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Niedersachsen

"Portalpraxen" sollen Notaufnahmen entlasten



In der Diskussion um überfüllte Notaufnahmen in Krankenhäusern setzt Niedersachsens Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) auf sogenannte Portalpraxen. Dabei arbeiten Allgemeinmediziner des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes mit den Notaufnahmen der Kliniken zusammen und behandeln die weniger schweren Fälle. Dazu liefen derzeit vielversprechende Modellversuche an der Medizinischen Hochschule Hannover und am Städtischen Klinikum Braunschweig, teilte das Sozialministerium am 18. Juli auf epd-Anfrage mit.

Die Schaffung von Portalpraxen sei auch im Koalitionsvertrag von SPD und CDU vereinbart, hieß es. "Mit Portalpraxen erreichen wir, dass Patientinnen und Patienten mit akuten Problemen schon beim Eintreffen dem richtigen Behandlungsweg zugeleitet werden", sagte Ministerin Reimann.

Eine Kostenbeteiligung von 50 Euro für Patienten in der Notaufnahme, wie sie die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) vorgeschlagen hatte, lehnte Reimann dagegen ab. Die KVN hatte kritisiert, dass die meisten Patienten in der Notaufnahme von Kliniken keine wirklichen Notfälle seien. Sie äußerte jedoch auch Zweifel daran, ob sich Portalpraxen flächendeckend einrichten ließen.

Behandlungsentscheidung am zentralen Tresen

Bei den Portalpraxen werden Patienten an einem zentralen Tresen vom Pflegepersonal empfangen und dann entsprechend ihrer Beschwerden entweder an einen Allgemeinmediziner oder in die Notaufnahme weitergeleitet.

Professor Nils Schneider von der Medizinischen Hochschule Hannover berichtete von positiven Erfahrungen mit diesem Modell. "Wenn es nichts Lebensbedrohliches ist, geht es erst mal zum Allgemeinmediziner", sagte er dem epd. Das seien etwa Fälle von Rückenschmerzen, Bauchschmerzen oder psychosomatischen Beschwerden.

So würden die Spezialisten in der Klinik entlastet und die Patienten trotzdem bedarfsgerecht versorgt. Für die Patienten sei es wichtig, eine zentrale Anlaufstelle zu haben, betonte Schneider. Allerdings müsse es nicht an jedem Krankenhaus eine Portalpraxis geben. Ausgewählte Standorte genügten.

Die Kassenärztliche Vereinigung dagegen zeigt sich skeptisch gegenüber dem Modell der Portalpraxen. Dafür müssten die bisher zeitlich begrenzten kassenärztlichen Bereitschaftsdienste erheblich ausgeweitet werden, so dass sie an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr zur Verfügung stünden. Dafür fehle es jedoch an Ärztinnen und Ärzten, die allgemeinmedizinisch tätig sein könnten. Der Markt sei "leer gefegt". Die KVN unterhält nach eigenen Angaben landesweit 68 Bereitschaftsdienstpraxen in oder in unmittelbarer Nähe von Krankenhäusern.



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