Ausgabe 32/2016 - 12.08.2016
Gotha (epd). In einem Rechtstreit um die Kürzung von Hartz IV-Leistungen hat das Sozialgericht Gotha zum zweiten Mal das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Nachdem Karlsruhe einen ersten Anruf aus formalen Gründen im Mai zurückgewiesen habe, sei durch die Thüringer Richter die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregeln gegen Arbeitssuchende erneut in Zweifel gezogen worden, teilte das Gericht am 3. August in Gotha mit. Seiner Auffassung nach verstoßen gleich mehrere Sanktionsregeln des Sozialgesetzbuches (SGB) II gegen in der Verfassung verankerte Grundrechte.
Im konkreten Verfahren habe der Kläger Leistungen vom Jobcenter Erfurt erhalten. Nachdem er zunächst ein Arbeitsangebot abgelehnt habe, sei ihm die Leistung um 30 Prozent des Regelbedarfs (117,30 Euro) monatlich gekürzt worden. Wegen einer weiteren Pflichtverletzung verfügte das Jobcenter eine Minderung des Regelbedarfs um 60 Prozent und kürzte die Leistungen um 234,60 Euro monatlich. Der mann soll laut Gericht gegen eine Eingliederungsvereinbarung verstoßen haben, indem er einen Gutschein zur Erprobung bei einem Arbeitgeber nicht einlöste.
Dagegen sei der Mann mit einer Anfechtungsklage vorgegangen. Eine Anwendung der Sanktionsregelungen des SGB II kämen nicht in Betracht, weil diese verfassungswidrig seien, habe er zur Begründung angeführt.
Im Kern geht es den Gothaer Richtern um die Frage, ob das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums damit vereinbar ist, dass das für die Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums maßgebliche Arbeitslosengeld II aufgrund von Pflichtverletzungen um 30 beziehungsweise 60 Prozent gemindert werden darf oder bei weiteren Pflichtverletzungen sogar vollständig entfallen kann. Diese Frage könne aber nur das Verfassungsgericht klären, befanden die Gothaer Juristen.
Karlsruhe hatte seine Ablehnung vom 6. Mai 2016 damit begründet, dass unklar sei, ob die Rechtsfolgenbelehrungen zu den Sanktionsbescheiden den gesetzlichen Anforderungen genügten. Wären die angegriffenen Bescheide bereits aufgrund fehlerhafter Rechtsfolgenbelehrungen rechtswidrig, käme es auf die Verfassungsgemäßheit der ihnen zugrundeliegenden Normen nicht mehr an. Dazu habe das Sozialgericht Gotha nun nochmals verhandelt und entsprechende Feststellungen getroffen.
Az: S 15 AS 5157/14