sozial-Branche

Kirchen

Gastbeitrag

Erwartungen an Theologen in der Diakonie-Führung




Thomas Müller (li.) und Christoph Radbruch
epd-bild/contec, privat
Können sich christliche Sozialunternehmen noch Theologen an der Spitze ihrer Häuser leisten? Ob Führung durch Theologen gebraucht wird, erläutern ein Personalberater und ein früherer Klinikvorstand.

Diakonie-Gremien stellen sich die Frage nach der zukunftsfähigen Gestaltung und Verortung des Profils sowie der Kernkompetenzen von Theologinnen und Theologen in der Leitung von diakonischen Unternehmen. Der Diskurs nimmt gerade im Kontext der (Nach-)Besetzung entsprechender Organfunktionen an Bedeutung zu. Weitet man den Blick und fragt andere Wohlfahrtsorganisationen: "Was macht eigentlich ein theologischer Vorstand und was ist dessen Kernkompetenz?", erntet man häufig Achselzucken. Sie sehen in dem Theologen oft eine Art nicht greifbaren 'Druiden Miraculix'. Es lohnt sich daher, Erwartungen an Theologen in der Diakonie-Führung sowie ihr Anforderungs- und Zuständigkeitsprofil für eine zukunftsfähige Aufstellung genauer zu betrachten.

Drei Sichtweisen in der Praxis

In der Praxis lassen sich drei Sichtweisen bzw. Modelle unterscheiden, die regelhaft in (Nach-)Besetzungsverfahren von theologischen Vorständen auftreten. Im tradierten Modell sehen Organisationen den Theologen in der Vorsitzendenfunktion eines mehrköpfigen Leitungsgremiums, mithin im Vorstandsvorsitz. Zugespitzt könnte das Motto lauten: "Das theologische Profil und die diakonische Rationalität sind leitend – das war schon immer so in unserem Werk." Das Modell besteht und wird von manchen Gremien, teilweise unreflektiert, fortgeschrieben.

Im ökonomisierten Modell wird der theologische Vorstand einem Vorstand anderer Profession, zumeist kaufmännisch, hierarchisch untergeordnet. Den Vorstandsvorsitz übernimmt z. B. der kaufmännische Vorstand. Sinngemäß: "Nur wenn die Zahlen stimmen, können wir unserem diakonischen Auftrag nachkommen." Im dritten, und im Bereich der diakonischen Krankenhäuser auf dem Vormarsch befindlichen Modell, wird die Einbeziehung des diakonischen Profils in Stabsstellen, Direktorien oder Instituten verortet, mithin ohne Organ- und damit formale Entscheidungsmacht – der Gedanke: "Diakonische Kompetenz kann auch außerhalb der Organfunktion verortet werden. Für die Einbeziehung in Leitungsentscheidungen und damit die Steuerung diakonischer Organisationen sind andere Professionen zuständig, z. B. Sozialwissenschaftler, Mediziner oder Kaufmänner."

Besetzungsverfahren für Theologen

Steht in diakonischen Unternehmen der Weggang eines Theologen an, erfolgt oft zuerst der Blick in die Satzung. Wird dort die Ordination als Voraussetzung genannt, dient diese als eine Art Gütesiegel, weil dadurch die formale Bindung zur verfassten Kirche gewährleistet wird. Da die Ordination keine Aussage über die konkreten Kompetenzen oder die Eignung eines Theologen für die Führungsaufgabe enthält, wird die theologische Kompetenz so in ihrer tatsächlichen Bedeutung marginalisiert.

Nicht selten erhalten theologische Vorstände heute keine faktische Entscheidungsgewalt und keine Prokura. Noch bevor sie die neue Führungsaufgabe übernehmen, wird mitunter die vorgesehene Rolle in der Geschäftsordnung verändert und die Verantwortung geschmälert. Es wird ihnen z. B. die Verantwortung für die Gremien- und Netzwerkarbeit, Öffentlichkeitsarbeit oder das diakonische Profil übertragen. Zentrale, für Bewerber besonders attraktive Ressorts bleiben zunehmend der kaufmännischen Führung vorbehalten.

Hier lohnt sich ein Umdenken: Statt den Zuständigkeitsbereich, auch in der Geschäftsordnung, bereits ex ante zu definieren, bietet sich eine gemeinsame Entwicklung der Zuständigkeitsfelder an – ebenso wie das Streben nach einer guten Passung der gemeinsamen Chemie. Die Frage lautet hier, welche pastoraltheologischen Kompetenzen für die Führung eines diakonischen Unternehmens hilfreich sind und wie die systematische Begleitung bzw. eine curriculare Aus- und Weiterbildung aussehen sollte, um die Methodenkompetenz für die Ausgestaltung dieser Führungsrolle zu erwerben.

Rahmenbedingungen für Theologen

Aus der Bewerberperspektive stellt sich die Frage, ob mit der unternehmerischen Aufgabe auch eine Pfarrstelle verbunden ist und ob die Management-Anforderungen mit dieser zusammengehen. Gerade in puncto Arbeitszeit ist diese Frage wichtig für die Attraktivität der Stelle.

Bei der Besoldung für Theologen in der Diakonie sind verschiedene Modelle möglich: Besteht ein Kirchenbeamtenverhältnis einer Landeskirche und soll dieses fortgeführt werden, sind die im Vertrag genannten Regelungen marktüblich (mithin orientiert an der Besoldungsstufe, z. B. A 16). Das heißt u. a. auch, dass nicht unerhebliche Versorgungsleistungen zu zahlen sind. Eine Vertragsbefristung ist marktüblich.

Mischmodelle (z. B. mit einer ruhegehaltsfähigen A 16-Besoldung und einer freien Zulage ohne entsprechende Versorgung) sind möglich, jedoch selten. Zu bedenken ist auch, dass eine günstige Miete oder sogar mietfreie Dienstwohnung bei Theologen im Beamtenverhältnis als Teil des Einkommens verstanden werden sollte. Bewirbt sich ein Interessent aus einem anderen Kontext, sind Vergütungen frei zu verhandeln und hängen von der Aufgabe und Organisation ab. In Besetzungsverfahren wird mitunter auch die Residenzpflicht kontrovers diskutiert. Lässt sich diese im Rahmen moderner Arbeitsmodelle noch begründen?

Den 'Kern vom Kern' finden

In diesem Spannungsfeld gilt es nun, die Perspektive zu weiten und Klarheit zu schaffen. Es hilft, die zweite Ebene, Mitarbeitervertretungen und kaufmännische Führungskräfte zu fragen, wie ihr Blick auf den Theologen ist, sowie die Bewerberperspektive oder die eines anderen Verbands einzunehmen. Anzustreben sind klare Zuständigkeiten und eine fundierte Antwort auf die Frage, was der 'Kern vom Kern' eines theologischen Profils ist. Dieser muss individuell für die jeweilige Organisation bzw. das Unternehmen herausgearbeitet werden – eine Arbeit, die für die gelungene Stellenbesetzung entscheidend ist.

Dr. Thomas Müller ist Geschäftsführer der Contes GmbH und leitet conQuaesso® JOBS, die Personalberatung der Contes. Christoph Radbruch ist Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes.