sozial-Politik

Bundesregierung

Experten für Änderungen an Pflegegesetz




Vor allem pflegende Angehörige brauchen dringend bessere Beratung, welche Hilfen der Kassen ihnen zustehen.
epd-bild / Klaus G. Kohn

Gesundheitsexperten verlangen Nachbesserungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein drittes Pflegestärkungsgesetz (PSG III). Die Sachverständigen warnten in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am 17. Oktober vor allem vor drohenden Verschlechterungen für Behinderte. So würden pflegebedürftige Behinderte durch die geplante Leistungskonkurrenz von Pflege und Eingliederungshilfe deutlich schlechter gestellt, lautete der Tenor.

Mehrere Fachleute kritisierten auch, dass mit der Schwerpunktsetzung auf die Kommunen gut funktionierende Strukturen ohne Not ausgehebelt werden könnten. Außerdem seien die Kommunen als Träger der Sozialhilfe mit den sich abzeichnenden deutlich höheren Kosten überfordert, lautete der Befund.

Beratung soll verbessert werden

Mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz soll die Beratung von Pflegebedürftigen und Angehörigen in den Kommunen verbessert werden. Die Novelle basiert auf den Empfehlungen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe und soll Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen eine Beratung aus einer Hand ermöglichen.

Das neue Gesetz sieht nun vor, die kommunale Steuerungs- und Planungskompetenz für die regionale Pflegestruktur zu stärken. Konkret heißt das, dass die Städte und Gemeinden für fünf Jahre das Recht bekommen sollen, aus eigener Initiative Pflegestützpunkte einzurichten. Ferner sollen sie Gutscheine der Versicherten für eine Pflegeberatung einlösen können.

Darüber hinaus sollen in bis zu 60 Kreisen oder kreisfreien Städten für die Dauer von fünf Jahren als Modellprojekte Beratungsstellen eingerichtet werden. Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen soll so eine bessere Beratung über die mögliche Hilfen gewährt werden, so etwa über Hilfe zur Pflege, Eingliederungshilfe oder Altenhilfe.

Kommunen bekommen Planungskompetenz

Das Gesetz schafft zudem für Kommunen die Möglichkeit, sich am Auf- und Ausbau der Angebote zur Unterstützung im Pflegealltag auch in Form von Personal- oder Sachmitteln zu beteiligen.

Dem Entwurf zufolge soll auch im Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII/Sozialhilfe) der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt werden, um sicherzustellen, dass finanziell Bedürftige im Pflegefall angemessen versorgt werden. Zudem sollen Abgrenzungsfragen zwischen Leistungen der Eingliederungshilfe und der Pflegeversicherung beziehungsweise Hilfe zur Pflege geregelt werden.

Nach der Aufdeckung von Betrugsfällen bei Pflegediensten soll künftig außerdem insbesondere die häusliche Krankenpflege stärker kontrolliert werden. Die Gesetzliche Krankenversicherung erhält dazu ein systematisches Prüfrecht.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband erklärte in der Anhörung, es dürfe keinen Vorrang von Pflegeleistungen gegenüber der Eingliederungshilfe für Behinderte geben. Vielmehr müssten die Leistungen wie bisher nebeneinander gewährt werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Behinderten mit Verweis auf die vorrangigen Pflegeleistungen nötige Teilhabeleistungen vorenthalten würden, betonte der Verband.

Leistungen gleichrangig beibehalten

Die Bundesvereinigung Lebenshilfe wies darauf hin, dass sich Eingliederungshilfe und Pflegeversicherung grundlegend unterschieden. So diene die Eingliederungshilfe dazu, eine Behinderung abzuwenden oder deren Folgen zu mildern. Leistungen der Eingliederungshilfe könnten daher nicht nachrangig sein. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe argumentierte ähnlich und forderte ebenfalls, die Leistungen gleichrangig beizubehalten.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge verlangte, behinderten, pflegebedürftigen Menschen müssten unabhängig davon, wo und wie sie leben, die Pflegeleistungen in vollem Umfang zur Verfügung stehen. Eine Beschränkung der von den Pflegekassen zu übernehmenden Aufwendungen in der vorgesehenen Höhe von maximal 266 Euro im Monat lehnte er ab.

Die kommunalen Spitzenverbände befürchten durch die drei neuen Pflegegesetze eine erhebliche Kostenbelastung, die bisher stark unterschätzt werde. Die Rolle der Kommunen für die Pflege werde auch nur unzureichend gestärkt, hier bleibe der Entwurf weiter hinter den Erwartungen zurück. Der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärte, die drei Pflegestärkungsgesetze hätten hinsichtlich der nachhaltigen Dynamisierung der Pflegeleistungen keine Fortschritte gebracht. So stiegen die Kosten für Pflege ständig mit der Folge, dass Verbraucher immer mehr aus eigener Tasche bezahlen müssten.


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