sozial-Politik

Rheinland-Pfalz

Gerichte geben nach Kassen-Klagewelle noch keine Entwarnung



Die Probleme der rheinland-pfälzischen Sozialgerichte mit einer beispiellosen Klagewelle der Krankenkassen sind noch nicht überwunden. Das rheinland-pfälzische Justizministerium teilte dem Evangelischen Pressedienst (epd) am 17. Februar mit, es sei unklar, wie viele der anhängigen Klagen nach einer zwischen Kassen und Krankenhäusern ausgehandelten außergerichtlichen Einigung tatsächlich zurückgenommen werden.

Sozialministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hatte Ende Januar nach Abschluss außergerichtlicher Vermittlungsgespräche erklärt, ein Großteil der Verfahren werde gegenstandslos.

Ihrer "vorsichtigen Schätzung" nach könnten rund 80 Prozent der Fälle durch die Einigung erfasst sein. Später hatte die Ministerin diese Prognose im Mainzer Landtag nochmals bestätigt. "Diese Zahl ist für uns kaum nachvollziehbar", sagte eine Sprecherin des Sozialgerichts Trier dem epd. Tatsächlich betreffe eine Vielzahl der Klagen gar nicht die Schlaganfallversorgung, sondern andere strittige Behandlungskosten.

Einigung betrifft nicht alle Kliniken

Zudem würden einige Krankenhäuser nicht unter die außergerichtliche Einigung fallen, da sie die Bedingungen des ausgehandelten Kompromisses nicht erfüllen. Außerdem würden immer noch zusätzliche Verfahren aus anderen Bundesländern nach Rheinland-Pfalz verwiesen.

Ähnliche Angaben machte auch das Sozialgericht in Mainz. Bislang gebe es keinerlei Anzeichen für eine "Klagerücknahmewelle". Die Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Pfalz, Martina Niemeyer, sagte dem epd, die Empfehlungen des Runden Tischs würden umgesetzt und von der AOK werde eine "möglichst verfahrensökonomische Lösung für alle Beteiligten" angestrebt. Allerdings gelte auch: "Wer nicht unter die im Rahmen der Empfehlung erarbeiteten Kriterien fällt, kann nun einmal keine automatische Klagerücknahme erwarten."

Auch die IKK Südwest, die sich dem ausgehandelten Kompromiss als einzige Kasse zunächst nicht angeschlossen hatte, zögert weiterhin mit einer Entscheidung. Zunächst solle noch ein Rechtsgutachten abgewartet werden, teilte ein Sprecher mit. Den Angaben zufolge betrifft von den mehr als 350 in Rheinland-Pfalz eingereichten Klagen der IKK ohnehin weniger als ein Viertel die Schlaganfall-Problematik. Bei rund 280 Fällen gehe es um andere Sachgebiete.

Schlaganfall-Urteil löst Lawine aus

Auslöser der Streits zwischen Kassen und Kliniken war ein Urteil des Bundessozialgerichts von 2018, das die Qualitätsanforderungen bei der Behandlung von Schlaganfallpatienten strenger als in der Vergangenheit ausgelegt hatte. In besonders ernsten Fällen müssen Patienten mit einem Krankenwagen innerhalb von 30 Minuten in eine Spezialklinik gebracht werden. Anders als bislang üblich sollte diese maximal zulässige Frist nicht nur den reinen Transport, sondern die komplette Organisation der Verlegung umfassen. Krankenhäuser, die diese Voraussetzungen nicht erfüllten, konnten Behandlungskosten nicht mehr im bisher üblichen Umfang abrechnen.

Im November hatte der Bundestag zum Schutz der Kliniken eine generelle Verkürzung der Verjährungsfristen beschlossen. Unmittelbar davor kam es bundesweit zu einer beispiellosen Klagewelle an den Sozialgerichten. Allein in Rheinland-Pfalz gingen innerhalb weniger Tage mehr als 15.000 Klageschriften ein, so viele, wie sonst in einem ganzen Jahr. Das von Kassen und Kliniken in Rheinland-Pfalz ausgehandelte Papier sieht nun vor, dass zeitnah alle Klagen zurückgezogen werden, in denen eine reine Transportzeit von 30 Minuten garantiert wird.

Karsten Packeiser