sozial-Branche

Studie

Diskriminierung von Roma in der Hauptstadt nimmt zu




Kundgebung zum "Romaday" gegen Diskriminierung von Sinti und Roma 2016 in Berlin.
epd-bild/Christian Ditsch
Welchen täglichen Diskriminierungen Roma in Berlin ausgesetzt sind, belegt eine aktuelle Studie des Vereins Amoro Foro. Dokumentiert werden Vorfälle aus dem Alltag - bei Behörden, in Schulen, Kitas oder bei Arbeitsgebern. Die Zahl der Ausfälle nimmt zu, bilanziert der Verein.

Insgesamt wurden der Erhebung zufolge 2017 in der Hauptstadt 252 antiziganistische Fälle dokumentiert. Erfasst 167 von Betroffenen, Sozialarbeitern oder ehrenamtlichen Helfern gemeldete Vorfälle (plus 14 Prozent). Weitere Vorfälle betrafen die Berichterstattung und Kommentare in den Medien. Damit setzt sich ein Trend offen geäußerter Roma Feindlichkeit oder Diskriminierung fort, den der Verein seit 2014 in der Hauptstadt beobachtet.

Der Verein erläutert, in den Einstellungen der Mehrheitsbevölkerung überlebten jahrhundertealte Klischees, die sich auch in den dokumentierten Einzelfällen widerspiegeln.

"Negative und romantisierte Vorstellungen"

Die Pressesprecherin des Vereins, Andrea Wierich, nennt in diesem Zusammenhang negative und romantisierte Vorstellungen, die es seit Jahrhunderten über "Zigeuner" gibt, zum Beispiel, dass sie "parasitär" lebten und mit Musik, Wahrsagerei, Betteln und Diebstahl ihr Auskommen sicherten. Zu den hartnäckigen Vorurteilen gehöre auch, dass die Betroffenen als von Natur aus identitätslos betrachtet würden und eine "naturverbundene“ Lebensweise führten ohne Disziplin und Moral.

Besonders häufig sind demnach Roma und andere Osteuropäer, die in prekären Verhältnissen leben, betroffen. Allein 61 Vorfälle gab es den Angaben nach im Kontakt mit den Leistungsbehörden.

So wird exemplarisch die Erfahrung eines Sozialarbeiters beschrieben, der regelmäßig Roma beziehungsweise Menschen bulgarischer oder rumänischer Herkunft zum Jobcenter im Wedding begleitet. Seine Klienten würden dort von einem Arbeitsvermittler immer wieder offen als "Sozialschmarotzer" beschimpft und aufgefordert: "Gehen Sie zurück in ihr Land".

Offene Diskriminierung in Behörden

In einem anderen Fallbeispiel habe eine Sachbearbeiterin in einem Jobcenter in Neukölln Betrug unterstellt und den vorgelegten Arbeitsvertrag mit den Worten kommentiert: "Das sind alles falsche Arbeitsverträge von Bulgaren." Sie habe dann damit gedroht, "Schritte einzuleiten", sollte der Klient seinen Antrag abgeben. Der bekam später vor Gericht im Eilverfahren Recht und die beantragten Leistungen wurden bezahlt.

Diana Botescu, die bei Amoro Foro das Dokumentationsprojekt koordiniert, spricht bei den vielen Einzelfällen von antiziganistischen Äußerungen von Behörden- und Justizmitarbeitern "von struktureller Diskriminierung".

Die Dokumentation listet zudem 26 Einzelfälle aus dem Bereich Bildung auf, darunter auch Vorfälle an Sprachschulen, die Deutsch- und Integrationskurse anbieten. Eine Schulmediatorin meldete demnach einen Fall, in dem das Bewerbungsgespräch an einer Kita sofort nach der Vorstellungsrunde abgebrochen wurde, als die Kitaleiterin erfuhr, dass die Eltern aus Bulgarien kamen.

Mobbing in der Kita

Eine andere Kita legte einen eigenen Dokumentationsordner für "Roma-Kinder" an, und eine Frau serbischer Herkunft meldete Mobbing aus einer Bildungseinrichtung, in der sie tätig war. Die Leitung unternahm nichts, als die Betroffene rassistische Äußerungen und Mobbing durch Arbeitskollegen meldete, der ehemalige Leiter nannte sie selbst abwertend „Esmeralda, die Zigeunerin“.

Verstärkt werden antiziganistische Einstellungen laut der Dokumentation auch oft durch die Medien. In diesem Bereich fand Amoro Foro nach der Auswertung von 105 Artikeln 51 diskriminierende Ausfälle.

Auch aus der Politik seien antiziganistische Äußerungen belegt, hieß es. So zum Beispiel von Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), die stufte osteuropäische Wohnungslosen als "freiwillig obdachlos" ein. In diesem Zusammenhang nennt der Verein auch die Aussage der Sprecherin der Sozialverwaltung, dass die Betroffenen nicht in Obdachlosenunterkünfte wollten, weil sie dort keinen Alkohol und keine Drogen konsumieren dürften.

Positiv bewertet der Verein, dass negative oder klischeehafte Medienberichte im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen sind. Und: Warnungen vor Gewaltaufrufen rechter Parteien gegen Roma und Obdachlose in sozialen Medien werden vom Berliner Landeskriminalamt ernst genommen.

Jutta Geray

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