sozial-Politik

Corona

Interview

"Die Sexarbeiterinnen werden ihrer Existenzgrundlage beraubt"




Maria Loheide
epd-bild/Thomas Meyer/Ostkreuz
Der Lockdown bedroht auch die Existenz vieler Prostituierter. Der Bedarf an fachlicher Beratung steigt. Drei Fragen an Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

Im Lockdown sind auch die Bordelle geschlossen. Für Sexarbeiterinnen fallen damit die Verdienstmöglichkeiten weg, Prostitution wird zum Teil in die Illegalität gedrängt. In den Beratungsstellen der Diakonie steigt die Nachfrage. Was ist zu tun? Die Fragen stellte Michael Ruffert.

epd sozial: Frau Loheide, wie stellt sich die Situation von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern im Corona-Lockdown aus Sicht der Diakonie da?

Maria Loheide: Die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter befinden sich derzeit in einer sehr prekären Lage. Die Bordelle sind im Lockdown geschlossen, Prostituierte dürfen nicht arbeiten. Sie verlieren praktisch ihre Existenzgrundlage und mitunter sogar ihre Wohnung. Darüber hinaus bekommen sie auch keine Hilfsgelder, weil sie in der Regel keine Grundsicherung beantragen können. Es ist zu befürchten, dass Frauen deshalb gezwungen sind, in der Illegalität weiter zu arbeiten, was es für sie sehr gefährlich macht.

epd: Welche Hilfsangebote gibt es für Prostituierte?

Loheide: Die Diakonie unterstützt Prostituierte schon sehr lange. Jetzt im Lockdown ist der Beratungsbedarf noch dringender und weit höher. Aber wegen der Kontaktbeschränkungen müssen alternative Wege gesucht werden: digital, per Telefon oder Videochat. Wir unterstützen die Frauen etwa dabei, Hilfe zu bekommen, ihre Existenz und Gesundheit zu sichern. Oder auf eine andere Tätigkeit umzusteigen und auszusteigen.

epd: Es gibt erneut eine politische Debatte, Bordelle generell geschlossen zu lassen und nach dem nordischen Modell ein Sexkaufverbot zu erlassen. Wie steht die Diakonie dazu?

Loheide: Aus unserer Sicht verhindern Verbote keine Prostitution. Sie wandert dann in die Illegalität. Dort sind die Frauen extrem gefährdet, viel eher Zwang und Gewalt ausgesetzt. Für unsere Beratungsstellen sind die Frauen kaum noch zu erreichen, um sie über ihre Rechte, eine gute Gesundheitsversorgung und Ausstiegsmöglichkeiten aufzuklären. Ein Sexkaufverbot ist keine Lösung und bringt nur Nachteile für die Frauen. Vielmehr muss es darum gehen, die bereits bestehenden Gesetze gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution konsequent umzusetzen.



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