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Gesundheit

Sachverständige fordern Umbau der Notfallversorgung




Notaufnahme einer Berliner Klinik
epd-bild/Werner Krüper
Der Sachverständigenrat Gesundheit hat sich für einen Umbau der Notfallversorgung in Deutschland ausgesprochen. Ziel müsse sein, lange Wartezeiten und die Überlastung des Personals abzubauen.

Rettungsdienste und Kliniken werden nach Expertenauffassung oft unnötig in Anspruch genommen. Wie es in dem am 2. Juli in Berlin vorgestellten Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen heißt, könnten viele Patienten oft genauso gut bei niedergelassenen Ärzten behandelt werden. Patienten blockierten mit vergleichsweise harmlosen Beschwerden spezialisierte Behandlungskapazitäten, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Ferdinand Gerlach.

Bundeseinheitliche Rufnummer angeregt

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte bei Entgegennahme des Gutachtens, gerade die Notfallversorgung müsse auf neue Füße gestellt werden. Ambulante und stationäre Versorgung solle künftig "an einem Tresen" organisiert werden. "Wir brauchen eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit im Gesundheitswesen", sagte Spahn.

Nach Ansicht der Experten sollen künftig alle Hilfesuchenden rund um die Uhr und möglichst über eine bundeseinheitliche Rufnummer kompetente Ansprechpartner in sogenannten Integrierten Leitstellen (ILS) erreichen. Dort sollen alle akuten Notrufe über die Nummer 112 und Anrufe für den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte (116 117) zusammenlaufen. Bevor der Patient überhaupt sein Haus verlässt, könne so der beste "Versorgungspfad" festgelegt werden: vom Einsatz eines Notarztwagens mit Blaulicht über den Hausbesuch eines Bereitschaftsarztes bis hin zur Aktivierung eines Notpflege- oder Palliative-Care-Teams. Gehfähige Patienten mit akutem Behandlungsbedarf erhielten kurzfristig Termine in Praxen niedergelassener Ärzte oder von der ILS einen Soforttermin in einem Integrierten Notfallzentrum.

Das alle zwei Jahre erscheinende Gutachten des Sachverständigenrates steht in diesem Jahr unter dem Motto "Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung". Das 1985 ins Leben gerufene Gremium besteht aus sieben Experten verschiedener Fachdisziplinen.

Krankenhausplanung oft nicht bedarfsgerecht

Im Gutachten heißt es, vorhandene Mittel im Gesundheitswesen sollten zielgerichteter als bisher eingesetzt werden. Trotz vielfältiger Reformgesetze bestimmten Über-, Unter- und Fehlversorgung das deutsche Gesundheitssystem. So erfolge beispielsweise die derzeitige Krankenhausplanung oftmals nicht bedarfsgerecht. Bei der Investitionsförderung reichten die vorhandenen Investitionsmittel der Länder nicht aus, sagte der stellvertretende Ratsvorsitzende Eberhard Wille. Dies sei unter anderem Folge eines Überangebots an Krankenhäusern. Die derzeitige bettenorientierte Planung sollte durch eine leistungsorientierte Planung ersetzt werden.

Einer bedarfsgerechten sektorenübergreifenden Versorgung stehe eine starke Abschottung etwa zwischen Kliniken und Praxen entgegen, hieß es weiter. Zwischen beiden Bereichen verlaufe eine unsichtbare, aber sehr folgenreiche Mauer. Trotz einiger Verbesserungen bei der integrierten Versorgung in den vergangenen 20 Jahren falle die Bilanz immer noch nicht zufriedenstellend aus, heißt es. Der Sachverständigenrat empfiehlt unter anderen eine "gezieltere Steuerung" der Patienten durch das Angebot von Kliniken und Praxen, eine bessere "Koordination von Patientenwegen" und eine Stärkung der Selbstbestimmung der Betroffenen.

Lukas Philippi