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Weitere Öffnung für nichtkonfessionelle Jobbewerber



Die evangelischen Kirchen in der Pfalz, in Hessen-Nassau und in Kurhessen-Waldeck werden nach einem EuGH-Urteil zukünftig mehr nichtkirchliche Bewerber beschäftigen müssen. Sie betonen jedoch deren Treuepflicht gegenüber den Inhalten der Kirche.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum kirchlichen Arbeitsrecht in Deutschland wird die Einstellungspraxis der pfälzischen und der kurhessischen Landeskirche verändern. Kaum Auswirkungen auf ihr Vorgehen sieht hingegen die hessen-nassauische Kirche. Dies machten Vertreter der drei Landeskirchen gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) deutlich. Der EuGH in Luxemburg hatte am 17. April entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber nicht pauschal und unbegründet eine Kirchenmitgliedschaft bei Bewerbern verlangen dürfen.

Fünf Prozent der Beschäftigten keine Christen

Der Gerichtshof habe zwar deutlich gemacht, dass es staatlichen Gerichten nicht zustehe, über das religiöse Ethos der Religionsgemeinschaften zu befinden, sagte der pfälzische Oberkirchenrats Dieter Lutz in Speyer. Zukünftig müssten aber die Kirchen verstärkt erklären, ob ein Arbeitnehmer mit diesem Ethos überhaupt in Berührung komme. Ortskirchengemeinden und die Landeskirche seien von dem Urteil wahrscheinlich weniger betroffen als die Unternehmensdiakonie, sagte der für das nichttheologische Personal zuständige Oberkirchenrat.

Bereits jetzt seien etwa fünf Prozent der in der pfälzischen Landeskirche arbeitenden Menschen keine Christen, sagte Lutz. In einem Gesetzentwurf für die im Mai in Kaiserslautern tagende Landessynode sei vorgesehen, die Möglichkeiten, solche Mitarbeiter in der Kirche zu beschäftigen, zu erweitern. Es müsse nun abgewartet werden, wie das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung der Luxemburger Richter umsetze, sagte der Kirchenjurist. Ein Gang zum Bundesverfassungsgericht gegen die Entscheidung des EuGH sei allerdings wenig erfolgversprechend.

Anforderungen an Bewerber

Für die kurhessische Kirche (EKKW) kommt das Luxemburger Urteil zur Kirchenmitgliedschaft von Bewerbern für eine kirchliche Arbeitsstelle nicht überraschend. Die Abwägung persönlicher Rechte von Bewerbern mache auch vor dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht nicht halt, sagte die Dezernentin für Arbeits- und Schulrecht, Anne-Ruth Wellert, in Kassel. Künftig würden kirchliche Arbeitgeber vor einer Stellenausschreibung auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes prüfen müssen, welche Anforderungen an die Bewerber zu stellen sind.

"Es wird nach innen und nach außen stärker als bisher erforderlich sein, das kirchliche Ethos im Hinblick auf die Beschäftigung von Mitarbeitenden deutlich zu machen und unterschiedliche Anforderungen für verschiedene Berufsgruppen und Aufgaben zu postulieren", sagte Wellert. In der EKKW gelte bisher die Loyalitätsrichtlinie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Diese setze für Bewerber grundsätzlich die Mitgliedschaft zur evangelischen Kirche voraus. Wenn kein evangelischer Mitarbeiter gewonnen werden könne, genüge ausnahmsweise auch die Mitgliedschaft in einer Kirche, die zur Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zähle.

EKHN: Urteil hat kaum Auswirkungen

Die hessen-nassauische Kirche sieht hingegen durch das Gerichtsurteil kaum Auswirkungen auf ihre bisherige Einstellungspraxis. In der Landeskirche finde die EKD-"Loyalitätsrichtlinie" keine Anwendung, sagte Pressesprecher Volker Rahn in Darmstadt. Aktuell seien 92,3 Prozent Kirchenmitglieder bei der hessen-nassauischen Kirche beschäftigt.

Die Einstellungsvoraussetzungen der EKHN seien in einem eigenen Gesetz geregelt, sagte Rahn. Dieses Einstellungsgesetz gehe grundsätzlich davon aus, dass Bewerber um einen Arbeitsplatz Mitglied in einer christlichen Kirche sein müssten. Allerdings könne "aus konzeptionellen oder arbeitsmarktpolitischen Gründen von dieser Voraussetzung abgesehen werden", sagte Rahn. Wie in jedem Arbeitsverhältnis korrespondiere mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers die Treuepflicht der Mitarbeiter. Diese dürften mit ihrem Verhalten nicht grundsätzlich den grundlegenden Zielen und Inhalten der Kirche widersprechen.

Diakonie reagiert schon auf veränderte Gesellschaft

In Einrichtungen der evangelischen Diakonie sind "längst Mitarbeiterinnen mit Kopftuch oder ohne Konfession" beschäftigt, wie der Präsident der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, am 25. April in seinem Blog schreibt. Dass Nichtchristen in Kindergärten in Stadtteilen mit vielen Migranten, in Pflegeheimen und Krankenhäusern arbeiten, habe "etwas mit unserem Selbstverständnis in einer sich verändernden Gesellschaft, aber auch mit Professionalität und Pragmatismus zu tun", erklärt Lilie mit Blick auf das EuGH-Urteil.

Nach dem Luxemburger Urteil kann die Diakonie nicht mehr für jede Stelle Religionszugehörigkeit verlangen. Im Klagefall wird gefragt: Ist für den konkreten Arbeitsplatz Konfessionszugehörigkeit "wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt", wie es das EuGH verlangt? "Ich finde diese Frage berechtigt. Es ist auch gut, dass im Streitfall Gerichte hier schlichten können", schreibt Lilie. Der Diakoniechef ergänzt aber auch: "Es stellt sich mir die Frage, wie zunehmend säkular sozialisierte Richterinnen und Richter, die keine kirchliche oder diakonische 'Feldkompetenz' mehr haben, arbeitsrechtliche Richtlinien für Kirchen festlegen können werden? Woher gewinnen sie ihre Kriterien?"

Der Theologe weist zudem darauf hin, dass die evangelische Kirche "auf das Priestertum aller Gläubigen" setze. "Es ist möglich, so glauben wir, dass jede Reinigungskraft, jede Referentin oder Sachbearbeiterin eine Prophetin sein kann. Darum ist es uns nach wie vor wichtig, in allen Arbeitsbereichen und auf allen Hierarchieebenen Menschen zu beschäftigen, die glauben", erklärt er.

Diakonie: Keine unmittelbaren Auswirkungen

Für Oberkirchenrat Christoph Stolte, Vorstandsvorsitzender der Diakonie in Mitteldeutschland, hat die Einschränkung des Spielraums kirchlicher Arbeitgeber durch den Europäischen Gerichtshofs keine unmittelbaren Auswirkungen auf die bisherige Einstellungspraxis. In den diakonischen Einrichtungen seien nicht konfessionell gebundene Mitarbeitende seit langem Teil der Dienstgemeinschaft: "Ohne sie könnten wir unseren kirchlichen Auftrag im Einsatz für Menschen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind, gar nicht erfüllen", sagte Stolte der in Weimar erscheinenden Mitteldeutschen Kirchenzeitung "Glaube + Heimat".

Die Diakonie Mitteldeutschland achte zwar darauf, dass viele Mitarbeitende getauft seien und ihren Dienst als Leben ihres christlichen Glaubens verstünden, so Stolte, "zugleich sind wir auch offen für Menschen, die das biblische Menschenbild mittragen und sich mit den Leitgedanken der Diakonie identifizieren."

Stolte begrüßte die Entscheidung des EuGH, da sie das in Deutschland grundgesetzlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen anerkenne. Zugleich entstünden durch das Urteil stärkere Begründungspflichten bei der Ablehnung von nichtkirchlichen Bewerbern. Allerdings sei es für eine abschließende Bewertung noch zu früh. Es sei abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht mit der Entscheidung des EuGH umgehe.

Klaus Koch, Christian Prüfer

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