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Corona

Müde Mütter: Viele Frauen warten auf einen Platz in einer Kur-Klinik



Viele Mütter und ganz besonders Alleinerziehende sind während des Lockdowns im Dauerstress. Sie müssen wegen der fehlenden Angebote etwa im Sport ihre Kinder selbst beschäftigen und bei Laune halten. Viele sind nach Monaten dieser Belastung nicht mehr gewachsen. Kuren könnten hier helfen, doch die Kliniken sind längst ausgebucht.

In der Corona-Pandemie geht Müttern zunehmend die Kraft aus. Die Beratungsstellen der Evangelischen Landeskirche in Baden beobachten seit einem Jahr deutlich mehr Gesprächsbedarf und eine erhöhte Nachfrage nach einer Kur. "Die Frauen sind dünnhäutiger geworden," sagt Elisabeth Förter-Barth vom Diakonischen Werk Karlsruhe.

Basteln, Vorlesen, Singen oder Spielen - im Lockdown müssen Mütter ihre Kinder ständig beschäftigen. Ausweichen auf Großeltern, Kita, Krabbelkreise oder Turngruppen entfällt oft. Dadurch fehlt auch der Austausch mit anderen Müttern. "Es gibt nichts mehr zum Entspannen", so Förter-Barth.

Die größten Verlierer seien Mütter mit kleinen Kindern und Alleinerziehende nach einem Umzug. "Die frühen Hilfen sind derzeit eingestellt, die Einsamkeit ist groß", sagt die für Familie zuständige Sozialberaterin. Viele Mütter kämen in die Beratung, um einfach nur zu reden.

Kommen, um zu reden

Die Sozial- und Schwangerenberatungen seien oft die ersten Anlaufstellen, an denen eine Mutter sage "ich kann nicht mehr", weiß die für Müttergenesung verantwortliche Christiane Schuhen von den Evangelischen Frauen in Baden. Auch Eltern müssten sich ausruhen dürfen, bräuchten jemand, der ihnen den Rücken frei hält, so Schuhen. Gerade über Weihnachten und im Winter sei dieser Satz Alltag gewesen, fasst Elisabeth Förter-Barth die Rückmeldungen ihrer Beraterinnen zusammen.

Erschöpfte Mütter kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Die emotionale Arbeit, das unermüdliche "Für-die Familie-dasein-müssen" zehre an der "ganz normalen Mutter", betonen die Geschäftsführerin der evangelischen Mütterkurheime e.V. Württemberg, Angelika Klingel, und die Geschäftsführerin der Klinik Hohes Licht gemeinnützige GmbH im FrauenWerk Stein in Bayern, Elke Hüttenrauch. Zur Doppelbelastung durch Familie und Beruf sei der Lockdown mit all seinen Folgen oben drauf gekommen.

Die Last der Familienarbeit

Mütter hätten gerade in der Pandemie kaum Raum und Zeit für sich, stellt Elke Hüttenrauch fest. Sie hat jedes Jahr Einblick in mehrere hundert Familien und weiß, dass Frauen in heterosexuellen Partnerschaften den "Löwinnenanteil" der Familienarbeit leisten. "In der Stellenbeschreibung der Mutter steht ja auch die Zuständigkeit für die emotionale Ermüdung der Kinder und Partner", so Hüttenrauch. Aussagen über gleichgeschlechtliche Beziehungen seien ihr wegen zu geringen Datenmaterials derzeit nicht möglich.

Ähnlich erschöpft wie Mütter seien Frauen, die einen Angehörigen pflegen, ergänzt Angelika Klingel. In der Pandemie gebe es keine Angebote der Tagespflege, für Menschen mit Behinderung fielen regelmäßige Therapeutenkontakte weg. Aus Angst, den Pflegebedürftigen mit dem Virus anzustecken, würden auch die für die Pflege zuständigen Menschen oft Kontakte meiden. Pflege sei bis heute überwiegend Frauensache, so Klingel.

Die Erschöpfung der Mütter und der mit Pflege betrauten Frauen zeigt sich in psychischen und körperlichen Symptomen wie Schlafstörungen, Rücken- oder Kopfschmerzen, Bluthochdruck, Magen-Darmbeschwerden oder Migräneattacken. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach einer Kur. "Manche Frauen sind sogar zu erschöpft für eine Kur", berichtet Elisabeth Förter-Barth.

Kliniken sind das ganze Jahr ausgebucht

Für 2021 seien die Kliniken schon ausgebucht, es gebe bereits Wartelisten, erläutern Angelika Klingel und Elke Hüttenrauch. Die Kliniken arbeiten während der Pandemie mit reduzierter Belegung unter Hygieneauflagen weiter. Nur vereinzelt gebe es Absagen. Neben Bewegung an der frischen Luft, viel freier selbstbestimmter Zeit, Bädern und Massagen erwartet die Mütter bei der dreiwöchigen Kur in den Häusern der Diakonie auch ein Angebot zu einem Seelsorgegespräch.

"Die Kirche tut hier etwas für Frauen", sagt Angelika Klingel. Frauen fragten bei der Anmeldung oft gezielt nach professioneller Trauerbegleitung. Die Sozialwirtin leitet die evangelische Frauen- und Mütterkurklinik im oberschwäbischen Bad Wurzach sowie die evangelische Mutter-Kind-Kurklinik in Loßburg und in Scheidegg im Allgäu.

Mütterkuren, später auch Mutter-Kind- oder Mutter-Vater-Kind-Kuren, hat Elly Heuss-Knapp, die Frau des damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, ins Leben gerufen. Sie gründete vor 71 Jahren das Müttergenesungswerk zur Förderung der Müttergesundheit. Für eine Mütterkur ist ein ärztliches Attest notwendig. Die Kosten für eine dreiwöchige Kur übernehmen die Krankenkassen.

Susanne Lohse