Ausgabe 18/2016 - 06.05.2016
Würzburg/München (epd). Im Krankenhaus von Schrobenhauen in Oberbayern wird nicht mehr geboren. Seit Anfang April ist die Geburtshilfe geschlossen. Der Grund, so Eduard Fuchshuber von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft: "Es mangelt an Hebammen." Schrobenhausen ist kein Einzelfall, erklärt Fuchshuber anlässlich des Internationalen Hebammentags am 5. Mai: "Dass Hebammennachwuchs fehlt, ist in mehreren bayerischen Kliniken ein aktuelles Thema."
Immer mehr Hebammen ziehen sich nach den Beobachtungen der Krankenhausgesellschaft aus der Geburt zurück. So entgehen sie den Versicherungsprämien. "Leider entschließen sich gleichzeitig zu wenige Hebammen, die Stellenangebote unserer Kliniken anzunehmen", sagt Fuchshuber. Viele lehnten eine Festanstellung ab.
Dem Bayerischen Landesamt für Statistik zufolge waren 2014 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) 770 Beleghebammen sowie 707 fest angestellte Hebammen in bayerischen Klinken tätig. Insgesamt gab es 3.628 Hebammen und Entbindungspfleger. Auf 100.000 gebärfähige Frauen zwischen 15 und 44 Jahren kamen damit 157 Hebammen. Eigentlich eine gute Relation. 2003 gab es erst knapp 2.400 Hebammen. 94 kamen damals auf 100.000 gebärfähige Frauen.
Die absolute Anzahl der Hebammen ist laut Astrid Giesen, Vorsitzende des Bayerischen Hebammenverbands, denn auch nicht das Problem: "Zahlreiche Kolleginnen arbeiten jedoch nur sehr wenig." Die Frauen entscheiden sich der Regensburger Hebamme zufolge für einen 450-Euro-Job, weil sonst sofort hohe Beiträge zur Sozialversicherung anfallen würden. Diese Situation könnte nur dadurch geändert werden, dass die Beiträge zur Krankenkasse an den Verdienst angepasst würden: "Derzeit ist es so, dass man gleich mit einem hohen Betrag einsteigen muss."
Hebamme zu sein, bedeutet auch nicht unbedingt, sich in der Geburtshilfe zu engagieren. Manche Frauen übernehmen nur noch die Geburtsvorbereitung und die Nachsorge. "Teilweise betrifft dies auch Frauen, die lange in der Geburtshilfe tätig waren", sagt Giesen. Hinter diesem Rückzug stehen laut Giese massive Ängste.
Denn wenn etwas bei der Geburt schiefläuft, müsse irgendwer als Schuldiger an den Pranger gestellt werden: "Die Schuldfrage im deutschen Haftungsrecht tut überhaupt nicht gut. Es kommt dadurch zu Prozessen gegen einzelne Personen, die extrem belastend sind." Der Verband fordert stattdessen ein offenes Fehlermanagement in den Kliniken einzuführen. Und er tritt ein für einen Haftpflichtfonds, der für Schäden aufkommt, die über einer bestimmten Deckungssumme liegen. "Damit könnte die Preisspirale bei den Prämien gestoppt werden", heißt es auf der Homepage des Bundesverbandes.
Der Rückzug aus der Geburtshilfe macht es für Krankenhäuser so schwer, Hebammen zu gewinnen. Zwei bis drei Monate dauert es zum Beispiel für die Kliniken der Schwesternschaft München derzeit, eine ausgeschriebene Hebammen-Stelle zu besetzen. Der Alltag auf einer großen Geburtshilfestation sei "anstrengend", bestätigt Sprecherin Monisha Das. In den vergangenen Jahren wechselten deshalb einige Hebammen von den Kliniken der Schwesternschaft in kleinere Häuser mit weniger Geburten.
"Der feste Job in einer Geburtshilfeabteilung ist stressig", gibt auch Eduard Fuchshuber von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft zu. Vor allem dann, wenn mehr als 300 Geburten jährlich anfallen. Dies wiederum ist durch die Zusammenlegung kleinerer Geburtshilfen immer häufiger der Fall.
Dass es im vor allen Dingen ländlichen Raum zusehends weniger Geburtshilfeabteilungen und weniger niedergelassene Hebammen gibt, macht auch dem Landkreistag Sorgen. "Schwangere sollten bei normalem Schwangerschaftsverlauf die Geburt in überschaubarer Entfernung organisieren können", sagt Gesundheitsreferent Klaus Schulenburg. Dies gebiete der Grundsatz, dass die Lebensverhältnisse überall in Bayern gleichwertig sein sollen. Die Krankenhäuser versuchten, das Problem zu lösen, indem sie Belegabteilungen zu Hauptabteilungen umfunktionierten. Durch veränderte Schicht- und Bereitschaftsdienste soll Schulenburg zufolge zudem die Dienstbelastung für einzelne Hebammen minimiert werden.
"Die Arbeit von Hebammen ist viel wert. Hebammen leisten rund um die Uhr einen unschätzbaren Dienst an Mutter und Kind", betont Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands. Aber das allein reiche nicht, die Nachwuchsprobleme zu lösen. Sie fordert von der Politik Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen: "Hebammen arbeiten derzeit häufig unter schwierigen Bedingungen bei geringer Vergütung".