sozial-Branche

Corona-Krise

Gastbeitrag

Kurzarbeitergeld: Neuland für Sozialdienstleister




Silvia Breyer
epd-bild/contec GmbH
In der Corona-Krise haben Unternehmen bereits für Hunderttausende Beschäftigte Kurzarbeitergeld beantragt. Auch die Sozialbranche wird nach Einschätzung der Bochumer Personalberaterin Silvia Breyer die Unterstützung durch die Arbeitsämter brauchen.

Die Corona-Krise verändert alles. Viele Leistungen der Anbieter in der Sozialwirtschaft können aufgrund der Regelungen zur Kontaktvermeidung und zur Vorbereitung auf eine massiv verschärfte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems nicht in bisheriger Weise erbracht werden. Die Bundesministerien für Gesundheit bzw. für Arbeit und Soziales haben bereits mit dem Krankenhausentlastungsgesetz und dem sogenannten Sozialschutzpaket gesetzliche Grundlagen zur Entlastung in der Sozialwirtschaft geschaffen.

Pflegeheime und -dienste beispielsweise können konkret erfassbare Mindererlöse und Mehrkosten bei den Verbänden der Pflegekassen einreichen; für alle anderen Anbieter der Sozialwirtschaft ist ein Erstattungsniveau auf mindestens 75 Prozent der üblichen Erlöse definiert, sofern sie parallel Aktivitäten der Entlastung des Gesundheitssystems nachvollziehbar machen können.

Stabilisierung in der Krise

Klar ist dabei zum einen: Die Anbieter der Sozialwirtschaft können auch die Unterstützungsleistungen (Zuschüsse, Darlehen, Steuerstundungen, Kurzarbeitergeld usw.) in Anspruch nehmen, die allen Unternehmen in der Corona-Krise zur Verfügung stehen. Diese Leistungen werden auf die Erstattungen aus Krankenhausentlastungsgesetz oder anderen spezifischen Töpfen für die Sozialwirtschaft angerechnet. Es geht jeweils um das passende Unterstützungspaket im Ganzen. Zum anderen: Es gibt nicht wenige Leistungserbringer, für die die spezifischen Schutzschirme des Gesundheits- und Sozialwesens allein keine ausreichende Absicherung versprechen.

Dementsprechend stellt auch die Beantragung von Kurzarbeitergeld für einige sozialwirtschaftliche Unternehmen eine gute Möglichkeit dar, die Finanzierung in der Krise sicherlich nur zeitweilig, aber eben auch existenzsichernd, zu stabilisieren. Im Mix der Optionen kann so eine bestmögliche Flankierung erreicht werden, die auf jeden Fall von den Sozialunternehmen geprüft werden sollte.

Für die Freie Wohlfahrtspflege ist Kurzarbeit dabei ein weitgehend neues Thema. Es trifft auf eine Branche, in der die Verwaltungsstrukturen bereits sehr knapp bemessen und zurzeit in der Krisenbewältigung besonders gefordert sind. Die Agentur für Arbeit kann ihre beratende Rolle durch die aktuelle Überlastung nur eingeschränkt wahrnehmen. Die Geschäftsführungen sozialwirtschaftlicher Unternehmen signalisieren daher, dass sie pragmatische Unterstützung benötigen. Dafür ist es hilfreich, den Prozess der Beantragung von Kurzarbeitergeld in seinen einzelnen Schritten zu betrachten.

Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Bevor Kurzarbeit angezeigt werden kann, muss sorgfältig geprüft werden, ob die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Die erste Voraussetzung ist ein erheblicher Arbeitsausfall. Dieser ist gegeben, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Corona) beruht, er vorübergehend und nicht vermeidbar ist. Das setzt z.B. voraus, dass die Beschäftigten Urlaub aus dem Vorjahr genommen und Überstunden abgebaut haben. Zudem müssen aktuell mindestens zehn Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als zehn Prozent haben. Diese Regelung gilt im Kontext der Krise derzeit bis zum 31. Dezember 2020 - im Normalfall muss ein Drittel der Beschäftigten einen Arbeitsausfall von mehr als zehn Prozent haben. Weiterhin bestehen betriebliche Voraussetzungen: Diese besagen lediglich, dass im Betrieb oder der Betriebsabteilung mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt sein muss. Die persönlichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortsetzt, aus zwingenden Gründen aufnimmt oder im Anschluss an die Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt.

Der nächste Prozessschritt ist davon abhängig, ob der Betrieb einen Betriebsrat oder eine Mitarbeitendenvertretung hat. Ist das der Fall, muss eine Betriebsvereinbarung ausgehandelt und abgeschlossen werden. Im Anschluss werden die Mitarbeitenden über diese in Kenntnis gesetzt. Gibt es keinen Betriebsrat oder Mitarbeitendenvertretung, muss mit allen Beschäftigten eine Zusatzvereinbarung geschlossen werden - jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin muss der Kurzarbeit zustimmen. Erst danach wird die Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit angezeigt.

Derweil wird die Höhe des Kurzarbeitergelds vom Arbeitgeber berechnet und an die Mitarbeitenden ausgezahlt. Die Auszahlung erfolgt zumeist schon unabhängig vom positiven Bescheid, da häufig der Abrechnungszeitraum ansteht, bevor der Bescheid vorliegt. Der Arbeitgeber trägt hier also ein gewisses Risiko. Dieses ist jedoch überschaubar, wenn die Voraussetzungen gründlich geprüft wurden. Im Anschluss wird die Erstattung des Kurzarbeitergelds bei der Agentur für Arbeit beantragt. Dabei wird für alle Mitarbeitenden offengelegt, wie hoch der Arbeitsausfall war und wie hoch die Differenz zwischen Soll- und Ist-Entgelt ist. Die Agentur für Arbeit prüft die Angaben und erstattet das gezahlte Kurzarbeitergeld.

Anrechnung von Nebenverdiensten

Die Zahlung ist zunächst vorläufig. Die Agentur für Arbeit behält sich vor, etwa sieben Monate nach Abschluss des Kurzarbeitergeldbezugs eine Abschlussprüfung vorzunehmen. Es empfiehlt sich, schon beim Antrag genaue Angaben und Belege zur tatsächlich geleisteten Arbeit einzureichen. So kann die Höhe des Kurzarbeitergeldes präzise geprüft werden und es ergeben sich keine Abweichungen im Nachhinein.

Grundlegend ist dabei das Verständnis, dass Kurzarbeitergeld für den Teil des Entgelts geleistet wird, der andernfalls komplett entfallen würde. Für diesen Teil erhält der Arbeitnehmer 60 Prozent (mit Kindern 67 Prozent) des Netto-Ausfalls. Im Hinblick auf die Rentenbeiträge entstehen auf Seiten der Arbeitnehmer durch Kurzarbeit kaum Nachteile. Für die erbrachte Leistung entrichten wie gewohnt Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge. Für die entfallende Arbeitszeit entrichtet der Arbeitgeber allein Beiträge auf Grundlage von 80 Prozent des Entgeltausfalls. Diese Beiträge werden aktuell bis zum 31. Dezember 2020 von der Agentur für Arbeit erstattet.

Für die Mitarbeitenden kann ein weiterer Punkt interessant sein: Arbeitnehmern werden im Kontext des Sozialschutzpakets vorübergehend Verdienste aus Nebentätigkeiten, die während des Bezugs von Kurzarbeitergeld in den systemrelevanten Berufen aufgenommen werden, nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet. Dabei darf in der Summe der sonst übliche Lohn nicht überstiegen werden.

Die Beantragung von Kurzarbeitergeld ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, der für viele Einrichtungen im Krisenmodus abschreckend wirken kann. Eine genaue Prüfung dieser Frage erscheint jedoch für viele Sozialbetriebe in der aktuellen Lage unumgänglich.

Silvia Breyer verantwortet das Beratungsfeld Personalmanagement und -entwicklung der contec GmbH. In dieser Funktion berät sie zurzeit Sozialunternehmen zu Fragen der Kurzarbeit.