sozial-Branche

Digitalisierung

Expertin rät sozialen Diensten zu differenziertem Software-Umgang




Nadia Kutscher
epd-bild/Ralf Bauer
Ohne Computer läuft auch in der sozialen Arbeit schon lange nichts mehr. Doch welche Programme kommen zum Einsatz? Die Expertin für Digitalisierung und Soziale Arbeit, Nadia Kutscher, rät Sozialunternehmen, den Software-Einsatz in ihren Einrichtungen immer engmaschig zu begleiten.

Nadia Kutscher zufolge könnten softwarebasierte Programme viele Prozesse in den sozialen Diensten zwar deutlich vereinfachen. "Es muss aber genau hingesehen und stetig geprüft werden, ob die Software auch tatsächlich den fachlichen Anforderungen der Praxis entspricht", sagte die Professorin für Erziehungshilfe und Soziale Arbeit der Universität zu Köln dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sozialdienste und -träger setzen Software im Bereich der Falldokumentation, der Risikoberechnung und des Controllings ein.

Software-Entwickler stünden gerade in der sozialen Arbeit vor der Herausforderung, "eine sehr komplexe und teils widersprüchliche Realität auf anklickbare Kriterien verdichten" zu müssen, sagte Kutscher. Wichtig sei, dass die Software auf die Anforderungen der jeweiligen Einrichtung angepasst ist. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns keine Logiken hereinholen, die zwar auf der Ebene der Software Sinn machen, aber die komplexen Handlungszusammenhänge sozialer Arbeit nicht angemessen abbilden."

Programme nicht zu eng konzipieren

Softwareprogramme für Jugendämter dürften zum Beispiel nicht zu eng konzipiert sein, erklärte die Expertin. Es müsse den Mitarbeitenden beispielsweise bei der Falldokumentation möglich sein, nicht nur vom System vorgegebene Kriterien auszufüllen, sondern auch eigene Kommentare hinzuzufügen. Sonst könnten wichtige Informationen darin möglicherweise nicht abgebildet werden, fügte sie hinzu.

In einer Reihe von Jugendämtern berechnen Programme auf der Grundlage der Falldokumentation das Risiko für eine Kindeswohlgefährdung. So kann die Software den Mitarbeitenden beispielsweise empfehlen, ein Kind in Obhut zu nehmen. "Die Software kann eine Unterstützung dabei sein, auf bestimmte Dinge zu achten", sagt Kutscher. "Es darf aber nicht passieren, dass man der Software die Verantwortung überträgt, weil sie vielleicht vom Anschein her objektiver daherkommt als eine Fachkraftentscheidung." Die Verantwortung liege letztlich allein bei den Fachkräften.

Systematische Erhebungen darüber, wie viele soziale Dienste und Träger in Deutschland Software-basierte Programme nutzen und welche Folgen das für das fachliche Handeln hat, gibt es Kutscher zufolge nicht. Die Entwicklung sei in den verschiedenen Bereichen der sozialen Arbeit auf unterschiedliche Weise vorangeschritten, sagte sie. Ausschlaggebend sei, "ob und wie die Führungspersonen Digitalisierung in ihren Einrichtungen vorantreiben".

Patricia Averesch