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Armut

Berlin braucht mehr Notübernachtungen für Familien




Eingang zu einer Notübernachtung in Berlin
epd-bild/Rolf Zöllner
In Berlin sind zunehmend auch Familien vom Verlust ihrer Wohnung betroffen. Die Gründe dafür sind vielfältig, die darauf spezialisierten Hilfsangebote noch rar gesät.

Berlin will Ende 2021 bis zu 100 spezialisierte Notübernachtungsplätze für wohnungslose Familien anbieten. Das kündigte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) am 20. Januar beim Besuch einer Einrichtung des Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerks (EJF) an. Zugleich sollen nach Breitenbachs Worten die Mindeststandards von allgemeinen Notübernachtungen für Wohnungslose, deren Mehrzahl von Männern genutzt wird, angehoben werden. Dies würde spezielle Angebote für besonders Schutzbedürftige, wie etwa Kinder, dann langfristig überflüssig machen.

Nicht ohne das Jugendamt

Wohnungslose Familien benötigten einen Schutzraum, den herkömmliche Notunterkünfte nicht bieten, sagte Breitenbach. Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) kündigte an, dass bei Zwangsräumungen von Wohnungen, sollten Familien betroffen sein, künftig das Jugendamt eingeschaltet werden muss. Eine entsprechende Vorschrift für die Verwaltung solle zum 1. April in Kraft treten.

Insgesamt gibt es in Berlin den Angaben zufolge 74 Notübernachtungsplätze für Familien und schwangere Frauen. Davon befinden sich 44 in der seit Mai 2019 geöffneten EJF-Einrichtung in Berlin-Heiligensee und seit 2017 weitere 30 Plätze in einer Notübernachtung des Diakonischen Werkes Berlin-Stadtmitte. Bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2021 sollen es 100 Notübernachtungsplätze für Familien sein, sagte Breitenbach.

Für beide Einrichtungen zusammen stellt die Senatssozialverwaltung pro Jahr 1,6 Millionen Euro zur Verfügung. Weitere 57.000 Euro je Einrichtung kommen von der Senatsjugendverwaltung. Ziel ist es, insbesondere die Kinder schützen, betonte Scheeres.

"Nacht der Solidarität"

Über die Anzahl der Obdachlosen und Wohnungslosen in Berlin gibt es nur Schätzungen. In einer "Nacht der Solidarität" vom 29. zum 30. Januar soll eine stadtweite Zählung mehr Informationen über Obdachlose bringen. Es wird mit mehreren Tausend gerechnet. Ende 2018 wurden laut Breitenbach von den Bezirken rund 36.000 Wohnungslose in Notquartieren untergebracht.

In der Einrichtung des EJF wurden in den vergangenen neun Monaten knapp 100 Familien, insgesamt 342 Personen, aufgenommen. Darunter waren mehr als die Hälfte Kinder (180). Rund 50 Prozent der Familien waren alleinerziehende Mütter mit Kindern, wie der EJF-Vorstandsvorsitzende Andreas Eckhoff sagte.

In der Regel sollen sie nicht länger als drei Wochen in den für Familien eingerichteten kleinen Appartements verbringen. In dieser Zeit erhielten die Betroffenen eine umfassende Beratung und Begleitung mit dem Ziel, sie in andere Wohnungen dauerhaft zu vermitteln, hieß es. Dabei werde versucht, die Kinder weiterhin ihre angestammte Kita oder Schule besuchen zu lassen.

Lukas Philippi