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Arbeit

Expertin: Bei Minijobs verstoßen Arbeitgeber gegen geltendes Recht




Claudia Weinkopf
epd-bild/Uwe Völkner
Minijobber erhalten nach den Erkenntnissen der Vize-Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen, Claudia Weinkopf, oft weniger als den Mindestlohn. Der Rechtsbruch sei möglich, weil die Beschäftigten es nicht wagten, sich zu wehren.

Minijobs sollen helfen, dass auch Menschen mit geringer Qualifikation Arbeit finden. Doch die staatlich subventionierten 450-Euro-Jobs stehen zunehmend in der Kritik. Claudia Weinkopf, stellvertretende Direktorin des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, betont die negativen Folgen für die Beschäftigten. Insbesondere Frauen drohe damit Altersarmut. Mit ihr sprach Markus Jantzer.

epd sozial: Frau Weinkopf, was spricht dafür, weiterhin Minijobs von Steuern und Sozialabgaben zu befreien?

Claudia Weinkopf: Aus meiner Sicht nur sehr wenig. In Minijobs erhalten die Beschäftigten vielfach nur einen Niedriglohn – oft sogar nur den gesetzlichen Mindestlohn oder auch noch weniger. Dies liegt vor allem daran, dass den geringfügig Beschäftigten häufig nur die Stunden bezahlt werden, die sie auch tatsächlich gearbeitet haben. Bezahlten Urlaub sowie Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und für Feiertage erhalten geringfügig Beschäftigte nur selten, obwohl dies gegen geltendes Recht verstößt. Viele geringfügig Beschäftigte wissen jedoch nicht, dass ihnen diese Ansprüche zustehen, oder sie trauen sich nicht, diese Ansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber einzufordern.

epd: Was sollte der Gesetzgeber ändern?

Weinkopf: Minijobberinnen und Minijobber dürfen inzwischen nur noch etwa zwölf Stunden pro Woche arbeiten, weil sonst die Geringfügigkeitsgrenze von 450 Euro pro Monat überschritten wird. Mit jeder Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns verringert sich die maximale Zahl der möglichen Arbeitsstunden weiter. Eine Ausweitung der Arbeitszeit erscheint vielen Beschäftigten aber unattraktiv, weil bei einem Monatslohn von mehr als 450 Euro Sozialabgaben anfallen und bei Verheirateten auch steuerliche Abzüge. Aus meiner Sicht sollte die Geringfügigkeitsgrenze entweder komplett abgeschafft oder auf eine Bagatellgrenze von z.B. 100 oder 150 Euro pro Monat abgesenkt werden.

epd: Was halten Sie von dem Vorschlag der Grünen, Minijobs in sozialversicherungspflichtige Jobs umzuwandeln?

Weinkopf: Für die Umwandlung von Minijobs in reguläre Beschäftigung spricht vor allem, dass es dann keine Anreize mehr gibt, in sehr kurzer Teilzeit zu arbeiten und damit faktisch häufig auf die üblichen Arbeitnehmerrechte zu verzichten. Ohne die Geringfügigkeitsgrenze würde kein Anreiz mehr bestehen, Kleinstarbeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Beschäftigte könnten auch mal mehr arbeiten oder ihre Arbeitszeit dauerhaft ausweiten zu einer regulären Teilzeitbeschäftigung, die ihnen mehr Geld und eine soziale Absicherung (Arbeitslosen- und Rentenversicherung) bringt. Arbeitgeber sind bei regulär Teilzeitbeschäftigten oft auch eher bereit, Qualifizierung anzubieten und den Beschäftigten mehr als den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.

epd: Welche Folgen hat es für die Betroffenen, wenn sie ausschließlich einem Minijob nachgehen?

Weinkopf: Ausschließlich geringfügig beschäftigt zu sein, bedeutet, dass nur maximal 450 Euro pro Monat verdient werden können. Vor allem verheiratete Frauen mit Kindern geben sich häufig damit zufrieden, um keine Abgaben leisten zu müssen. Sie verlassen sich damit darauf, über ihren Ehemann sozial abgesichert zu sein. Bei Trennung oder Scheidung stehen die Frauen dann aber häufig vor dem Problem, dass sie meist nur noch zeitlich befristet Unterhaltsansprüche haben. Beschäftigten, die längere Zeit nur in einem Minijob gearbeitet haben, fällt es jedoch oft schwer, eine Beschäftigung zu finden, von der man auch leben kann.

epd: Etwa drei Millionen Menschen arbeiten neben ihrem Hauptberuf auch noch in einem Minijob, betreiben ihn quasi als Nebentätigkeit. Ist in solchen Fällen die Befreiung von Steuern und Sozialabgaben vertretbar?

Weinkopf: Die Abgabenfreiheit für Minijobs, die als Zusatzjob ausgeübt werden, sollte dringend abgeschafft werden. Aus meiner Sicht gibt es überhaupt keine Rechtfertigung dafür, dass Beschäftigte mit einem Hauptjob im Umfang von z.B. 20 Stunden pro Woche und einem Nebenjob von 10 Stunden pro Woche weniger Steuern und Sozialgaben zahlen müssen als Beschäftigte, die ebenfalls 30 Stunden pro Woche arbeiten, aber bei nur einem Arbeitgeber.

epd: Laufen Frauen mit Minijobs geradewegs in die Altersarmut?

Weinkopf: Tatsächlich ist die Gefahr der Altersarmut besonders groß für Frauen, die familienbedingt längere Zeit nicht oder nur geringfügig beschäftigt waren. Erwerbsunterbrechungen oder längere Phasen mit nur einem Minijob führen im Alter zu sehr geringen Rentenansprüchen.

epd: Schlagen Minijobs eine Brücke zu sozialversicherungspflichtigern Beschäftigung, wie ihre Befürworter sagen?

Weinkopf: Die Brückenfunktion von Minijobs zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ist nicht ausgeschlossen, aber – bildlich gesprochen – in der Praxis ein eher "schmaler Steg". Mehrere Untersuchungen haben in den letzten Jahren gezeigt, dass zwar viele geringfügig beschäftigte Frauen hoffen, aus einem Minijob heraus in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu wechseln, dies aber faktisch eher selten gelingt.



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