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Medizinethiker Nagel: Eintrittsgebühr für Notaufnahme ist unsozial



Der Medizinethiker Eckhard Nagel hat die von Kassenärztlichen Vereinigungen geforderte Eintrittsgebühr von 50 Euro für die Notaufnahmen als unsozial kritisiert.

"In dem Moment, wo bestimmte Gruppen der Bevölkerung es sich nicht mehr leisten können, wenn sie unsicher sind, zu einer Notfallambulanz oder Notaufnahme zu gehen, riskieren wir einen Grundpfeiler unseres solidarisch organisiertem Gesundheitssystems", sagte Nagel im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Angesichts der zunehmenden Belastung von Notaufnahmen hatten die Kassenärzte kürzlich eine Patientengebühr von 50 Euro vorgeschlagen.

Diese schlichte ökonomische Sichtweise sei "zu banal" und werde dem Thema nicht gerecht, sagte der Professor am Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth. Für den Teils gravierenden Anstieg von Patientenzahlen in Notaufnahmen gebe es viele Gründe. "Es ist eine komplexe Gemengelage und nicht eine neue Bequemlichkeit unserer Bevölkerung." Befragungen zeigten, dass etwa der Hälfte der Patienten in Notaufnahmen bewusst sei, dass sie nicht akut lebensgefährlich erkrankt seien.

Weniger Bindung an die Hausärzte

"Ein wesentlicher Punkt ist, dass die normalen Hausarzt-Patienten-Beziehungen, die es über Jahrzehnte gab, durch mobilere Arbeits- und Lebensbedingungen deutlich abnehmen", erläuterte Nagel. Wo früher noch der Hausarzt angerufen wurde, gingen die Menschen inzwischen eben häufiger in die Notaufnahme. Zudem seien durch das Internet medizinische Informationen zwar leichter zugänglich. Das führe aber auch zu größerer Verunsicherung, unterstrich der Mediziner und Theologe.

Durch den Ärztemangel habe zum Teil die Erreichbarkeit von Praxen abgenommen. Auch wenn die Wartezeiten auf Facharzttermine im internationalen Vergleich in Deutschland immer noch gering seien, sei ein Großteil der Bevölkerung die derzeitige Situation nicht gewohnt.

Sinnvoll sei der Vorschlag, Notarztpraxen als eine Art kassenärztlichen Bereitschaftsdienst in die Nähe von Notfallambulanzen in Krankenhäusern zu legen, sagte Nagel. Diese könnten eine erste Anlaufstelle sein und im Zweifelsfall entscheiden, wer in die Notaufnahme weitergeleitet werde. In Verbindung mit einem Krankenhaus seien sie für Patienten in Not außerdem leicht zu finden.

Charlotte Morgenthal


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