Ausgabe 45/2017 - 10.11.2017
Nürnberg (epd). Die Bundes-Behindertenbeauftragte Verena Bentele (SPD) appelliert an die künftige Bundesregierung, weitere Regelungen zur Gleichstellung auf den Weg zu bringen. Barrierefreiheit müsse auch für die Privatwirtschaft zur Pflicht werden, forderte Bentele am 8. November in Nürnberg bei der Eröffnung der Fachmesse ConSozial.
Zudem mahnte sie Korrekturen in den Wahlgesetzen von Bund und Ländern an. Bei der jüngsten Bundestagswahl waren rund 81.000 Bürger, die ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können und deshalb in rechtlicher Betreuung leben, von der Wahl ausgeschlossen. Das sei nicht länger hinzunehmen: "In der Demokratie müssen gleiche Rechte für alle gelten", sagte Bentele. Mit den Wahlrechtsreformen lasse sich mehr Teilhabe von Menschen mit Handicap erreichen. Das sei auch ein wichtiger Schritt hin zu mehr Inklusion.
Die bayerische Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sieht auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft noch viel zu tun. Die Teilhabe aller Menschen an Arbeit, Kultur und Freizeit werde aber gelingen und sei "eine echte Vision und keine Utopie", sagte sie bei der Eröffnung der Fachmesse. Ziel müsse es sein, dass alle Menschen zusammen leben, arbeiten und ihre Freizeit gestalten könnten, ganz gleich, ob sie eine Behinderung hätten, bedürftig, alt oder zugewandert seien.
"Die inklusive Gesellschaft ist die gerechtere und bessere Gesellschaft", sagte Müller. Inklusion sei "eines der Megathemen unserer Zeit". Deshalb widme sich auch die ConSozial 2017 als bundesweit größter Branchentreff diesem Thema.
Bayern habe in den vergangenen Jahren bereits viele Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen erreicht. So investiere der Freistaat von 2015 bis 2014 rund 430 Millionen Euro in den Ausbau der Barrierefreiheit etwa in öffentlichen Gebäuden oder Bahnhöfen. Müller verwies auf die Fortschritte beim Programm "Bayern barrierefrei". Ihren Angaben nach weist das Signet landesweit bereits an über 1.100 Stellen auf den erfolgten Abbau von Barrieren hin. Auch habe sich die Zahl der Mädchen und Jungen mit Behinderungen, die in Bayern in inklusiven Kitas betreut werden, seit 2007 bereits auf 11.200 Kinder fast verdreifacht.
Peter Neher, der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, forderte Politik, Verbände und Zivilgesellschaft auf, den Weg zur Inklusion konsequent weiter zu gehen. Ziel müsse "die selbstbestimmte Teilhabe aller Menschen sein", bei der "die Würde des Einzelnen geschützt und dessen Autonomie" gestärkt werde. Dazu brauche es "langen Atem und das Zutun vieler". Neher, der auch Präsident der Caritas ist, erwarte von der ConSozial "einen Schub hin zu einer inklusiven Gesellschaft".
Ministerin Müller übergab den alle zwei Jahre verliehenen ConSozial-Managementpreis an die Josefs Gesellschaft Köln gGmbH. Das katholische Sozialunternehmen mit 6.000 Beschäftigten und 17 Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen hat ein Teilhabe-Managementsystem entwickelt, das auf den Wünschen und Anliegen der betreuten Menschen basiert. Die sogenannte personenzentrierte Teilhabeplanung basiert auf der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Die Software unterstützt den Case Manager und dokumentiert Leistungen und ihre Dauer.
So lässt sich den Angaben zufolge der Planungs- und Verwaltungsaufwand reduzieren und die Kommunikation zwischen Betreuern und behinderten Menschen verbessern. Müller sprach von "einer herausragenden Innovation". Die Jury urteilte, das JG-Teilhabemanagement liefere eine Lösung "für wesentlich aktuelle Herausforderungen in der Behindertenhilfe und lässt sich auch in anderen Organisationen umsetzen". Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young gestiftet.
Die ConSozial fand zum 19. Mal in Nürnberg statt und stand in diesem Jahr unter dem Motto "Zukunft Inklusion". Zu dem Fachtreffen, das bis zum 9. November dauerte, wurden nach Veranstalterangaben über 5.000 Besucher erwartet. 220 Aussteller zeigten ihre Dienstleistungen und Produkte.