sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hat Grenzen




Schild am Eingang des Bundesarbeitsgerichts
epd-bild/Jens-Ulrich Koch
Das Bundesarbeitsgericht hat einmal mehr ein Grundsatzurteil zur Stellung der Schwerbehindertenvertretung in Unternehmen gefällt. Ergebnis: Stellt ein Beschäftigter einen Antrag auf Gleichstellung mit den schwerbehinderten Kollegen, muss noch nicht die Schwerbehindertenvertretung eingeschaltet werden.

Behinderte Arbeitnehmer können mit ihrem Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Beschäftigten im Betrieb noch nicht auf die Unterstützung der Schwerbehindertenvertretung hoffen. Erst wenn von der Bundesagentur für Arbeit (BA) wirksam festgestellt wurde, dass der Arbeitnehmer mit einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, muss der Arbeitgeber der Schwerbehindertenvertretung Beteiligungsrechte gewähren, entschied am 23. Januar das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.

Nach dem Gesetz soll die Schwerbehindertenvertretung die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben im Betrieb fördern und deren Interessen vertreten. Danach muss diese in "allen Angelegenheiten" beteiligt und angehört werden, die einzelne behinderte Beschäftigte im Betrieb oder behinderte Menschen als Gruppe betreffen. Entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ist die Schwerbehindertenvertretung etwa bei der Bewerbung von schwerbehinderten Stellenbewerbern oder auch bei der Umgestaltung eines behinderungsgerechten Arbeitsplatzes zu beteiligen.

Kündigung ohne Anhörung unwirksam

Setzt sich der Arbeitgeber über die Beteiligungsrechte hinweg, hat dies Konsequenzen. So ist etwa eine Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam. Auch Bußgelder können von der BA verhängt werden.

Doch die Beteiligungsrechte haben Grenzen. Im aktuellen, vom BAG entschiedenen Fall ging es um die Umsetzung einer Mitarbeiterin eines Berliner Jobcenters auf einen anderen Arbeitsplatz. Die Frau mit einem Grad der Behinderung von 30 hatte einige Monate zuvor einen Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gestellt. Der Arbeitgeber hatte die Schwerbehindertenvertretung nicht über die Umsetzung informiert und angehört.

Die Schwerbehindertenvertretung sah daraufhin ihre Beteiligungsrechte verletzt. Bereits mit dem Antrag auf Gleichstellung und nicht erst mit der späteren Anerkennung müsse sie zur Umsetzung angehört werden.

Keine Informationspflicht

Dem widersprach jedoch das BAG. Die Schwerbehindertenvertretung habe zwar das Recht, für schwerbehinderte oder mit ihnen gleichgestellte Beschäftigte einzutreten. Mit einem Antrag auf Gleichstellung bei der Bundesagentur für Arbeit sei aber noch nicht über Behinderteneigenschaft entschieden worden. Der Arbeitgeber habe die Schwerbehindertenvertretung daher auch nicht über die Umsetzung informieren müssen. Keine Rolle spiele es, dass dem Gleichstellungsantrag der Jobcenter-Mitarbeiterin später rückwirkend stattgegeben wurde.

Mit Urteil vom 22. August 2013 hatte das BAG die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung bei ausgeschriebenen Stellen bekräftigt. So darf danach der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht übergehen, nur weil sich die Vertrauensperson der Vertretung und deren Stellvertreter ebenfalls auf die Stelle beworben haben.

Im konkreten Fall hatte der Arbeitgeber, eine Spielbank, zwei Stellenausschreibungen für einen "Tischchef" veröffentlicht. Auf die beiden Spielbank-Jobs bewarben sich 46 schwerbehinderte Menschen, darunter auch die Vertrauensperson der Schwerbehindertenvertretung und dessen Stellvertreter. Der Arbeitgeber vermutete damit eine Interessenkollision und beteiligte die Schwerbehindertenvertretung nicht am Auswahlverfahren. Zwei andere Bewerber bekamen die Stelle.

10.800 Euro Entschädigung

Die stellvertretende Vertrauensperson fühlte sich wegen der fehlenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung diskriminiert und verlangte eine 10.800 Euro hohe Entschädigung.

Das BAG urteilte, dass der Arbeitgeber tatsächlich die Schwerbehindertenvertretung an der Auswahlentscheidung hätte beteiligen müssen. Dies gelte selbst dann, wenn sich auf die zwei Stellen auch die Vertrauensperson der Schwerbehinderten und dessen Stellvertreter beworben haben. Den konkreten Fall verwies das BAG an die Vorinstanz zurück. Dort muss der Arbeitgeber wegen der unterbliebenen Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung beweisen, dass er nicht diskriminiert hat.

Arbeitgeber dürfen bei den Beteiligungsrechten auch nicht trödeln. So sieht das Gesetz bei einer beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers die "unverzügliche" Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung vor. Allerdings bedeutet dies auch nicht "sofort", urteilte das BAG am 13. Dezember 2018.

Informiert der Arbeitgeber zuerst das Integrationsamt und den Betriebsrat über die Kündigung und erst neun Tage später die Schwerbehindertenvertretung ist das noch "unverzüglich", entschied das BAG. Die Kündigung ist deshalb noch nicht unwirksam.

Az.: 7 ABR 18/18 (BAG, Gleichstellungsantrag)

Az.: 8 AZR 574/12 (BAG, Interessenkonflikte)

Az.: 2 AZR 378/18 (BAG, unverzügliche Beteiligung)

Frank Leth