie nennt Kompromiss "kleinherzig"

Flüchtlingsorganisationen, Sozialverbände und Kirchen hatten wiederholt die Aussetzung der Familienzusammenführungen kritisiert. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bezeichnete den Kompromiss von Union und SPD als "kleinherzig". Ein reiches Land wie Deutschland könne mehr als 1.000 Menschen den Nachzug ermöglichen, sagte er dem epd: "Zumal völlig ungeklärt ist, nach welchem Verfahren diese 1.000 Menschen bestimmt werden sollen", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtverbandes.

Auch der EKD-Migrationsexperte Manfred Rekowski kritisierte die geplante Deckelung des Familiennachzugs. Ein monatliches Kontingent von 1.000 engen Angehörigen mache aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für wenige Menschen, sagte der Vorsitzende der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Aus Recht wird letztendlich ein Gnadenakt. Das ist eine fatale Entwicklung."

"Bestehende Härtefallregelung bewährte sich nicht"

Dass zum Kontingent von 1.000 Menschen auch noch Härtefälle kommen können, beruhigt die Kritiker nicht. Solch eine Regelung galt schon während der Aussetzung des Familiennachzugs ab März 2016, fand aber selten Anwendung. Ende Dezember teilte das Auswärtige Amt mit, dass darüber im vergangenen Jahr gerade einmal 96 Menschen ein Visum erteilt wurde.

"Dieses Ergebnis ist eine bittere Enttäuschung", kommentierte Pro Asyl die Einigung. Die Organisation nannte den Kompromiss eine "Pseudolösung" und übergab im Bundestag eine Petition mit 30.000 Unterschriften für die Zulassung des Familiennachzugs ohne Einschränkungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband erklärte, dies sei "keine substanzielle Verbesserung". Auch Kinderrechtsorganisationen äußerten sich enttäuscht.

Die SPD fordert nun, diese Regelung künftig großzügiger anzuwenden. Sie müsse anders ausgelegt werden, um mehr Menschen helfen zu können, sagte die SPD-Abgeordnete Eva Högl im Bundestag. Für die konkrete Gestaltung der Neuregelung scheint sich dabei bereits jetzt neuer Streit anzukündigen.

Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz sagte, die Härtefallregelung sei eng gefasst und es werde nicht daran gerüttelt. Bundesinnenminister de Maizière sagte in dieser Woche, die Härtefallregelung solle "wie bisher" angewendet werden. Auch über die Kriterien für die Kontingent-Aufnahmen müssen Union und SPD noch verhandeln.

Länder fordern mehr Geld vom Bund

Unterdessen dringen die Länder auf weitere Unterstützung des Bundes bei der Versorgung von Flüchtlingen. Mit der Integration stiegen die Kosten, sagte die Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) nach einem Treffen der Regierungschefs der Länder am 1. Februar in Berlin.

Sie erwarte daher, dass der Bund seine bisherige Unterstützung weiter leiste und verstetige. Die Unterstützung müsse eigentlich sogar erweitert werden, sagte die saarländische Regierungschefin.

Bund und Länder hatten 2016 vereinbart, dass der Bund bis 2018 zwei Milliarden Euro im Jahr für die Integration von Flüchtlingen zahlt und die Kosten der Unterkunft übernimmt, für die eigentlich die Kommunen aufkommen müssen. Die kommunalen Spitzenverbände hatten bereits gefordert, die Zahlungen weiterzuleisten.

Corinna Buschow


Koalitionsverhandlungen

Verbände rügen Pläne zum Familiennachzug




Auch in der Türkei warten viel syrische Flüchtlinge auf eine Möglichkeit, nach Deutschland nachzuziehen.
epd-bild/Thomas Lohnes
Nach der Einigung von Union und SPD beim umstrittenen Familiennachzug für subsidiär geschützte Flüchtlinge hagelt es Kritik von Hilfsorganisationen und Sozialverbänden. Fast alle sind sich einig: Die Obergrenze sei willkürlich festgelegt und der bereits bestehende Schutz für Härtefalle nahezu unwirksam.

Der Familiennachzug zu subsidiär schutzberechtigten Flüchtlingen bleibt nach einem Beschluss des Bundestages vom 1. Februar über Mitte März hinaus für weitere viereinhalb Monate ausgesetzt. Schon an der Einigung von Union und SPD in den Koalitionsgesprächen hatten viele Flüchtlingsorganisationen und Sozialverbände Kritik formuliert. Ihnen geht der Beschluss nicht weit genug. Epd sozial fasst die Stimmen zusammen:

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte die Einigung als inhuman. Er lehnt die Pläne der Koalitionsverhandler für eine weiterhin restriktive Familiennachzugsregelung und die geplante Obergrenze von 1.000 Menschen pro Monat ab. Auch in der angekündigten Weiterführung der existierenden Härtefallregelung sieht der Paritätische keine substanzielle Verbesserung. "Die Zahl von 1.000 Menschen pro Monat, die zu ihren Familienangehörigen nachziehen dürfen, ist willkürlich und moralisch fragwürdig. Im Klartext heißt diese Obergrenze, dass Zehntausenden von Menschen der Familiennachzug verweigert wird", sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

"Grenze ist willkürlich gesetzt"

Dass monatlich lediglich 1.000 Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen nachziehen dürften, sei mit der Integrationsfähigkeit Deutschlands nicht zu begründen, betonte der Deutsche Caritasverband. "Diese Grenze ist willkürlich festgesetzt, viel zu niedrig und trennt Familien, die eigentlich nach Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützt werden sollen." Ein Land wie Deutschland könne die Aufnahme und Integration schutzsuchender Menschen in einer wesentlich höheren Größenordnung gut meistern, so Neher.

"Die Diakonie Deutschland ist von dem Kompromiss enttäuscht. Wir können keinen großen Fortschritt gegenüber dem Sondierungspapier erkennen", sagte Präsident Ulrich Lilie. "Die Härtefallregelung war schon bisher unzureichend, sie wird auch künftig nicht ausreichen." Ein reiches Land wie Deutschland müsse in der Lage sein, an dieser Stelle menschliche Not zu lindern. Aus Sicht der Kirchen sei rechtlich, politisch und ethisch geboten, die Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten sofort zu beenden.

Für die Arbeiterwohlfahrt sagte Vorstand Brigitte Döcker, die Höchstzahl von 1.000 Nachzügen ab August 2018 bedeutee für den allergrößten Teil der Betroffenen faktisch einen Ausschluss des Familiennachzugs. "Auch die geplante Härtefallregelung halten wir nicht für eine geeignete Lösung, um der Vielzahl an Einzelschicksalen gerecht zu werden", sagte Döcker. Sie verwies auf die bisherige Härtefallregelung. Sie habe im vergangenen Jahr dazu geführt, dass nur wenige Dutzend Verwandte nachziehen konnten.

"Einigung ist ein trauriger Deal"

Die Einigung sei "ein trauriger Deal auf dem Rücken schutzbedürftiger Flüchtlingskinder", sagte Jörg Angerstein, Vorstandssprecher des in Osnabrück ansässigen Kinderhilfswerks terre des hommes. Die strikte Begrenzung des Familiennachzugs widerspreche dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Familie und den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention.

Vizepräsidentin Anne Lütkes vom Deutschen Kinderhilfswerk betonte, die Regelung sei ein "fauler Kompromiss auf dem Rücken von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen". Sie lebten mit der ständigen Sorge um die zurückgebliebenen Eltern und Geschwister, sagte sie. Das behindere ihre Integration. Die Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutzstatus müsse sofort beendet werden, sagte Lütkes.

Die Diakonie Düsseldorf forderte, dass Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ihre Familien wieder ohne Auflagen und weitere Beschränkungen nach Deutschland einreisen lassen dürfen. Die derzeit noch geltende Aussetzung des Familiennachzuges für diese Flüchtlinge sei "unmenschlich" und "integrationspolitischer Unsinn", sagte Diakoniepfarrer Thorsten Nolting. Die Festlegung auf 1.000 Nachzügler pro Monat sei nur eine weiteren Hürde, die errichtet werde, um den Familiennachzug zu erschweren. Mittlerweile werde in Deutschland das glatte Gegenteil dessen praktiziert, was im Jahr 2015 als Willkommenskultur gefeiert wurde.

Der Caritasverband für die Diözese Hildesheim ging ebenfalls auf Distanz. Direktor Achim Eng lehnte die festgelegte Obergrenze ab. "Die Zahl 12.000 Personen jährlich ist entschieden zu niedrig. Uns überzeugt die Hochrechnung von Pro Asyl, die von 50.000 bis 70.000 Nachzugsberechtigten ausgeht." Das Grundrecht, als Familie zusammenzuleben, dürfe nicht kontingentiert werden: "Wer als Opfer vor Krieg und Folter flieht und Schutz erhält, kann und darf beim Familiennachzug nicht mit dem Hinweis auf eine bereits erreichte willkürlich festgelegte Obergrenze abgespeist werden", sagte Eng.

Dirk Baas


Koalitionsverhandlungen

Hintergrund

Wie der Familiennachzug für Schutzberechtigte funktioniert



Der Bundestag hat mit den Stimmen von Union und SPD beschlossen, dass ab dem Sommer pro Monat 1.000 enge Angehörige von Flüchtlingen mit subsidiärem Schutz aufgenommen werden sollen. Doch wie funktioniert der Familiennachzug, wer darf kommen und wie läuft das Antragsverfahren? Der epd beantwortet die wichtigsten Fragen.

Familiennachzug bedeutet, dass die engsten Angehörigen eines bereits in Deutschland lebenden Schutzberechtigten nachziehen dürfen. Voraussetzung ist, dass die Familie einen Visumantrag bei einer zuständigen Auslandsvertretung stellt, informiert das Auswärtige Amt. Der Familiennachzug kann beantragt werden, sobald die Asylberechtigung anerkannt beziehungsweise die Flüchtlingseigenschaft vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zuerkannt wurde.

Eng begrenzter Anspruch

Einen Anspruch, nach Deutschland nachreisen zu dürfen, haben Ehepartner und minderjährige, ledige Kinder des bereits hier lebenden Schutzberechtigten. Ebenfalls kommen dürfen die Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings.

Das gilt nicht für diejenigen Personen, denen nach dem 17. März 2016 subsidiärer Schutz erteilt worden ist. Hier ist der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt und soll nach der jetzigen Einigung bis Ende Juli verlängert werden.

Eine Sonderregelung gibt es im bestehenden Visumverfahren. Wer Ehepartner oder kleine Kinder zurückgelassen hat, kann eine sogenannte fristwahrende Anzeige stellen. Diese ermöglicht den Nachzug der Familie, ohne selbst über eigene Gelder oder ausreichenden Wohnraum zu verfügen. Ziel ist ein erleichtertes und somit schnelleres Visumverfahren.

Papiere müssen vollständig vorliegen

Für die Prüfung eines Visumantrags müssen die Familienmitglieder persönlich in den zuständigen deutschen Botschaft oder Konsulat erscheinen - Syrer müssen dazu in die Türkei oder in den Libanon reisen. Dort sind das bereits ausgefüllte Visumantragsformular und alle anderen Dokumente wie Heirats- oder Geburtsurkunden vorzulegen. Der Ausreisewillige muss die Beziehung zu seinem in Deutschland lebenden Familienangehörigen und in der Regel seine Sprachkenntnisse nachweisen.

Das wiederum geht nur nach vorheriger Terminvereinbarung. Weil die Behörden überlaufen sind, kann es Monate dauern, bis ein Termin vergeben wird. Und es gibt oft weitere Schwierigkeiten, wenn sich die Flüchtlinge im Ausland aufhalten und die deutschen Vertretungen erreichen müssen: Oft fehlen Pässe oder Einreisepapiere.

Wurde der Visumsantrag vor Ort gestellt, sendet ihn die Auslandsvertretung an die zuständige Ausländerbehörde in Deutschland. Die prüft, ob die rechtlichen Bedingungen für den Familiennachzug erfüllt sind. Ist alles in Ordnung, dann erhält der Nachziehende ein Visum zur Einreise, das in der Regel drei Monate gültig ist. Anschließend muss zwingend eine Aufenthaltserlaubnis erworben werden.

Dirk Baas


Bundesregierung

Flüchtlingsstreit: Verteilungsfrage könnte zurückgestellt werden




Amnesty und Pro Asyl fordern sichere Fluchtwege nach Europa.
epd-bild/Rolf Zöllner
Im Streit um die Flüchtlingspolitik ist die Bundesregierung bereit, die Kernfrage der künftigen Verteilung von Flüchtlingen auf europäischer Ebene zurückzustellen. Das wurde bei einem Treffen der EU-Innenminister in Sofia bekannt.

"Vielleicht ist es auch sinnvoll, dass wir uns zeitlich zunächst auf die anderen Themen konzentrieren, ohne dass wir den Zusammenhang aus dem Auge verlieren, dann gibt es vielleicht eher Fortschritte", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am 25. Januar am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen in der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

Das Bundesinnenministerium widersprach allerdings im Laufe des Tages Mediendarstellungen, wonach de Maizière "die Diskussion um Flüchtlingsverteilung vorerst beenden will", wie es in einem Tweet des Ministeriums hieß. Vielmehr habe er "die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass es die Verhandlungen beschleunigen könne, wenn man sich zunächst auf weniger streitige Punkte" der europäischen Asylpolitik "konzentriere, ohne dabei jedoch die Frage der fairen Verteilung aus dem Auge zu verlieren", twitterte das Ministerium.

"Erst Dinge machen, bei denen die Einigung leichter ist"

In Sofia hatte de Maizière vor der Presse auf mehrere Fragen geantwortet, die um die künftige Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas kreisten. Unter anderem sagte er: "Wir wollen die Fragen zusammenhalten, aber richtig ist, dass es sozusagen verhandlungsprozessual gut ist, mal erst die Dinge einig zu machen, bei denen die Einigung leichter ist." Dazu gehörten etwa gemeinsame Verfahren, Aufnahmebedingungen und der Familienbegriff im Asylrecht. "Ohne dass wir die Frage der fairen Verteilung aus dem Auge verlieren", fügte er hinzu.

Zwar sei die Zahl der neu ankommenden Menschen in Europa nicht mehr so hoch wie 2015 und 2016 und ein Kompromiss daher generell leichter. Es gebe allerdings für Deutschland auch andere sehr wichtige Punkte bei der Reform des europäischen Asylsystems, führte der geschäftsführende Minister aus. De Maizière antwortete auch auf die Frage, ob eine Einigung auch ohne Verteilung möglich sei: "Das entscheiden wir dann am Ende der Verhandlungen."

Ziel: Bis Juni Asyl-Einigung erreichen

Die EU-Staats- und Regierungschefs haben das Ziel ausgegeben, bis Juni eine Einigung über die Reform des europäischen Asylsystems zu finden. Das sollte die künftige Verteilung der Flüchtlinge einschließen. Deutschland vertritt den Standpunkt, dass zumindest bei besonders hohen Flüchtlingszahlen alle EU-Staaten einen Teil aufnehmen müssten. Dieser Punkt stand bisher bei vielen Debatten im Vordergrund.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sagte auf die Frage, ob eine Einigung über die Verteilung bis Juni möglich sei, "der europäische Geist und Geist der Solidarität werden sich durchsetzen". Bei dem Problem geht es den Worten des Kommissars zufolge ohnehin weitgehend um die Innenpolitik in den jeweiligen Ländern.

Unterdessen forderte ein Bündnis von Verbänden und Organisationen die EU zu einer Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik auf. In einer Mitteilung, die unter anderem vom Paritätischen Gesamtverband, von Diakonie und Caritas, Pro Asyl und dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst unterzeichnet ist, fordern die Verbände einen weiterhin unbeschränkten Zugang zum Asylverfahren mit einer inhaltlichen Prüfung des Asylgesuchs in Europa. Sie lehnen insbesondere eine verpflichtende Drittstaatenregelung ab, die gleichzeitig mit der Absenkung von Standards für die Sicherheit der Flüchtlinge in diesen Staaten verbunden werden soll.

Lilie: Rechliche Standards müssen erhalten bleiben

"Die geltenden völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und europarechtlichen Standards für Flüchtlinge müssen erhalten bleiben. Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz - auch in Europa", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Die aktuellen Bemühungen zur Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems dürften nicht zu einer Auslagerung des Flüchtlingsschutzes in die ohnehin stärker belasteten Krisen- und Transitstaaten führen.

In der EU müsse weiterhin um eine faire Verteilung der Schutzsuchenden gerungen werden. "Nur wenn hier eine gute Lösung gefunden wird, kann Europa seiner weltweiten Verantwortung gerecht werden", betonte der Diakoniechef.

"Menschen, die vor Krieg, Terror und Verfolgung fliehen, brauchen Schutz in Europa", erklärte der Vorsitzende des federführenden Paritätischen Gesamtverbandes, Rolf Rosenbrock.

Philipp Saure


Arbeitsmarkt

"Die Flucht macht uns nicht aus"




Die umstrittene Integrations-Kampagne wirbt mit traumatischen Erfahrungen von Flüchtlingen.
epd-bild/social-bee
Eine Flucht nach Europa macht stressresistent und teamfähig, weiß das Münchner Start-up "Social Bee". Mit einer provokanten Kampagne wirbt es für Flüchtlinge als Arbeitnehmer. Doch was sagen eigentlich Geflüchtete selbst dazu?

Aufrechte Haltung, wacher und selbstbewusster Blick - bereit, sich in einem Bewerbungsgespräch zu beweisen: "Ich bin teamfähig", will Zeray aus Eritrea überzeugen: "Ich habe mit 85 Menschen in einem kleinen Schlauchboot überlebt." Bangalie aus Sierra Leone weiß: "Ich bin zielorientiert: Auf der Flucht war ich drei Monate lang zu Fuß unterwegs." Und Qutayba aus Syrien ist "stressresistent": "Auf der Flucht wurde ich verhaftet und mehrere Tage verhört."

Zeray, Bangalie und Qutayba sind alle Flüchtlinge in Deutschland, alle wollen sie einen Job. Menschen wie ihnen will das Münchner Unternehmen "Social Bee" helfen. Mit der neuen Werbekampagne wirbt das Start-up mit Flüchtlingen als kompetente Arbeitnehmer. Laut "Social Bee" suchen mehr als 500.000 Flüchtlinge in Deutschland eine Arbeitstelle - vergeblich.

2.000 Plakate und vier Videoclips

Mit mehr als 2.000 Plakaten und vier verschiedenen Videoclips im Internet wolle "Social Bee" in Großstädten wie Hamburg, Berlin und Frankfurt am Main "ein generelles Umdenken" bei Arbeitgebern erreichen. Menschen, die eine Flucht hinter sich haben, seien keine schwächeren Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt, sagt Gründer Maximilian Felsner. "Das Erlebte kann sich in eine Stärke verwandeln." Das Start-up arbeitet wie eine Zeitarbeitsfirma: Felsner und sein Team stellt Flüchtlinge ein, bereitet sie mit Deutsch- und berufsbegleitenden Kursen vor und leitet sie an eine Arbeitsstelle weiter.

In der Frankfurter Beratungsstelle für Flüchtlinge "Der Laden" sitzt Aaron Abraham im Deutschkurs. Auch er möchte so schnell wie möglich wieder einen Job. "Diese Männer arbeiten vielleicht mehr als andere und suchen neue Wege", sagt er und nickt zustimmend, als er die Motive von "Social Bee" sieht. Der 35-Jährige ist vor zweieinhalb Jahren nach Deutschland geflohen. In Syrien war er Englischlehrer, auch hier möchte er so schnell wie möglich wieder in seinen Beruf: "Ich möchte arbeiten und Steuern zahlen", sagt Abraham.

Tirhas Michael, die mit 13 Jahren aus Eritrea nach Deutschland kam, spricht zwar das Selbstbewusstsein der Männer auf den Plakaten an, nicht jedoch die Botschaft. "Die Sprüche drücken Flüchtlinge in eine Opferrolle", sagt sie. Dabei hätten sie wahrscheinlich wesentlich mehr zu bieten als nur ihre Flucht. "Die macht uns nicht aus. Jeder Mensch ist unterschiedlich, hat seine Stärken und Schwächen", sagt Michael.

"Die Menschen werden herabgestuft"

"Nur weil jemand eine Situation mit über 80 Menschen in einem kleinen Schlauchboot überlebt hat, ist er noch lange nicht teamfähig", sagt Bianka Huber, Projektleiterin der Beratungsstelle. Beim Anblick der Kampagne verschränkt sie ablehnend die Arme vor der Brust. Die Bildung und Fähigkeiten, die Flüchtlinge im Herkunftsland erworben haben, lasse die Werbung unberücksichtigt, kritisiert sie. "Die Menschen werden herabgestuft." Die Flucht bekomme zu viel Bedeutung. "So kriegt man keinen Arbeitgeber dazu, einen Flüchtling einzustellen", weiß die 50-Jährige aus Erfahrung.

Der Wirtschaftspsychologe Joost van Treeck ist da anderer Meinung: Die Kampagne sei ein Sprachrohr für Flüchtlinge, das ihnen sonst aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse und Kontakte in die Medien verwehrt bliebe. Besonders einfallsreich sei die Werbung dennoch nicht, weil sie klassisch mit Überraschung und Emotionen arbeite. Sie verbinde traumatische Fluchterlebnisse mit positiven Eigenschaften im Arbeitsleben, was man normalerweise nicht erwarte. Das Ergebnis: Der Flüchtling wird zum sympathischen und wertvollen Arbeitnehmer. "Die Kampagne bedient die Trickkiste des Aufmerksamkeit-Erlangens hervorragend", sagt van Treeck.

Patricia Averesch


Koalitionsverhandlungen

Grenzen für Rentenniveau und Beiträge festgelegt



Union und SPD haben sich bei ihren Koalitionsverhandlungen auf feste Grenzen für Rentenniveau und Rentenbeiträge verständigt. Wie SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles am 1. Februar in Berlin sagte, wurde "einmütig" verabredet, das Rentenniveau bei 48 Prozent bis zum Jahr 2025 festzuschreiben. Ohne diesen Schritt würde das Niveau bis dahin auf 46 Prozent sinken. Die Beiträge sollten in dem Zeitraum ebenfalls stabilisiert werden und künftig maximal bei 20 Prozent liegen.

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann (CDU) wird eine Grundrente eingeführt für all jene, die mindestens 35 Jahre lang Beiträge eingezahlt haben. Diese Grundrente soll zehn Prozent mehr betragen als die Grundsicherung. Damit werde die "Lebensleistung" der Rentner berücksichtigt.

Aus welchen Geldtöpfen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut genau bezahlt werden, wird erst im Gesetzgebungsprozess festgelegt. Laut Nahles sollen sie unter anderem aus Steuern finanziert werden.



Sozialstaat

Interview

Politikwissenschaftler: Wohlfahrtspflege sollte stärker auf Prävention setzen




Wolfgang Schroeder
epd-bild/David Ausserhofer
Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder warnt vor den sozialen Risiken einer beschleunigten wirtschaftlichen Entwicklung, in deren Zentrum die Digitalisierung steht. Die Wohlfahrtspflege sollte Menschen, die in diesem rasanten Prozess nicht mitkommen, gezielt stärken, um sich in dieser neuen Welt besser zurechtzufinden.

Wolfgang Schroeder plädiert für einen Wandel des deutschen Sozialstaates. Er sollte mehr in die frühe Förderung und die Qualifikation von Menschen investieren. "Soziale Arbeit ist ein Trampolin für neue individuelle Perspektiven", sagte der Kasseler Politikwissenschaftler und frühere Staatssekretär im Interview. Die Wohlfahrtspflege sei gefordert, auf dem Feld der Prävention "neue und bessere Lösungen anzubieten". Mit Schroeder sprach Markus Jantzer.

epd sozial: Herr Professor Schroeder, jeder dritte Euro, der in Deutschland erwirtschaftet wird, fließt in den Sozialstaat. Dennoch ist die Bevölkerung laut Umfragen mehrheitlich der Auffassung, dass es in Deutschland nicht gerecht zugeht. Was stimmt hier nicht?

Wolfgang Schroeder: Das von ihnen beschriebene Paradox hat seine Wurzeln in einem Prozess der Entkopplung von wirtschaftlichen und sozialen Effekten. Konkret gesprochen: Trotz gesamtwirtschaftlichem Erfolg kommt es in Deutschland seit einigen Jahren nicht zu einem Abbau der sozialen Ungleichheit. Das ist die Lage, in der sich die Bundesrepublik befindet. Zwar ist die statistisch messbare Ungleichheit seit 2005 nur in geringem Maße gewachsen, aber sie ist trotz eines vergleichsweise starken und vor allem langen Wachstums des Exportweltmeisters auch nicht kleiner geworden. In einzelnen Bereichen wie bei der Kinderarmut und bei den Alleinerziehenden hat sich die Lage sogar deutlich verschlechtert. Auf die Herausforderungen der neuen sozialen Risiken ist weder unsere Gesellschaft noch der Sozialstaat bisher hinreichend eingegangen.

epd: Einrichtungen und Dienste, die soziale Arbeit leisten, werden von Kritikern abschätzig als Reparaturbetriebe einer Ellenbogengesellschaft beurteilt? Was antworten Sie auf eine solche Charakterisierung?

Schroeder: Da ist schon etwas dran. Denn wären die Verhältnisse gerechter, dann bräuchte es viele der Aktivitäten der sozialen Arbeit nicht. Zugleich haben die Einrichtungen der sozialen Dienste den Anspruch, weitaus mehr als Reparaturbetriebe zu sein. Sie wollen die Basis für eine kooperative Gesellschaft sein. Wenn Kinder von Anfang gefördert werden, dann ist das nicht Reparatur, sondern Ermöglichung. Soziale Arbeit ist ein Trampolin für neue individuelle Perspektiven.

epd: Die Gesellschaft steht aufgrund von Überalterung, Migration und einer zunehmenden Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen massiv unter Druck. Wie lässt sich eine Überforderung des Sozialsystems verhindern?

Schroeder: Der wirksamste Schutz gegen Überforderung in unserem Sozialsystem ist gute Erwerbsarbeit. Denn unser Sozialstaat baut finanziell und programmatisch primär auf Erwerbsarbeit auf. Übrigens ist unser Problem nicht die Überalterung, sondern die unzureichende Verjüngung. Der Jahrgang 1964 ist etwa 1,2 Millionen Menschen stark; heute umfasst ein Altersjahrgang nur noch etwa halb so viele Menschen.

epd: Wie kann die Sozialbranche neue Herausforderungen bewältigen, ohne bisherige Aufgaben zu vernachlässigen?

Schroeder: Ein guter Sozialstaat verändert sich und wächst mit dem Wandel der Gesellschaft. Daran wird auch deutlich, dass der Sozialstaat nicht einfach Reparatur ist, sondern ein ermöglichender Teil einer modernen, komplexen Gesellschaft. Das Ziel des Sozialstaates ist ja neben dem Schutz – was am ehesten in Richtung Reparatur geht – die Beteiligung und die Förderung. Beispielsweise kann die Förderung familien- und kinderfreundlicher Strukturen dazu beitragen, dass Männer und Frauen eine partnerschaftliche Beziehung leben.

epd: Wie gelingt es im Zusammenwirken mit Wohlfahrtseinrichtungen, Menschen vor drohender Prekarisierung und Ausgrenzung zu bewahren?

Schroeder: Grundsätzlich sollte unser Sozialstaat so früh und so intensiv wie möglich Menschen fördern. Droht jedoch der individuelle Absturz, dann ist das engagierte Zusammenwirken verschiedener Akteure wichtig, um Schlimmeres zu verhindern und neue Perspektiven aufzumachen. Häufig ist dies gar nicht so einfach, weil die dafür benötigten Akteure meist verschiedenen Hilfs- und Fördersystemen angehören: Beispielsweise bewegen sich die Schulsozialarbeiter zwischen Jugendhilfe und Schulamt.

epd: Wie bewerten Sie die präventive Sozialarbeit der konfessionellen Wohlfahrtseinrichtungen? Wo müssen sie besser werden?

Schroeder: Die konfessionellen Wohlfahrtsverbände haben schon einiges auf die Beine gestellt für die neue Sozialpolitik – sowohl programmatisch wie als auch projektorientiert. Programmatisch durch die Aufnahme des Befähigungsansatzes. Projektorientiert, indem sie sich darum kümmern, eine bessere individuelle Förderung zu gestalten, die alte eingetretene Pfade verlässt. Manchmal sind sie proaktiv, so dass sich die kommunale Sozialpolitik daran ein Beispiel nehmen kann. Manchmal sind sie auch zu zögerlich, zu wenig ambitioniert und zu reaktiv, um neue und bessere Lösungen anzubieten.

Von den Wohlfahrtsverbänden kann die Gesellschaft nicht nur angesichts ihrer Größe und Bedeutung soziale Innovationen erwarten. Zudem haben sie in den sozial-moralischen Programmen ihrer Herkunftsorganisationen, also der Kirchen, ja durchaus auch eigene Motivationen und internationale Einbindungen, aus denen sie Impulse beziehen könnten, um besser zu werden und innovativer zu wirken.

epd: Menschen ohne eine fundierte berufliche Qualifikation haben – anders als noch vor 30 Jahren – fast keine Chance, dauerhaft einer auskömmlichen Erwerbsarbeit nachzugehen. Für sie ist sozialer Abstieg eine ernste Gefahr. Was ist zu tun? Und welche Rolle sollte hier die Sozialbranche einnehmen?

Schroeder: Ganz zentral ist die Motivation und der Aufbau von Qualifikationen: Es geht also darum, zu ermutigen und zu aktivieren, damit sich Menschen etwas trauen. Neben der Ermutigung kann eine sozialräumlich angelegte Sozialarbeit die Menschen auch aus ihrem Umfeld heraus an bestimmte neue Herausforderungen heranführen. Wer einen Hochschulabschluss hat, läuft zu etwa drei Prozent Gefahr, arbeitslos zu werden. Mit Berufsabschluss liegt dieser Wert bei fünf Prozent und ohne Abschluss bei 20 Prozent. Qualifikationen sind aber ein sehr komplexes Problem.

epd: Die digitale Revolution durchdringt das Arbeitsleben, aber auch unser Privatleben und unsere sozialen Beziehungen. Wer nicht mitkommt, wird abgehängt. Wie können hier, auch mit Hilfe der Wohlfahrtspflege, gesellschaftlicher Ausschluss und Elend verhindert werden?

Schroeder: Da befinden wir uns noch am Anfang. Die Chancen sind offensichtlich, die Gefahren scheinbar weniger. Dabei können sie die Gesellschaft in einer nicht gekannten Weise polarisieren. Wie das zu verhindern wäre, ist unklar. Klar ist aber, dass alle mit anpacken müssen. Da geht es um Arbeitsplätze, Qualifikationen, Entgrenzungen, faire und nicht Hass schürende Kommunikation, aber auch um datenschutzrechtliche Fragen. Eine vernetzte, immer transparentere Gesellschaft gefährdet auch ihre freiheitlichen Grundlagen. Und sie kann die Individuen überfordern. Die Wohlfahrtspflege sollte Menschen, die in diesem rasant beschleunigten Prozess nicht mitkommen, unterstützen, um sich besser zurechtzufinden. Um sie zu unterstützen, kann die Wohlfahrtspflege an der Lebensführung ansetzen, Schwellenängste überwinden und durch niedrigschwellige Angebote dazu beitragen, dass Menschen sich in der digitalen Gesellschaft selbstbewusster bewegen.

epd: Welche Verbesserungen der Infrastruktur sind erforderlich, um Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld besser zu erreichen?

Schroeder: Es geht nicht nur um bessere und freie Internetzugänge. Das ist lediglich die technische Seite. Es geht vor allem um die soziale Dimension, also um eine bessere Beratung, um Coaching und Empowerment. Andernfalls besteht die Gefahr, dass es in Deutschland mit der Digitalisierung so ähnlich läuft wie in der Bildungsfrage: Dass nämlich der Zugang zur digitalen Kompetenz so wirkt, dass sich am Ende die Spaltung der Gesellschaft vertieft.

epd: Wie beurteilen Sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Ländern? Was können wir vom Ausland in Bezug auf Achtsamkeit, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement lernen?

Schroeder: Ein besonderes Interesse gilt dabei den nordischen Ländern, wo trotz aller Rückschläge und Fehlentwicklungen, die wir auch dort beobachten können, ein reichlicher Fundus an interessanten Beispielen für soziale Innovationen zu finden ist. Beim Lernen von Partnern geht es ja häufig auch darum, zu verstehen, warum man selbst einen anderen Weg eingeschlagen hat. Das wird nämlich im Vergleich etwas deutlicher, als wenn man nur das eigene Land betrachtet.

Seltener gelingt es, soziale Innovationen eins zu eins zu importieren. Aber gerade im Bereich der Sozialen Arbeit haben wir auch viele Anleihen aus dem angelsächsischen Kosmos bekommen: nicht zuletzt die Ideen und Methoden, die sich mit den Begriffen Empowerment, Gemeinwesenarbeit und sozialräumlicher Ansatz verbinden. Das Lernen von anderen setzt die Einsicht in die Verbesserungsbedürftigkeit der eigenen Institutionen, Verfahren und Praxis voraus und bedarf einer gewissen Neugierde. Das sind auch zugleich wichtige Zutaten, um den Sozialstaat auf Augenhöhe zu den gegenwärtigen gesellschaftlichen Tendenzen weiter zu entwickeln.



Kirchen

Hochschulen starten Netzwerk für innovative Forschung



Die Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe und die Katholische Hochschule NRW haben ein gemeinsames Projekt zu sozialen Innovationen gestartet. Das Transfernetzwerk Soziale Innovation "s_inn" der beiden Hochschulen befasse sich mit sozialen, pflegerischen, gesundheitswissenschaftlichen und gemeindepädagogischen Fragen, teilten die Hochschulen am 29. Januar in Bochum mit. Dazu gehörten etwa die Gestaltung einer alternden Gesellschaft, die Integration von Flüchtlingen und Menschen mit Behinderungen sowie Initiativen gegen eine zunehmend auseinanderdriftende Gesellschaft.

Mit Hilfe einer geplanten Agentur für Transfer und Soziale Innovation und den beteiligten "Innovation-Labs" sollen Kenntnisse aus der Forschung sichtbarer gemacht und die Gesellschaft stärker an der Entwicklung neuer Fragestellungen beteiligt werden, erklärten die Hochschulen. Ermöglicht werde das Vorhaben durch das Programm "Innovative Hochschule", das von Bund und Ländern gefördert wird.

Das Projekt solle soziale Innovationen schaffen, die auf christlich-humanistischen Werten beruhten, erklärten die Hochschulen. Damit solle an der Veränderung der Gesellschaft aktiv mitwirkt werden. Durch den Verbund würden vorhandene Transferaktivitäten gebündelt, stärker sichtbar und nutzbar gemacht und darüber umfassend ausgebaut, hieß es. Mit den fünf Standorten Aachen, Bochum, Köln, Münster und Paderborn deckten die beiden Hochschulen alle Regionen des einwohnerstärksten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen ab.



Sachsen

1,4 Millionen Euro für die Telemedizin



Sachsen setzt im Gesundheitsbereich stärker auf digitale Angebote. Dazu habe Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU) der Technischen Universität Dresden rund 1,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, teilte ihr Ministerium am 29. Januar in Dresden mit. In einem Projekt wolle die Hochschule damit ein digitales System erforschen, das Behandlung und Lebensqualität von Epileptikern verbessern soll.

Konkret will die Hochschule demnach untersuchen, welche Daten und Merkmale eines Patienten ein derartiges System an den behandelnden Arzt übermitteln sollte. Ziel sei eine "bestmögliche telemedizinische Behandlung" auch dann, wenn der Arzt räumlich vom Patienten getrennt sei. Zudem solle das System in der Lage sein, vor bevorstehenden epileptischen Anfällen zu warnen. Insgesamt wollen die Forscher erreichen, dass "die Betroffenen ein weitgehend normales Leben im Alltag führen können", hieß es weiter.

Das Geld stammt demnach aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Aus dem Topf stehen dem Freistaat von 2014 bis 2020 demnach insgesamt 28 Millionen Euro zur Förderung innovativer Vorhaben in der Gesundheits- und Pflegewirtschaft zur Verfügung.




sozial-Branche

Diakonie

Ausschluss aus kirchlichem Verband wegen anrüchigem Finanzgebaren




Ausgeschlossene Träger dürfen nicht mehr mit Diakonie-Logos werben.
epd-bild/Diakonie Deutschland
In Berlin ist der Streit mit dem Diakoniewerk Bethel eskaliert: Wegen schwerer Vorwürfe gegen die Manager hat der kirchliche Wohlfahrtsverband die Reißleine gezogen. Es ist nicht das erste Mal, dass in der Diakonie eine Mitgliedschaft gekündigt wird.

Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz hat ernst gemacht und zu seinem schärfsten Sanktionsinstrument gegriffen: Der Landesverband hat beschlossen, das Diakoniewerk Bethel als Mitgliedsunternehmen aus der diakonischen Gemeinschaft auszuschließen, wie der Verband am 26. Januar in Berlin mitteilte. Im Fall des Ausschlusses darf sich der Sozialträger unter anderem nicht mehr als Diakoniewerk bezeichnen, denn Namen und Marke "Diakonie" darf nur tragen, wer Mitglied im Diakonie-Dachverband ist.

Der Fall geht jedoch in eine weitere Runde: Der Bethel-Vorstand hat nach Angaben des Landesverbandes Einspruch gegen die Entscheidung des Diakonischen Rates, des höchsten Aufsichtsgremiums des Diakonieverbandes, eingelegt. Dies würde den Ausschluss des evangelisch-freikirchlichen Sozialträgers zumindest verzögern. Eine endgültige Entscheidung werde dann die Mitgliederversammlung des Diakonieverbandes voraussichtlich im September fällen, teilte der Verband mit.

Der Diakonische Rat sei in seiner Beratung am 25. Januar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vorwürfe gegen das Diakoniewerk Bethel nicht hinreichend ausgeräumt worden seien. Der Träger mit Sitz in Berlin steht seit Monaten wegen des Umgangs mit den eigenen Finanzen in der Kritik. Das Diakoniewerk Bethel betreibt unter anderem ein Krankenhaus in Berlin und Pflegeeinrichtungen. Das freikirchliche Sozialunternehmen hat nichts mit den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel mit Sitz in Bielefeld zu tun.

Um Schadensbegrenzung bemüht

Die bundesweit 17 diakonischen Landesverbände haben das Recht, untragbare Mitglieder aus dem kirchlichen Verband zu entfernen. Ihre Satzungen geben dies her. In der Praxis ist diese scharfe Sanktion extrem selten, wie der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Baden, Urs Keller, dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. "Ich habe in meiner sechsjährigen Amtszeit noch nicht zu diesem Mittel greifen müssen."

Mit einem Rauswurf will der Berliner Verband Schaden von den übrigen Mitgliedsbetrieben abwenden. Bethel-Vorstand Karl Behle soll sich unter anderem Pensionsansprüche in Millionenhöhe verschafft haben. Insgesamt befand die diakonische Aufsicht, dass die Struktur von Bethel nicht geeignet sei, die Grundsätze guter Unternehmensführung in der Diakonie sicherzustellen.

Das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und der Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) der Baptisten, mit dem das Diakoniewerk Bethel in einer sogenannten Bekenntnisgemeinschaft verbunden ist, hatten in den vergangenen Monaten mehrfach zur Aufklärung der Vorwürfe aufgerufen. Gefordert wurden zudem Veränderungen in der Organ- und Aufsichtsstruktur.

Nicht der erste Ausschluss in Berlin

Der Berliner Verband hat schon einmal eine Mitgliedseinrichtung ausgeschlossen. Im Jahr 2010 setzte er die Treberhilfe vor die Tür. Der damalige Geschäftsführer der gemeinnützigen Obdachlosenorganisation, Harald Ehlert, hatte sich zuvor etliche Kapriolen erlaubt: Er hatte sich einen Maserati als Dienstfahrzeug und ein Jahresgehalt von weit über 300.000 Euro geleistet.

Diakonieunternehmen mussten auch schon aus anderen Gründen die Gemeinschaft verlassen. Die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe, deren 5.000 Mitglieder in ganz Nordrhein-Westfalen sowie in Teilen von Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland ihren Sitz haben, musste nach den Worten ihres Vorstandes, Thomas Oelkers, "insbesondere bei Verstößen gegen das kirchliche Arbeitsrecht" mit Ausschluss drohen. Er sei aber "sehr selten" vollzogen worden. "In der Regel wird versucht, eine tragfähige Lösung zu finden", sagt Oelkers.

Besonders scharf waren die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen vor einigen Jahren in Bremen. Das größte Diakonieunternehmen in der Hansestadt, die Stiftung "Friedehorst", hat in dem erbitterten Streit ein Urteil des obersten evangelischen Kirchengerichts hartnäckig ignoriert - ohne dass dies für das Unternehmen Sanktionen zur Folge hatte.

Erbitterter Streit um Arbeitsbedingungen

Die Stiftung mit 1.400 Beschäftigten setzte seit 2005 in großem Umfang dauerhaft Leiharbeiter ein, um die Lohnkosten zu drücken. Der Kirchengerichtshof hatte bereits 2006 entschieden, dass dies nach kirchlichem Arbeitsrecht nicht erlaubt ist, und untersagte dem Unternehmen diese Praxis. Die Stiftung weigerte sich jedoch viele Jahre, dem Urteil zu folgen. Erst nach einem Wechsel im Vorstand beendete das Unternehmen Anfang 2013 die Leiharbeit und die damit verfolgte Tarifflucht.

Einen ähnlich gelagerten Fall gab es in Niedersachsen. Wegen Lohndrückerei und Rufschädigung wollte der Diakonieverband 2012 das Evangelisch-Lutherische Wichernstift in Ganderkesee nicht länger als Mitglied dulden. Denn das Unternehmen hatte, als es in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, von allen Mitarbeitern einen Lohnverzicht gefordert. Beschäftigte, die sich weigerten, wurden an den Pranger gestellt: Der Vorstand ließ ihre Namen in öffentlichen Listen aushängen.

Die Diakonie reagierte auf den Skandal mit einem Verbandsausschluss, das Unternehmen klagte dagegen und bekam vor Gericht recht. Aus formalen Gründen, wie es in der Begründung der Richter hieß.

Markus Jantzer, Yvonne Jennerjahn


Kirche

Festakt zur Fusion diakonischer Träger in Berlin



Mit einem Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche ist am 31. Januar in Berlin die Fusion von Evangelischem Johannesstift und Paul Gerhardt Diakonie gefeiert worden. Das neue diakonische Gesundheits- und Sozialunternehmen mit dem Namen Paul Gerhardt Diakonie gAG war zum 1. Januar 2018 gegründet worden und hat rund 8.600 Mitarbeiter. Es ist neben dem Schwerpunkt in der Region Berlin-Brandenburg auch in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen tätig.

Berlins evangelischer Bischof Markus Dröge erinnerte vor rund 400 an den christlichen Auftrag des neuen Trägers. Die Fusion schaffe die Möglichkeit, wirtschaftlich handlungsfähig bleiben. So bleibe die Chance gewahrt, die "christliche Kultur" zu leben, sagte der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Auch das neue Unternehmen solle sich die ganzheitliche Betrachtung des Menschen und den "liebevoll-wertschätzenden Blick auf die, die schwach und krank sind" bewahren.

Der neue Träger verfügt über zehn Krankenhäuser mit rund 5.000 Mitarbeitern, rund 30 Einrichtungen zur Betreuung älterer Menschen und mehr als 40 Einrichtungen in der Jugendarbeit. Hinzu kommen zahlreiche Angebote für Menschen mit Behinderung, Inklusionsbetriebe, Hospizarbeit, zwei Akademien zur Ausbildung sowie Angebote zur Personalentwicklung und -vermittlung. Hintergrund der Fusion sind auch die Herausforderungen in der Gesundheits- und Sozialbranche, die mit dem hohem Kostendruck verbunden sind. Beide Träger könnten dies zusammen besser auffangen, als wenn es jeder einzeln macht, hieß es zur Begründung des Zusammenschlusses.

Der Umsatz des künftigen Unternehmens liege bei 580 Millionen Euro im Jahr, im Krankenhausbereich allein seien es rund 400 Millionen Euro. Aufsichtsratsvorsitzender ist der frühere Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und heutige Juristische Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung, Ulrich Seelemann. Die Paul Gerhardt Diakonie gAG ist Mitglied im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.



Jugendhilferecht

Interview

"Reform des Sozialgesetzbuches VIII bleibt offen"




Marion Schulte
epd-bild/Caritas Münster
Die Reform des "Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG)" sollte eigentlich schon im Januar in Kraft treten. Doch der Bundesrat hat das Vorhaben noch nicht beraten. Das Reformvorhaben liegt auf Eis. Wie es damit weitergeht, ist völlig offen, sagt Marion Schulte vom Diözesan-Caritasverband Münster im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). So bleibe den Fachverbänden immerhin noch Zeit, um für weitere Änderungen an dem Projekt zu werben.

Marion Schulte sieht Licht und Schatten bei der von der noch im Amt befindlichen Bundesregierung geplanten Reform des Sozialgesetzbuches VIII. Sorgen bereiten Schulte vor allem die angedachten Öffnungsklauseln für die Bundesländer im Bereich der Betreuung von jungen Flüchtlingen. Die Länder wollten sparen - und das könnten sie nach der Reform auch tun: "Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind Tür und Tor für eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe geöffnet", warnt die Expertin. Mit ihr sprach Dirk Baas.

epd sozial: Der Bundesrat hat im September erneut keine Entscheidung über das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen getroffen. Die Reform liegt auf Eis. Ist das nicht angesichts der vielen Kritikpunkte von Experten nicht eine gute Nachricht?

Marion Schulte: Die Bundesregierung will eine umfassende Reform des Sozialgesetzbuches VIII, insbesondere mit Blick auf die seit langem geforderte Einbeziehung der Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen in das Kinder- und Jugendhilfegesetz. Gleichzeitig sieht das Gesetz aber massive Eingriffe in die Standards der Jugendhilfe vor. Aufgrund der deutlichen Kritik der Fachverbände konnte das ursprüngliche Reformvorhaben abgewehrt wurde. Das bewerten wir zunächst als Erfolg.

epd: Wie ging es dann weiter?

Schulte: Die Bundesregierung hat dann eine "kleine" SGB VIII-Reform vorgelegt, die Experten in einigen Punkten weiterhin Sorgenfalten ins Gesicht schreibt. Dieses erneute Reformvorhaben wurde noch vor der Bundestagswahl im Bundestag verabschiedet und liegt seitdem im Bundesrat zur Entscheidung vor. Am 22. September wurde der Gesetzesentwurf von der Tagesordnung der Länderkammer genommen und wurde bisher nicht wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Der Bundesrat könnte jedoch weiterhin über das Vorhaben auch nach der Konstituierung des 19. Deutschen Bundestages entscheiden.

epd: Rechnen Sie mit einer Wiedervorlage durch die irgendwann agierende neue Bundesregierung?

Schulte: Ob ein künftiges Kabinett dieses Vorhaben noch einmal anfasst, bleibt abzuwarten.

epd: Jetzt herrscht zunächst Stillstand in Berlin. Lässt sich diese Zeit nutzen, um auf die Gesetzesinhalte noch mal in Ihrem Sinne Einfluss zu nehmen?

Schulte: Man muss abwarten, wann und wie der Bundesrat über den Gesetzesentwurf entscheidet. Das Reformvorhaben ist zum jetzigen Zeitpunkt Ländersache. In Nordrhein-Westfalen sind alle fachlichen Argumente mit der Landesregierung ausgetauscht. Die Gespräche werden zwischen der Liga der Freien Wohlfahrtspflege und den Verantwortlichen für die Jugendhilfepolitik weitergeführt.

epd: Und auf Bundesebene?

Schulte: Dort beobachten die Bundesfachverbände weiter das Gesetzgebungsverfahren und bringen sich mit einer abgestimmten Lobbyarbeit aktiv ein. Möglich ist natürlich auch, dass eine neue Bundesregierung sich noch einmal das grundsätzliche Anliegen der umfassenden Reform des SGB VIII vornimmt. Dann wären alle Akteure der Jugendhilfe auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene wieder aufgefordert, sich politisch für eine Weiterentwicklung und den Standarderhalt des jetzigen SGB VIII einzusetzen.

epd: Was genau ist das Ziel des Gesetzes und was gibt es Grundlegendes daran auszusetzen?

Schulte: Die wesentlichen Eckpunkte im Gesetzesentwurf sind die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Jugendämtern und Ärzten mit Blick auf den Kindesschutz, eine wirksamere Heimaufsicht und mehr Schutz von Kindern und Jugendlichen in Flüchtlingsunterkünften. Auch soll die Inklusion als Leitprinzip festgeschrieben und Ombudsstellen neu geschaffen werden.

epd: Klingt doch alles vernünftig...

Schulte: Ja, in einigen Punkten stimmt die Fachwelt mit dem Reformvorhaben überein, insbesondere beim besseren Kindesschutz. Auch die Möglichkeit zur Einrichtung von unabhängigen Ombudsstellen, die Unterstützung und Beratung bei Hilfeansprüchen und in Beschwerdesituationen anbieten, halten wir für eine deutliche Stärkung der Rechte von Betroffenen. Mit Sorge sehen wir aber, dass der Gesetzesentwurf auch Weichenstellungen enthält, die kritisch zu bewerten sind.

epd: Wo lauern Gefahren?

Schulte: Insbesondere sind mit der geplanten Länderöffnungsklausel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind Tür und Tor für eine Zwei-Klassen-Jugendhilfe geöffnet. Der Gesetzgeber will den Ländern eigene Steuerungsmöglichkeiten für die Betreuung und Versorgung dieser jungen Menschen einräumen. Das wird in einigen Bundesländern zu einem Standardabbau führen. Und wir befürchten, dass durch die Regelungen zur Aufsicht der Einrichtungen der Erziehungshilfe durch die Landesjugendämter die bisher auf Vertrauen und Dialog basierende Zusammenarbeit negativ beeinflusst wird. Hier bleibt aber abzuwarten, wie die Landesjugendämter mit diesem neu formulierten Auftrag im operativen Geschäft umgehen.

epd: Was bedeutet die Anwendung der Öffnungsklauseln ganz konkret für die Jugendhilfe vor Ort?

Schulte: Sollte die Bundesregierung Länderöffnungsklauseln zukünftig verstärkt in den Gesetzgebungsverfahren nutzen, sehen wir darin die Gefahr, dass dies bundesweit zu unterschiedlichen gesetzlichen Ausführungsbestimmungen und damit zur Schwächung des bisher leistungsstarken SGB VIII führt. Je nach Kassenlage können die Bundesländer von der mit Öffnungsklauseln verbundenen neuen Steuerungsmöglichkeit zulasten der Hilfeempfänger Gebrauch machen. Für die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien hätte das zur Folge, dass ihre Leistungsansprüche nicht in allen Bundesländern gleich sind. Die Qualität der Hilfen zur Erziehung ist dann vom Wohnort abhängig. Unter Umständen ist damit eine Ungleichbehandlung im vorprogrammiert.

epd: Wo gibt es weiteren Korrekturbedarf?

Schulte: Vor allem beim Thema Inklusion. Hier erwartet die Fachwelt, auch vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention, konkrete gesetzliche Regelungen zur Umsetzung dieser Herausforderung von Jugendhilfe und Behindertenhilfe unter einem Dach. Doch der vorliegende Gesetzentwurf erhält lediglich Leitprinzipien. Konkrete Handlungsoptionen fehlen komplett. Das macht deutlich, dass wir noch weit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt sind.

Marion Schulte ist Referentin für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe im Diözesan-Caritasverband Münster.


Pflege

Bündnis aus Pflegeträgern fordert radikale Reform




Bernhard Schneider
epd-bild/Evangelische Heimstiftung
Die bundesweite Initiative "Pro-Pflegereform" fordert eine grundlegend neue Pflegepolitik. dazu gehört die Einführung einer Pflegevollversicherung sowie die Aufhebung der Grenzen zwischen "ambulant" und "stationär".

Das Bündnis, dem sich nach eigenen Angaben bundesweit mehr als 120 Träger mit mehr als 1.000 Einrichtungen sowie Verbände der Pflegebranche angeschlossen haben, appellierte in einem am 30. Januar in Stuttgart veröffentlichten Brief an die Bundespolitik, "Pflege für alle bezahlbar zu machen". Dazu müsse die derzeitige gesetzliche Pflegeversicherung abgelöst werden durch eine "Pflegevollversicherung mit fixem Eigenanteil".

Bei dem vorgeschlagenen Systemwechsel bezahlen die Pflegebedürftigen einen festen Sockelbetrag, die Pflegeversicherung übernimmt alle darüber hinausgehenden, notwendigen Pflegekosten. Der Vorteil dieses Finanzierungssystems ist nach den Worten von Bernhard Schneider, dem Sprecher der Initiative und Hauptgeschäftsführer der Evangelischen Heimstiftung: "Der Eigenanteil wird für die Bürger kalkulierbar, kann so abgesichert werden und mindert damit das Risiko der Altersarmut." Derzeit seien rund 450.000 Pflegebedürftige auf Sozialhilfe angewiesen.

Außerdem spiele das derzeitige System Pflegebedürftige und Pflegende gegeneinander aus. Denn: Werden die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte verbessert, werden die Pflegebedürftigen zur Kasse gebeten, so Schneider. Umgekehrt gelte, dass bei einer Senkung der Pflegebeiträge bessere Arbeitsbedingungen nicht finanziert werden könnten. Der Grund: Die aktuelle Pflegeversicherung zahlt nur eine feste Pauschale und die deckt die Pflegekosten nicht ab.

"Immer mehr Menschen suchen verzweifelt und oft vergeblich nach einem Pflegedienst oder einem Pflegeheimplatz, weil qualifiziertes Personal fehlt", heißt es in dem Brief. Pflegekräfte kehrten ihrem Beruf den Rücken, weil die Arbeitsbedingungen oft unerträglich seien.

Die Initiative "Pro-Pflegereform" fordert, die Trennung zwischen ambulantem und stationärem Pflegeplatz zu überwinden. Mit dieser Trennung habe sich ein undurchsichtiges und ungerechtes Dickicht von Leistungen und Regelungen entwickelt. In Zukunft solle nur noch unterschieden werden zwischen "Wohnen" und "Pflege".

Nach Angaben der Initiative hat der Bremer Gesundheitswissenschaftler Heinz Rothgang das Reformkonzept in einem Gutachten untersucht. Er kam nach Angaben des früheren Vorsitzenden des diakonischen Fachverbandes Devap, Bernhard Schneider, zu dem Ergebnis: Die Strukturreform ist in zwei Stufen machbar und finanzierbar.

Nach Rothgangs Gutachten müsste bei Einführung einer Pflegevollversicherung der Pflegebeitrag um 0,7 Prozentpunkte erhöht werden, gibt die Initiative "Pro-Pflegereform" an. "Würde man die Pflegevollversicherung mit einem fixen und zeitlich begrenzten Eigenanteil von z.B. 300 Euro im Monat einführen, wären mit 0,7 Prozentpunkten deutliche Verbesserungen in der personellen Ausstattung möglich", erklärte Schneider.

Markus Jantzer


Pflege

Müntefering: Kommunen in der Seniorenpolitik stärken



Seniorenpolitik sollte nach Ansicht von Franz Müntefering, dem Vorsitzenden der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (Bagso), stärker Aufgabe der Kommunen sein. Während bei Kitas und Schulen Städte und Gemeinden für Organisation, Entwicklung und Ausbau zuständig seien, fehle eine solche klar geregelte Verantwortung in der Altenhilfe, sagte der SPD-Politiker am 29. Januar in Herne. Die Frage, wie viele Seniorenheime entstehen oder in welchem Umfang Wohnungen seniorengerecht umgebaut werden, überlasse man so den freien Kräften der Wirtschaft.

Kommunen müssten umfassende Konzepte und Strategien für die Versorgung von Senioren entwickeln und dafür auch finanzielle Hilfen vom Bund erhalten, sagte Müntefering auf einem Fachforum zum 7. Altenbericht der Bundesregierung. Zudem werde angesichts des demografischen Wandels die Bedeutung der Pflegebranche wachsen.

Die Bagso ist ein Zusammenschluss von mehr als 100 Seniorenverbänden. Ihnen gehören nach eigenen Angaben rund zehn Millionen Mitglieder an.



Kinder

Erste christlich-muslimische Kita startet in Gifhorn



Die nach Angaben der Initiatoren bundesweit erste christlich-muslimische Kindertagesstätte nimmt im Sommer im niedersächsischen Gifhorn ihren Betrieb auf. Im Zentrum des Vorreiter-Projektes stehe die Idee der Toleranz, sagte am 25. Janur der Vorsitzende des Planungskomitees, Martin Wrasmann. "Ganz praktisch sollen sich die Kinder ab August in der neuen Einrichtung beispielsweise damit auseinandersetzen, warum die einen Menschen Weihnachten, Ostern oder Ramadan feiern und die anderen eben nicht."

Bereits Anfang 2016 sei die Idee entstanden, und die Beteiligten hätten in der Folge einen Kooperationsvertrag unterzeichnet. Zum zwölfköpfigen Planungskomitee gehören jeweils drei Personen aus der katholischen Pfarrei St. Altfrid, der türkisch-islamischen Gemeinde zu Gifhorn und der evangelischen Dachstiftung Diakonie sowie jeweils ein Vertreter der Stadt Gifhorn, der evangelischen Kirche und einer weiteren Moschee. Eine feste jüdische Gemeinde, die sich ebenfalls beteiligen könnte, gebe es in Gifhorn nicht, sagte Wrasmann.

Hans-Peter Daub von der Dachstiftung Diakonie betonte, die Kinder und Familien sollten in der Kita "Abrahams Kinder" erleben, dass ihre religiösen Hintergründe wahrgenommen und ernstgenommen würden. Gerade muslimische Bürger hätten den Initiatoren berichtet, dass sie die Auseinandersetzung mit ihrer Religion in anderen Einrichtungen vermissten. Insofern trage schon der Name der Kita zur Toleranz bei, da Abraham als der Urvater von Judentum, Islam und Christentum gelte.

Noch seien die Räumlichkeiten von einer katholischen Kita belegt, hieß es. Diese ziehe aber im Frühjahr um. Zum Auftakt sei eine altersübergreifende Gruppe mit 18 Plätzen für Kinder zwischen einem und sechs Jahren geplant.



Diakonie

Bethel-Fachkrankenhäuser in Heime umgewandelt



Die Fachkrankenhäuser der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in den Bielefelder Stadtteilen Bethel und Eckardtsheim sind zu Heimen umgewandelt worden. Die Umstrukturierung sei in Abstimmung mit dem NRW-Gesundheitsministerium zum Jahreswechsel vorgenommen worden, teilte Bethel am 25. Januar mit.

Der Rechtsstatus als Krankenhäuser sei beendet worden. Die insgesamt 513 Betten seien in Heimplätze umgewandelt worden. Finanziert wurde die Umwandlung vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).

Die Qualität der Versorgungsleistungen verändere sich nicht, erklärte Bethel. Die Fachkrankenhäuser Bethel und Eckardtsheim waren den Angaben zufolge die letzten Fachkrankenhäuser in NRW.



Umfrage

Fachkräfte beklagen Betreuungsmängel bei jungen Flüchtlingen



Nach einer Onlineumfrage bei Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe hat ein Großteil der minderjährigen Flüchtlinge Gewalterfahrungen hinter sich. 57,7 Prozent der Befragten berichteten, dass die Betroffenen Gewalt und Missbrauch sowohl im Heimatland als auch während der Flucht erdulden mussten, teilte der Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) am 27. Januar in Berlin mit. Deshalb müssten sich Jugendämter, Träger und zuständige Ministerien darauf einstellen, dass der Anteil traumatisierter Minderjähriger weiter ansteigt, auch, weil die Fluchtrouten gefährlicher geworden seien, hieß es.

Insgesamt haben sich im Oktober und November 2017 2.211 Personen an der Onlineumfrage beteiligt. Der Auswertung wurden jedoch nur die Antworten von insgesamt 1.347 Personen zugrunde gelegt, die den Fragebogen vollständig beantwortet haben, so der BumF.

Im Vorjahr kamen weniger junge Flüchtlinge

Die Gesamtzahl junger Flüchtlinge in jugendhilferechtlicher Zuständigkeit ist demnach 2017 um rund 9.000 Personen auf 54.962 junge Menschen gesunken (Stand: 8.12.2017). 44 Prozent von ihnen sind junge Volljährige. Der BumF appellierte an Politik, diese jungen Menschen weiterhin zu unterstützen, abrupte Hilfebeendigungen zu vermeiden und Zukunftsperspektiven abzusichern. "Die, in vielen Bundesländern oft als schlecht oder sehr schlecht bewertete Bildungssituation älterer Jugendlicher muss dringend verbessert werden."

Der Fachverband forderte zudem, den Familiennachzug aus dem Ausland und Zusammenführungen innerhalb Deutschlands zu erleichtern. Besonders schlecht bewerteten die Fachkräfte die Verfahren zum Eltern- und Geschwisternachzug. Doch auch bei der Zusammenführung von Minderjährigen mit ihren Angehörigen und Bezugspersonen innerhalb Deutschlands wurde von 44 Prozent angegeben, dass diese (sehr) schlecht funktionieren. Als häufigsten Grund (59,5 Prozent der Befragten) für Abgänge aus Einrichtungen wurde daher genannt, dass Jugendliche sich auf eigene Faust zu Angehörige oder Freunde aufmachen, die an anderen Orten leben. Sie gelten in der Folge vielfach als "vermisst".

Trotz der gesunkenen Einreisezahlen und Verbesserungen gegenüber 2016 sei eine flächendeckend gute Unterbringungs- und Betreuungsqualität noch nicht überall hergestellt worden. "Hier besteht weiterhin Handlungsbedarf, insbesondere im Bereich der (vorläufigen) Inobhutnahme sowie bei den Hilfen für junge Volljährige.", betonte der Verband.



Hamburg

Diakonie startet Abschiebemonitoring am Flughafen



Das Diakonische Werk Hamburg hat am 1. Februar die Abschiebungsbeobachtung am Hamburger Flughafen aufgenommen. In den kommenden drei Jahren wird der Beobachter ausgewählte Abschiebungen am Hamburger Flughafen begleiten, dokumentieren und problematische Situationen und Vorfälle festhalten, wie die Diakonie mitteilte. Diese Berichte werden anschließend in einem Begleitgremium zwischen staatlichen Stellen, Kirchen und Nichtregierungsorganisationen besprochen.

Der Beobachter verfolgt als unabhängige Person, ob Abschiebungen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen stattfinden und vermittelt bei Konflikten. In diesem Zusammenhang hat er auch Zugang zum Ausreisegewahrsam. Allerdings kann und darf er die konkreten Abschiebungen nicht behindern, sondern ist an eine neutrale Beobachterrolle gebunden.

Bereits bis 2015 hatte es ein Abschiebemonitoring am Hamburger Flughafen durch die Diakonie gegeben. Dann wurde es für drei Jahre wegen fehlender Finanzierung ausgesetzt.




sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Arbeitsassistenz für Schwerbehinderte auch für Zweitjob




Viele Menschen mit Behinderung benötigen Assistenzen, um arbeiten zu können, wie hier ein Uni-Dozent.
epd-bild/Katja Lenz
Schwerbehinderte Menschen können auch für eine berufliche Nebentätigkeit eine Arbeitsassistenz vom Integrationsamt verlangen. Denn diese Unterstützung diene nicht nur der Verhinderung drohender Arbeitslosigkeit, sondern auch der Chancengleichheit Schwerbehinderter Job.

Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am 25. Januar bekanntgegebenen Urteil. Die Hilfe dürfe deshalb nicht für eine zusätzlich Teilzeitbeschäftigung verweigert werden, befand das Gericht.

Damit bekam der blinde und zu 100 Prozent schwerbehinderte Kläger von den obersten Verwaltungsrichtern im Grundsatz recht. Der Mann arbeitete seit dem Jahre 2000 zunächst in Vollzeit als Beamter im öffentlichen Dienst in Luxemburg. Bis 2013 verringerte er seine Arbeitszeit schrittweise auf 50 Prozent, um in seiner eigenen Firma mehr arbeiten zu können. So hatte er 2008 ein Internetradio unter dem Motto "Das Radio für ein barrierefreies Leben" gegründet.

Neben den selbst produzierten regelmäßigen Radiosendungen vermittelte und managte er auch Künstler. Ab Ende 2014 widmete er sich dann allein der Künstleragentur. Seinen Wohn- und Firmensitz verlegte er mitsamt seiner Familie nach Schleswig-Holstein. Seine berufliche Tätigkeit als Beamter in Luxemburg übte er im wöchentlichen Wechsel mit seiner selbstständigen Tätigkeit aus.

Assistenz 2014 beantragt

2014 beantragte er bei seinem zuständigen Integrationsamt die Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz, damit er seine selbstständige Nebentätigkeit ausüben könne. Die Assistenz übernahm seine Ehefrau. Geplant war, seine Beamtentätigkeit ganz aufzugeben, um dann aus dem Nebenjob eine Vollzeitbeschäftigung zu machen.

Das Integrationsamt lehnte die Kostenübernahme für die Arbeitsassistenz ab. Die Behörde wollte nicht fördern, dass der schwerbehinderte Mann seine gesicherte Existenz als Beamter aufgibt. Die Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz diene im Wesentlichen dem Abbau der Arbeitslosigkeit unter schwerbehinderten Menschen, lautete die Begründung.

Dieser Sicht folgte noch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG). Der Kläger sei bereits mit seiner Beamtentätigkeit "hinreichend in das Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt integriert". Die Beschäftigung als Beamter sei auch nicht gefährdet, hieß es. Der Kläger wolle diese Tätigkeit vielmehr freiwillig reduzieren. Ein Anspruch auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz für eine zweite Tätigkeit "bei Vorliegen einer vollständigen Eingliederung" sei nach dem Gesetz nicht vorgesehen, so die Richter.

Freie Jobwahl darf nicht behindert werden

Diese Entscheidung hob jetzt aber das Bundesverwaltungsgericht auf und verwies das Verfahren zum OVG zurück. Die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz dürfe nicht deshalb verneint werden, weil der schwerbehinderte Mensch einer anderen Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit seien keine notwendigen Bedingungen für eine Kostenübernahme, entschieden die obersten Verwaltungsrichter.

Eine notwendige Arbeitsassistenz diene nämlich auch der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben. Sie dürften zudem selbst entscheiden, welchen Beruf sie ausüben, ob sie in Vollzeit arbeiten oder mehrere Teilzeitbeschäftigungen nachgehen wollen.

Das OVG muss nun noch feststellen, ob, in welcher Art und in welchem Umfang der Kläger bei seiner selbstständigen Tätigkeit "zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile der Unterstützung bedarf".

Az.: 5 C 9.16

Frank Leth


Bundesarbeitsgericht

Keine Kündigung trotz teilweiser Erwerbsminderungsrente



Beschäftigte im öffentlichen Dienst verlieren auch bei Erhalt einer unbefristeten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht unbedingt ihren Arbeitsplatz. Hat ein schwerbehinderter Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung auf einen für ihn geeigneten Arbeitsplatz beantragt, muss der Arbeitgeber intensiv prüfen, ob dies möglich ist, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 30. Januar veröffentlichten Urteil. Nur wenn kein anderer Arbeitsplatz vorhanden ist, kann das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden, so die Erfurter Richter.

Im konkreten Fall ging es um eine schwerbehinderte Frau, die zuletzt in einem Bezirksamt in Berlin arbeitete. Seit August 2013 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Als sie von der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg auf eigenen Antrag eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhielt, beantragte sie beim Land Berlin die Weiterbeschäftigung an einem für sie geeigneten Arbeitsplatz.

Das Land fragte in seinen Dienststellen per E-Mail an, ob für die nicht mehr so leistungsfähige Beschäftigte eine Stelle in Höhe von maximal 5,6 Stunden pro Tag frei sei. Als dies verneint wurde, beendete das Land das Arbeitsverhältnis.

Doch die Frau hat Anspruch auf Weiterbeschäftigung, urteilte das BAG. Nach den tariflichen Regelungen im öffentlichen Dienst können Arbeitnehmer bei Erhalt einer unbefristeten Rente wegen teilweise Erwerbsminderung die Weiterbeschäftigung auf einen "leidensgerechten" Arbeitsplatz beantragen, entschieden die Richter. Nur wenn der Arbeitgeber belegt, dass keine freien Stellen vorhanden und kein Arbeitsplatz behindertengerecht umgestaltet werden kann, könne er das Arbeitsverhältnis beenden. Die pauschale E-Mail-Anfrage des Arbeitgebers an mehrere Dienststellen sei hierfür nicht ausreichend, rügte das Gericht.

Az.: 7 AZR 204/16



Bundesverwaltungsgericht

Tagesmutter verdient mit 2,70 Euro pro Kind und Stunde genug



Eine Vergütung in Höhe von 2,70 Euro pro betreutem Kind je Stunde ist für Tagesmütter und -väter ausreichend. Die Kommunen haben bei der Festlegung dieses pauschalen "Anerkennungsbetrags" vom Gesetz her einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist, urteilte am 25. Januar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Zumindest 2014 sei der Vergütungssatz von 2,70 Euro nicht zu niedrig gewesen, weil er sich an den damals geltenden Tariflöhnen der in Kitas arbeitenden Erzieherinnen orientierte.

Im konkreten Fall hatte eine Tagesmutter eine höhere Bezahlung vom Jugendamt verlangt. Die Frau hatte Anfang September 2014 mit den Eltern eines etwa 20 Monate alten Kindes für das Kindergartenjahr 2014/2015 eine Betreuung jeweils werktags von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr vereinbart.

Das Jugendamt der Stadt Wuppertal bewilligte eine Tagespflege im Umfang von 20 Stunden pro Woche. Die Tagesmutter sollte hierfür monatlich 226,80 Euro erhalten. Dabei ging die Behörde von 21 Betreuungstagen monatlich aus und legte pro Kind und Betreuungsstunde pauschal 2,70 Euro zugrunde. Die Tagesmutter meinte, dass der pauschale Stundensatz viel zu niedrig sei.

Dem widersprach das Bundesverwaltungsgericht. Der Jugendhilfeträger habe nach dem Gesetz bei der Bemessung des "Anerkennungsbetrages" für die Tagesmutter einen Beurteilungsspielraum, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar sei.

Willkürlich sei der Betrag von 2,70 Euro nicht zustande gekommen, lautet die Begründung. Denn dieser habe sich an den damals geltenden Tariflöhnen der in Kitas tätigen Erzieher und Kinderpfleger orientiert. Der Pauschalbetrag liege zwar darunter, dabei durfte aber berücksichtigt werden, dass Tagesmütter nicht über ähnlich qualifizierende Berufsabschlüsse verfügen wie die in Kitas tätigen Fachkräfte.

Az.: 5 C 18.16



Landessozialgericht

Keine Witwenrente nach Hochzeit am Krankenbett



Wenn bei Eheschließung die tödlichen Folgen einer schweren Krankheit vorhersehbar waren, besteht kein Anspruch auf Witwen- beziehungsweise Witwerrente. Dies geht aus einem am 25. Januar veröffentlichten Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt hervor. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Eine 1951 geborene pflegebedürftige Frau aus Kassel hatte bei der Deutschen Rentenversicherung Witwenrente beantragt, nachdem ihr 1949 geborener Ehemann im Juni 2013 an den Folgen eines Krebsleidens verstorben war. Die Eheleute waren bereits während der Jahre 1980 bis 2000 verheiratet. Im Jahr 2011 zogen sie wieder zusammen. Am 23. Oktober 2012 wurden bei dem Ehemann mehrere Metastasen in der Leber und den Lymphknoten diagnostiziert. Zehn Tage später heirateten die geschiedenen Eheleute im Krankenhaus erneut.

Die Rentenversicherung lehnte die von der Witwe beantragte Hinterbliebenenrente jedoch ab. Die gesetzliche Vermutung einer sogenannten Versorgungsehe sei nicht widerlegt. Zum Zeitpunkt der erst fünf Tage zuvor beim Standesamt angemeldeten Eheschließung sei bereits abzusehen gewesen, dass eine ernstzunehmende Erkrankung vorliege.

Die Richter beider Instanzen bestätigten die Entscheidung der Rentenversicherung. Im vorliegenden Fall sei von einer Versorgungsehe auszugehen. Denn der verstorbene Ehemann habe bereits vor der Eheschließung von der Schwere seiner Krebserkrankung gewusst. Auch habe dieser auf eine Eheschließung noch im Krankenhaus gedrängt. Dies spreche dafür, dass er vorrangig eine Versorgung seiner pflegebedürftigen Frau angestrebt habe, was im konkreten Fall die Versagung der Witwenrente zur Folge hatte.

Az: L 5 R 51/17



Oberverwaltungsgericht

Keine Abschiebung anerkannter Flüchtlinge nach Bulgarien



Flüchtlinge dürfen nach einem Urteil des niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes derzeit nicht aus Deutschland nach Bulgarien abgeschoben werden, auch wenn sie dort bereits erfolgreich Asyl beantragt haben. Anerkannte Flüchtlinge seien in Bulgarien von Obdachlosigkeit und extremer Armut bedroht, urteilte der 10. Senat des Gerichts am 29. Januar in Lüneburg. Eine Abschiebung verstoße deshalb gegenwärtig gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, sagte eine Gerichtssprecherin.

Flüchtlinge hätten in Bulgarien derzeit keine realistische Chance, eine Unterkunft zu erhalten, hieß es. Ohne ein Dach über dem Kopf nachweisen zu können, erhielten sie weder eine Arbeitsstelle noch Sozialleistungen. Sie seien in einer Notsituation ohne Aussicht auf effektive Hilfe.

In dem Berufungsverfahren hatte ein Syrer geklagt, der im Jahr 2014 nach der Flucht aus seiner Heimat in Bulgarien als Flüchtling anerkannt worden war. Später reiste er nach Deutschland und stellt dort erneut einen Asylantrag. Er führte dabei an, die Behandlung der Asylsuchenden in Bulgarien sei menschenrechtswidrig. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag als unzulässig ab und drohte dem Mann die Abschiebung an.

Daraufhin klagte er vor dem Verwaltungsgericht Hannover, das die Klage jedoch zunächst ablehnte. Das Oberverwaltungsgericht entschied anders und sah auch in drei Parallelverfahren eine Abschiebung nach Bulgarien als unzulässig an.

Az.: 10 LB 82/17



Verwaltungsgericht

Flüchtlingskinder in Transitzentren dürfen Regelschule besuchen



Auch Flüchtlingskinder in den bayerischen Transitzentren haben unter Umständen Anspruch auf den Besuch einer Regelschule. Das Münchner Verwaltungsgericht hat in drei Eilverfahren sechs Kindern das Recht auf den Besuch einer regulären Schule zugesprochen, teilte das Gericht am 29. Januar mit. Die Beschlüsse sind alle vom 8. Januar. Die kosovarischen Kinder dürfen nun Regelschulen besuchen. In der Hauptsache muss das Verwaltungsgericht aber noch entscheiden.

Die Regierung von Oberbayern hatte den Schulbesuch abgelehnt und das mit einer Regelung im Bayerischen Integrationsgesetz begründet. Diese könne jedoch nicht für alle Kinder in Transitzentren angewendet werden, entschied nun das Gericht im Eilverfahren. Voraussetzung für die Anwendung der Regelung, wonach in Transitzentren lebende Kinder die dortigen jahrgangsgemischten Übergangsklassen besuchen müssen, ist, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylverfahren im sogenannten beschleunigten Verfahren durchführt. Das heißt, dass die Behörde innerhalb einer Woche über den Asylantrag entscheiden muss.

Das verringerte Bildungsangebot ist nach Angaben der Anwälte der Flüchtlinge nur für den Personenkreis gedacht, "der erst kurz in Deutschland ist und dessen Aufenthalt möglichst kurz gestaltet werden soll". Das war bei den sechs Kindern jedoch nicht der Fall, sie sind seit 2013 und 2014 in Deutschland und haben teils auch schon Regelschulen besucht.

Laut der Anwaltskanzlei gebe es noch viele weitere Kinder, "denen die reguläre Beschulung durch die Regierung vorenthalten wird". Und auch der Flüchtlingsrat kritisierte die Regierung von Oberbayern. Die habe auch nach dem Beschluss des Gerichts den Kindern zunächst weiterhin den Schulbesuch verwehrt.

Az.: M 3 E 17.5029, M 3 E 17.4737, M 3 E 17.4801



Europäischer Gerichtshof

Flüchtlinge müssen Test zur Homosexualität nicht dulden



Asylbewerber, die wegen Homosexualität verfolgt werden, müssen keinen psychologischen Test über ihre sexuelle Orientierung hinnehmen. Ein auf dieser Grundlage verfasstes Gutachten stelle eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens dar, urteilte am 25. Januar der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Er rügte diesen Einblick "in die intimsten Lebensbereiche des Asylbewerbers". Solch ein Gutachten sei verzichtbar, weil die Angaben des Flüchtlings auch anderweitig überprüft werden könnten.

Im konkreten Fall ging es um einen nigerianischen Mann, der im April 2015 in Ungarn einen Asylantrag stellte. Er gab an, dass ihm in seiner Heimat Verfolgung wegen seiner Homosexualität drohe. Konkrete Beweise, dass der Flüchtling tatsächlich homosexuell sei, konnte er nicht vorlegen. Allerdings stellten die Behörden auch keine Widersprüche in seinen Angaben fest.

Um die sexuelle Orientierung des Mannes bestimmen zu können, veranlassten sie ein psychologisches Gutachten, das die Homosexualität nicht bestätigte. Der Asylantrag wurde abgelehnt.

Das mit dem Fall befasste ungarische Gericht wollte nun vom EuGH grundsätzlich wissen, ob Flüchtlinge einem solchen Homosexualitäts-Test unterzogen werden dürfen.

Die Luxemburger Richter erteilten den Behörden jedoch eine Absage. Ein psychologisches Gutachten zur Klärung der sexuellen Orientierung stelle einen "unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben des Asylbewerbers dar" und sei mit der EU-Grundrechtecharta nicht vereinbar. Zwar sei ein Gutachten dann zulässig, wenn es sich auf hinreichend zuverlässige Methoden stütze. Das wurde bei dem hier zu prüfenden psychologischen Test jedoch verneint.

Ob einem Asylbewerber tatsächlich Verfolgung wegen dessen Homosexualität drohe, könnten nationale Ausländerbehörden auch mit einer Prüfung der Plausibilität von gemachten der Aussagen klären. Ein psychologisches Gutachten über die sexuelle Orientierung sei verzichtbar, befand das Gericht.

Az.: C-473/16




sozial-Köpfe

Helmar Fexer wird Caritaschef in Bamberg




Helmar Fexer
epd-bild/Diözesancaritasverband Bamberg
Der bisherige stellvertretende Caritasdirektor, Helmar Fexer (59), ist von Erzbischof Ludwig Schick zum Bamberger Diözesan-Caritasdirektor berufen worden. Er wird Nachfolger von Gerhard Öhlein.

Fexer wird seine neue Aufgabe zum 1. Oktober 2018 übernehmen. Mit ihm übernehme ein "Insider der Bamberger Caritas" die Leitung des Verbandes, der mit seiner langjährigen Erfahrung sowohl Kontinuität und Stabilität als auch Weiterentwicklung und Erneuerung der Caritasarbeit im Erzbistum Bamberg garantiere, sagte Schick. Der Sozialpädagoge tritt die Nachfolge von Gerhard Öhlein an, der in den Ruhestand tritt und am 17. September 2018 verabschiedet wird.

Fexer begann seine berufliche Laufbahn 1982 als kirchlicher Jugendpfleger im Erzbischöflichen Jugendamt, 1989 wurde er Referent für Jugend- und Behindertenhilfe beim Diözesan-Caritasverband. In den folgenden Jahren übernahm er verschiedene Referenten- und Leitungsaufgaben, unter anderem als Abteilungsleiter Eingliederungs- und Gefährdetenhilfe und als Bereichsleiter Soziales. 2007 wurde er stellvertretender Direktor und mit der Satzungsänderung 2016 stellvertretender Vorstandsvorsitzender.

Im Erzbistum Bamberg arbeiten etwa 11.100 Personen hauptberuflich im Bereich der Caritas. Davon sind etwa 1.900 direkt beim Diözesan-Caritasverband beschäftigt.



Weitere Personalien



Joachim Gauck (78), Theologe und einstiger Bundespräsident, erhält den Reinhard Mohn Preis der Bertelsmann Stiftung. Mit dem Preis werde Gauck als Brückenbauer in einer kulturell vielfältigen Gesellschaft gewürdigt, teilte die Stiftung mit. Auch werde Gaucks klare Haltung in einer schärfer werdenden Debatte um Zuwanderung und Flucht gewürdigt. Er wird den mit 200.000 Euro dotierten Preis am 7. Juni in Gütersloh entgegennehmen. Gauck war von 2012 bis 2017 elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland.

Clarissa Graz (46), Pfarrerin, ist als Vertreterin der Diakonie Hessen am Sitz der Landesregierung eingeführt worden. Die Theologin arbeitet bereits seit Anfang September im Evangelischen Büro am Sitz der Landesregierung in Wiesbaden. Dort wirkt Graz eng mit Jörn Dulige, dem Beauftragten der evangelischen Kirchen in Hessen, und Justiziar Sven Hardegen zusammen. Die in Dieburg geborene Graz studierte in Berlin und Heidelberg Theologie und war danach am Ökumenischen Gemeindezentrum in Darmstadt-Kranichstein Vikarin. Von 2000 bis 2001 war sie persönliche Referentin des hessen-nassauischen Diakonie-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Gern. Nach ihrem Pfarrvikariat mit Ordination in Worms-Pfeddersheim wirkte sie von 2004 bis 2006 als persönliche Referentin des Präsidenten der Diakonie Deutschland, Jürgen Gohde. Danach war Graz elf Jahre lang Gemeindepfarrerin der Evangelischen Triangelis-Gemeinde Eltville-Erbach-Kiedrich im Rheingau.

Christine Lohn und Hans Steimle haben die Geschäftsführung der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsoziarbeit (BAG EJSA) übernommen. Sie folgten auf Michael Fähndrich, der das Amt zweiundzwanzig Jahre lang innehatte. Lohn kommt von der Diakonie Deutschland, wo sie bisher Fachreferentin für Tageseinrichtungen für Kinder, Familienzentren, Jugendhilfe in der Schule war. Hans Steimle rückt auf, denn der war zuletzt stellvertretender Geschäftsführer bei der BAG EJSA. "Eine Frau und ein Mann, Ost und West, Berlin und Stuttgart, eine Person neu dazukommen und eine Person mit langjähriger interner Erfahrung - da steckt viel drin, was die BAG EJSA voran bringen kann", sagte Christiane Giersen, Mitglied des Vorstandes, bei der "Stabübergabe" in Stuttgart.

Augustinus Bauer (56), Pfarrer, ist seit dem 1. Februar Präses des Caritasverband der Erzdiözese München und Freising. Er übernimmt den priesterlichen Dienst im Verband. Bauer ist der erste Caritaspräses im Erzbistum. Die Funktion wurde neu geschaffen, weil der Caritasverband erstmals Leitungsaufgaben und priesterlichen Dienst trennt: Georg Falterbaum (53) ist als Nachfolger von Prälat Hans Lindenberger (69) jetzt neuer Direktor des Caritasverbands. Bauer engagiert sich seit fast 30 Jahren in diversen Gremien und Projekten der Caritas. So war er vier Jahre lang Mitglied des Caritasrates und Gründungsvorsitzender des Caritas-Kuratoriums München-Innenstadt. Aktuell ist er Vorsitzender des Caritas-Kuratoriums in Neuhausen/Moosach. In den rund 350 Einrichtungen und Diensten des Diözesan-Caritasverbands arbeiten knapp 8.500 Beschäftigte.

Stefanie Adler und Barbara Stupp haben am 1. Februar in der BAGSO-Geschäftsstelle die Verantwortung für das Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Sie folgen auf Ursula Lenz, die die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit seit 1999 verantwortet hat. Adler ist Politikwissenschaftlerin. In den vergangenen zehn Jahren entwickelte und leitete sie für die Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros Projekte des Bundes und des Landes Rheinland-Pfalz zu neuen Formen des Wohnens im Alter. Barbara Stupp ist Sozialwissenschaftlerin und Gerontologin. Nach ihrem Erststudium war sie mehr als 20 Jahre lang als Journalistin für Hörfunk und Fernsehen tätig. 2016 schloss sie ihr berufsbegleitendes Masterstudium "Alternde Gesellschaft" an der TU Dortmund ab.

Dunja Mijatovic (53) aus Bosnien und Herzegowina wird neue europäische Menschenrechtskommissarin. Sie tritt die Nachfolge des Letten Nils Muiznieks an. Der Europarat bestimmte sie am 24. Januar in Straßburg für die im April beginnende sechsjährige Amtszeit. Sie setzte sich in der Abstimmung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates gegen den Franzosen Pierre-Yves Le Borgn' und den Slowenen Goran Klemencic durch. Mijatovic, die in Sarajewo, Bologna und London studierte, ist derzeit Beauftragte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für Pressefreiheit. Als Kommissarin hat Mijatovic die Menschenrechtslage im Gebiet des Europarates zu prüfen.

Roswitha Brenner hat die Leitung des Johann-Benedikt-Bembé-Stifts der Evangelischen Heimstiftung (EHS) in Bad Mergentheim übernommen. Sie kennt den diakonischen Träger seit 1978. Damals kam sie als Praktikantin ins Eduard-Mörike-Haus. Nach der Ausbildung arbeitete Brenner als Krankenschwester in unterschiedlichen Krankenhäusern. Danach studierte sie Sozialpädagogik und kehrte 2007 als Krankenschwester im damaligen Senioren- und Pflegezentrum Gutekunst nach Bad Mergentheim zurück. Im Jahr 2008 übernahm die EHS die Einrichtung. Dort hatte Brenner zwischen 2010 und 2013 die Position der Pflegedienstleiterin inne. 2013 wechselte sie als Hausdirektorin ins Pflegezentrum Rot am See. Bereits November 2017 hatte Brenner die Leitung des Johann-Benedikt-Bembé-Stift, ein Amt, das ihr nun offiziell übertragen wurde.

Heide Simonis (74), ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin (SPD), ist Schirmherrin eines neuen Kunstprojekts des sozialen Straßenmagazins "Hempels". Simonis war Finanzministerin in Schleswig-Holstein, bevor sie von 1993 bis 2005 das Amt der Ministerpräsidentin innehatte. Von 2005 bis 2008 war Simonis ehrenamtlich Vorsitzende von Unicef Deutschland. Die Initiative Hempels Kreativ will die Künstler- und Kulturszene im Land zum Wohle benachteiligter Menschen mit der Soziallandschaft verknüpfen. Zum Auftakt bringt Hempels Kreativ am 16. Februar eine Neuinszenierung von Andrea Niendorfs Hörspiel "Papa macht Platte" in der Pumpe in Kiel auf die Bühne. Profischauspieler behandeln in dem Stück gemeinsam mit Kindern und Musikern das Thema Obdachlosigkeit.

Birgit Beylich (42) hat die Leitung der Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Osnabrück übernommen. Sie folgt auf Conrad Bramm, der im vergangenen August pensioniert wurde. Bereits seit diesem Zeitpunkt leitete sie den Standort kommissarisch. Zuvor war Beylich Bramms Stellvertreterin. Sie studierte Verwaltung und Recht in Berlin und war unter anderem für die Brandenburger Auslandsvertretung in Brüssel tätig. Seit 2008 nahm sie verschiedene Aufgaben in der Landesaufnahmebehörde wahr.




sozial-Termine



Die wichtigsten Fachveranstaltungen bis März

Februar

7.2. Stuttgart:

Kongress "Zukunftsmodell (Sozial-)Genossenschaften: Organisationsmodell der Sozialwirtschaft?"

der Paritätischen Akademie Süd mit mehreren Partnern

Tel.: 0711/2155-192

http://u.epd.de/xyi

8.2. Münster:

Seminar "Umgang mit erkrankten Mitarbeitern: Fürsorgepflichten und Rechte der Arbeitgeber"

der Unternehmensberatung BPG

Tel.: 0251/4820412

http://u.epd.de/xr0

14.2. Remagen-Rolandseck:

Fortbildung "Netzwerktagung Stationäre Hilfen zur Erziehung"

der AWO Bundesakademie

Tel.: 030/26309-142

http://u.epd.de/xng

15.-16.2. Ravensburg:

Seminar "Erfahrungen und Konzepte zum Umgang mit herausforderndem Verhalten"

des Berufsbildungswerks Adolf Raich

Tel.: 07503/929253

http://u.epd.de/xnc

16.2. Berlin:

Seminar "Aufenthalt aus familiären Gründen - Familiennachzug im Aufenthaltsgesetz"

der Diakonischen Akademie für Fort- und Weiterbildung

Tel.: 030/82097117

http://u.epd.de/xqx

19.2. Köln:

Seminar "Grundlagen des Arbeitsrechts in Einrichtungen der Sozialwirtschaft"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

http://u.epd.de/xif

19.2. Bamberg:

Fortbildung "Emotionale Kraft für die Arbeit mit geflüchteten Menschen"

der Caritasverbandes für die Erzdiözese Bamberg

Tel.: 0951/8604402

19.-20.2. Biberach:

Seminar "Auf Entdeckungsreise in die Welt der Kindersprache. Den Spracherwerb von Kindern im Kita-Alltag begleiten"

des Landesverbandes Katholischer Kindertageseinrichtungen

Tel.: 0711/2525114

http://u.epd.de/xnf

20.2. Frankfurt a.d. Oder:

Seminar "Kalkulation von Produkten und Dienstleistungen in WfbM"

der Diakonischen Akademie für Fort- und Weiterbildung

Tel.: 030/82097117

http://u.epd.de/xqy

20.2. Mainz:

Seminar "Krankenhäuser im Fokus von KV und Staatsanwaltschaft"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.: 02203/8997221

http://u.epd.de/xwx

23.2. Essen:

Tagung "360 Grad Pflege - Qualifikationsmix für den Patienten"

der Robert Bosch Stiftung

Tel.: 0711/46084-315

http://u.epd.de/xr5

23.2. Berlin:

Symposium "Wieviel Europa verträgt unser Gesundheitswesen?"

der Deutschen Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen

Tel.: 089/21096960

http://u.epd.de/xvh

26.2. Köln:

Seminar "Erfolgreiche Führung - Umgang mit Demotivation und kontraproduktivem Arbeitsverhalten"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

http://u.epd.de/xvc

26.-27.2. Berlin:

Seminar "Einführung in das Asylrecht und in die anschließenden humanitären Aufenthaltstitel"

der AWO Bundesakademie

Tel.: Tel.: 030/26309-142

http://u.epd.de/xni

26.-28.2. Berlin:

Seminar "Wenn man mit Reden nicht mehr weiter kommt - Alternative Zugänge für die Praxis"

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-488

http://u.epd.de/xnl

27.2. Köln:

Seminar "Vergabe- und Beihilferecht im Überblick: Die Vergaberechtsreform und ihre Folgen"

der Solidaris Unternehmensgruppe

Tel.: 02203/8997221

http://u.epd.de/xwx

März

1.3. Köln:

Seminar "Einführung in das kirchliche Arbeitsrecht der Katholischen Kirche und der AVR-Caritas"

der BFS Service GmbH

Tel.: 0221/97356159

http://u.epd.de/xvd

1.-2.3. Fulda:

Seminar "Schwierige" Klienten verstehen

der Bundesakademie für Kirche und Diakonie

Tel.: 030/48837-488

http://u.epd.de/xr7

5.3. Paderborn:

Seminar "Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre"

der IN VIA Akademie

Tel.: 05251/290838

http://u.epd.de/xr4

7.3.-9.3. Loccum:

Tagung "Zusammen angekommen? Geflüchtete Familien unterstützen"

der Evangelischen Akademie Loccum

Tel.: 05766/81103

http://u.epd.de/xve

15.-16.3. Essen:

Seminar "Rechtsfragen in der Kinder- und Jugendhilfe"

des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF)

Tel.: 0231/557026-0

http://u.epd.de/xyt

21.-24.3. Berlin:

Kongress "Psychosomatik als Perspektive"

der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie

Tel.: 030/20648243

http://u.epd.de/xvf