sozial-Branche

Kirche

Gastbeitrag

Wie die Diakonie ihre Beschäftigten an das Unternehmen bindet




Udo Polenske
epd-bild/privat
In der diakonischen Unternehmenskultur könnte zukünftig ein Wettbewerbsvorteil liegen, glaubt Udo Polenske, der an der Kirchlichen Hochschule Bethel/Wuppertal eine Studie über die Mitarbeiterbindung in evangelischen Pflegeeinrichtungen verfasst hat. Das gelte sowohl für die Akquise von Leitungspersönlichkeiten als auch für ihr Verbleiben im Unternehmen. Mehr dazu in Polenskes Gastbeitrag für epd sozial.

Innerhalb von vier Monaten erhielten eine Altenheimleiterin und ein Altenheimleiter der Diakonie das Angebot eines Headhunters, für jeweils 10.000 Euro im Jahr mehr den Arbeitgeber zu wechseln. Die Heimleiterin ging auf das Angebot ein, der Heimleiter lehnte es ab. Mit diesem Wechsel hätte er nicht nur ein deutlich höheres Jahreseinkommen erhalten können, sondern auch noch gut 65 Minuten Fahrzeit täglich eingespart.

In einer Studie am Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement (IDM) Bielefeld/Bethel wurde detailliert erforscht, was Einrichtungsleitende in der stationären Altenhilfe an ihren Arbeitsplatz in der Diakonie bindet. Bindungsfaktoren und Bindungsqualitäten wurden identifiziert und auf der Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse Handlungsempfehlungen für die Mitarbeiterbindung der Zielgruppe in diakonischen Unternehmen generiert. Nachfolgend werden vier relevante Aspekte dieser Bindung vorgestellt.

Ein zukunftsfähiger Arbeitgeber

Die Beurteilung der Zukunftsfähigkeit des Gesamtunternehmens ist höchst bindungsrelevant. Die Diakonie wird dabei insgesamt als ein sicherer und zukunftsfähiger Arbeitgeber beurteilt. Dieses Image ist als evident bindungsfördernd zu beurteilen. Als Kriterien für die Sicherheit und Zukunftsfähigkeit diakonischer Unternehmen gelten die Größe des eigenen Unternehmens, die Organisationsstärke und die Stabilität. Kritisch beurteilt werden dagegen Unternehmen, die recht klein sind und oft einen Investitionsstau aufweisen. Weiter werden der BAT- bzw. der AVR-Tarif als stabiles Besoldungssystem bewertet.

Werte binden

Mit ihrer diakonischen Unternehmenskultur und ihrer Werteorientierung verfügen diakonische Unternehmen über ein hohes Potenzial an Bindungsstärke. Der Ruf des "sicheren Arbeitgebers" beschränkt sich nicht nur auf die o.g. Faktoren, sondern ebenso bedeutsam ist der Wert der "Menschlichkeit" als Teil der Unternehmenskultur. Dieser Wert "Menschlichkeit" wird von den Befragten als Alleinstellungsmerkmal diakonischer Unternehmen empfunden, im Unterschied zu den gewinnorientierten Unternehmen aus dem Profitbereich.

Des Weiteren hat die Studie erkennen lassen, dass die ausgewählten diakonischen Unternehmen über eine unternehmensübergreifende Kultur verfügen, die sich durch ein beachtliches Unterstützungsverhalten, einen "typischen" diakonischen Führungsstil mit zugestandenen freien Handlungsspielräumen und ein von den Mitarbeitenden getragenes Wertefundament auszeichnet. Diese diakonische Unternehmenskultur weist durchaus Ähnlichkeiten mit Kulturelementen der industriellen Unternehmen auf, die in Best-Practice-Beispielen als besonders erfolgreich vorgestellt werden. Die herausgearbeiteten diakonischen Kulturelemente bilden die Basis für ein nachhaltig erfolgreiches Commitment.

Dreh- und Angelpunkt: Die Vorgesetzten

Die Interaktion mit den Vorgesetzten und ihren Führungsstilen spielt als Bindungsfaktor eine überdurchschnittlich gewichtige Rolle. Als Hauptkriterien werden dabei die partnerschaftliche Zusammenarbeit, die Wertekongruenz, die Entscheidungsfähigkeit, die Kompetenz und die Unterstützung genannt. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit wird weiter konkretisiert mit dem bindungsfördernden Element des Mitspracherechtes und der Partizipation der Heimleitenden an der unternehmerischen Entwicklung.

Eine starke, bindungsfördernde Komponente ist die Wertekongruenz mit den Vorgesetzten. Die Entscheidungsfähigkeit als solche erfährt eine besondere Bedeutung für die Bindung im Zusammenhang mit der Beurteilung der Zukunft des Unternehmens. Ein ebenso bedeutendes, bindungsförderndes Element ist dabei die Kompetenzanerkennung. Hier unterscheiden die Heimleitungen die rein fachliche Kompetenz von der kommunikativen, menschlichen Kompetenz im Umgang.

Heimleitende denken unternehmerisch

Die Erfüllung des Anspruchs von Heimleitenden, gestaltend an der Unternehmensentwicklung mitbeteiligt zu sein, stellt eine weitere bedeutsame Einflussgröße dar und ist Ausdruck der Rolle und des Status in der Organisation. Da "Offenheit für Neues" ein durchgängiges Merkmal aller Heimleitungen ist, wird ein entsprechender Handlungsspielraum und Autonomie bei der Arbeit gefordert, die sowohl durch die Geschäftsführung schon gewährt werden als auch Teil der diakonischen Unternehmenskultur sind. Wird dieser Handlungsspielraum jedoch eingeschränkt oder findet keine Partizipation statt, schwächt dies die Bindung.

Literatur: Udo G. Polenske, Mitarbeiterbindung in der Diakonie, Empirische Analyse von Bindungsfaktoren diakonischer Führungskräfte, 2017, 311 S., ISBN 978-3-8487-4129-8

Dr. Udo G. Polenske ist Pfarrer an der St.-Georgs-Kirchengemeinde in Hattingen. Die Studie "Mitarbeiterbindung in der Diakonie" ist im Rahmen seiner Dissertation an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel entstanden.

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