sozial-Recht

Sozialgericht

Kostenübernahme für Gebärdensprachkurs trotz Hörprothese



Eine Hörprothese für ein hörbehindertes Kind schließt die Kostenübernahme für einen zusätzlichen Gebärdensprachkurs durch den Sozialhilfeträger nicht aus. Selbst wenn bei einem gehörlosen Kleinkind der lautsprachliche Entwicklungsstand aufgrund der sogenannten Cochlea-Implantate gut ist, kann das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache zur Kommunikation mit den Eltern und in besonderen Situationen dennoch erforderlich sein, entschied das Sozialgericht Nürnberg in einem am 7. Januar veröffentlichten Urteil.

Im Streitfall hat die heute vierjährige beidseitig hörgeminderte Klägerin die Kostenübernahme für einen Hausgebärdensprachkurs im Umfang von zwei Wochenstunden im Rahmen der Eingliederungshilfe beantragt. Die Eltern führten aus, dass ihre Tochter wegen ihrer Hörminderung bereits im Alter von acht Monaten zwei Innenohr-Implantate, sogenannte Cochlea-Implantate, erhalten habe, mit der sie das Sprechen und Hören lernen könne.

Implantate reichen nicht

Dennoch bleibe sie in vielen Situationen gehörlos. So müssten die Implantate zum Schlafen und bei bestimmten Sportarten oder auch beim Duschen abgenommen werden. Eine Verständigung und das Hörverständnis sei in Räumen mit vielen Menschen - etwa bei Geburtstagen oder Gottesdiensten nur sehr schwer möglich. In all diesen Fällen sei ihre Tochter faktisch gehörlos und auf Gebärdensprache angewiesen.

Der Sozialhilfeträger, der Bezirk Mittelfranken, lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für den Gebärdensprachkurs ab. Das Kind erhalte bereits eine ausreichende Frühförderung mit heilpädagogischen und logopädischen Leistungen.

Das Sozialgericht sprach dem Kind die Kostenübernahme dem Grunde nach zu. Zwar sei der lautsprachliche Entwicklungsstand des Kindes wegen der zwei Cochlea-Implantaten gut. Dies schließe aber die Kostenübernahme für einen Gebärdensprachkurs nicht aus. Zu Recht hätten die Eltern auf zahlreiche Situationen hingewiesen, bei denen die Cochlea-Implantate nicht ausreichten.

Nur wenige können Gebärdensprache

Der Gutachter habe dargelegt, dass künftig mit Einschränkungen des Sprachverstehens zu rechnen sei. Das zusätzliche Erlernen der Gebärdensprache könne hier die Kommunikationsfähigkeit sicherstellen. Der Einwand des Sozialhilfeträgers, dass nur etwa 200.000 Menschen die Gebärdensprache beherrschen und das Kind diese daher meist eh nicht anwenden könne, gehe fehl. Denn gerade bei kleinen Kindern komme es auf die Eltern-Kind-Kommunikation an, die die Gebärdensprache erleichtern könne.

Die UN-Behindertenrechtskonvention lege zudem fest, dass behinderte Menschen die Möglichkeit erhalten müssen, in ihrer natürlichen Sprache zu kommunizieren. Dies sei bei gehörlosen Menschen die Gebärdensprache. Der Sozialhilfeträger müsse im Streitfall noch entscheiden, in welchem Umfang die Kostenübernahme für den Gebärdensprachkurs erfolgen soll.

Az.: S 4 SO 81/18