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"ArbeiterKind" hilft beim Schritt an die Hochschule




Noch zu selten Ziel von Arbeiterkindern: Hochschulen, wie hier die Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
epd-bild / Thomas Rohnke
Seit acht Jahren unterstützt ArbeiterKind Schüler aus Nicht-Akademiker-Familien dabei, ein Studium aufzunehmen. Eines der Haupthindernisse: die Finanzierung. Nun braucht die Initiative selbst Geld. Deshalb startet sie am 5. Mai eine Spendenaktion.

David Dietsch hatte es geschafft: Als einer von rund 100 Studienanfängern saß er im Anzug bei der feierlichen Begrüßungsveranstaltung der renommierten Bucerius Law School in Hamburg. "Dennoch war da ein mulmiges Gefühl", erinnert sich der angehende Jurist. Denn zwei Stunden vor seinem Start an der Elite-Uni hatte Dietsch noch beim Sozialamt gesessen, um einen Überbrückungskredit bis zum Beginn der Bafög-Zahlungen zu beantragen.

Solche Situationen fürchten viele Kinder aus Nichtakademikerfamilien, und geben ihre Studienpläne rasch auf. Dass sie dennoch den Mut aufbringen, verdanken viele an angehenden Akademiker der Unterstützung durch ArbeiterKind.

Die gemeinnützige Initiative, die 2008 von der Gießener Doktorandin Katja Urbatsch gegründet wurde, wollte eigentlich nur vor Ort Arbeiterkinder zum Studium ermutigen. Doch die Initiatoren wurden von Anfragen aus ganz Deutschland überflutet.

Bundesweiter Einsatz erfordert hauptamtliches Personal

Heute arbeiten bundesweit 14 fest angestellte Mitarbeiter für die Initiative, davon fünf in der Berliner Geschäftsstelle. Sie betreuen rund 6.000 Ehrenamtliche in 75 Städten, die vor Ort beraten und Stammtische organisieren. Daneben bietet ArbeiterKind ein Info-Telefon sowie ein Online-Netzwerk an.

Die Nachfrage nach Beratung bei Studierenden der ersten Generation sei hoch, sagt ArbeiterKind-Sprecherin Evamarie König. Denn im internationalen Vergleich sei der Bildungserfolg von Kindern in Deutschland immer noch stark vom Wissensstand der Eltern abhängig. Von 100 Kindern aus nichtakademischen Familien nehmen nur 23 ein Studium auf. Von 100 Akademikerkindern studieren hingegen 77.

Einer der Hauptgründe sei die Angst, sich das Studium nicht leisten zu können, berichtet König. "Wie komme ich an BAföG?", sei eine der häufigsten Fragen, bestätigt Janina Schwabe. Die Studentin in der städtischen Zentralbibliothek in Bonn. Vor ihr auf dem Tisch liegen Flyer, hinter ihr steht eine Stellwand mit dem Schriftzug von ArbeiterKind. Einen Nachmittag im Monat bietet sie hier ehrenamtlich eine offene Sprechstunde für studierwillige Nichtakademiker-Kinder an.

"Wenn es gewünscht wird, begleiten wir die Leute auch zum Bafög-Amt", sagt Schwabe, die gerade ihren Bachelor in Pflegewissenschaft macht. Die Bonner Gruppe organisiert außerdem monatliche Info-Veranstaltungen an Schulen und einen regelmäßigen Stammtisch. Oft fehlten Studieninteressenten einfach die notwendigen Informationen, beobachtet Schwabe. "Es gibt zum Beispiel eine ganze Menge unterschiedlicher Stipendien. Auch Schüler, die keinen Einser-Durchschnitt im Abi haben, haben Chancen. Das wissen viele nicht."

Manchmal sind es aber nicht nur die finanziellen Sorgen, die Abiturienten vom Studium abhielten, weiß Schwabe. Teilweise mangele es auch an der Unterstützung der Eltern.

Oft sind die eigenen Eltern keine große Hilfe

Auch David Dietsch bedauert, dass seine Eltern ihn nicht moralisch bei seiner Entscheidung zum Studium unterstützten: "Wir leben einfach in unterschiedlichen Welten." Nach der Realschule hatte der 27jährige zunächst eine Ausbildung im familieneigenen Betrieb gemacht: "Es ist nicht leicht, seinem Vater dann zu erklären, dass man etwas anderes machen und den Betrieb nicht übernehmen will."

Heute ist Dietsch selbst ehrenamtlicher Mentor bei ArbeiterKind. Die Initiative hat mittlerweile so prominente Unterstützer wie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Airbus-Chef Thomas Enders oder Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, die für das ArbeiterKind-Videoportal ersteanderuni.de ihre Erfahrungen schilderten.

An Unterstützung vonseiten der Politik mangelt es ArbeiterKind nicht. Dennoch muss sich die gemeinnützige Initiative mittlerweile um ihre Finanzierung sorgen. Bislang sei ArbeiterKind aus unterschiedlichen Töpfen gefördert worden, unter anderem durch das Bundesbildungsministerium, sagt Sprecherin König. Diese Förderungen seien aber immer nur befristet und machten längerfristige Planungen schwierig. "Davon möchten wir loskommen."

Deshalb will die Initiative nun genügend private Spender finden, um unabhängig von öffentlichen Geldern zu werden. Zum achten Geburtstag am 5. Mai soll eine Spendenaktion starten: "Wir stehen am Scheideweg. Wir wollen weiter wachsen, doch dazu braucht es eine gesunde Finanzierung."

Claudia Rometsch

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