sozial-Recht

Pflege-WG ist nicht automatisch ein "Heim"




Nicht jede Pflege-WG hat automatisch den Heimstatus. Kriterien dazu hat jetzt der Bundesgerichtshof festgelegt. (Archivbild)
epd-bild/Jürgen Blume
Eine Wohngemeinschaft von Pflegebedürftigen im betreuten Wohnen gilt nicht automatisch als "Heim". Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Es kommt auf die Details an. Entscheidend sei die Frage, ob die Mieter den notwendigen Pflegedienst frei wählen können und sie nicht das Pflegedienstangebot des Vermieters annehmen müssen.

Umstritten war in dem Verfahren die Vergütungshöhe eines Betreuers. Die Bezahlung fällt im Tarif für Heimbewohner nämlich niedriger aus. Die Karlsruher Richter sprachen dem Kläger, der einen Pflegebedürftigen in einer Wohngemeinschaft versorgte, in einem am 17. Januar veröffentlichten Beschluss eine höhere Vergütung zu.

Der unter Betreuung stehende Mieter lebt mit anderen schwerst Pflegebedürftigen im "betreuten Wohnen" in einer Gemeinschaft in Amberg in der Oberpfalz. Gemeinsam haben sie entschieden, dass die Betreuungs- und Pflegedienstleistungen von bestimmten Anbietern erbracht werden, die organisatorisch mit dem Vermieter verbunden ist. Nach dem Mietvertrag waren sie dazu aber nicht verpflichtet.

Streit über Höhe der Vergütung

Der Betreuer hat für seine Arbeit für die Zeit vom 11. September 2016 bis 10. Dezember 2016 eine Vergütung in Höhe von 594 Euro beantragt. Der Pflegebedürftige meinte, dass die geringere Betreuer-Vergütung für Heimbewohner greifen müsse, in seinem Fall 330 Euro. In einem Heim habe der Betreuer weniger Arbeit, da viele Tätigkeiten vom Heimbetreiber übernommen würden. Das sei bei ihm der Fall.

Der BGH entschied nun aber, dass der Betreuer die höhere pauschale Vergütung beanspruchen kann. Der Pflegebedürftige lebt danach in seiner Pflege-WG nicht in einem stationären Heim. Ein Heim im klassischen Sinne liege erst dann vor, wenn der Vermieter zusätzlich zum Wohnen verpflichtend auch die Inanspruchnahme seiner Pflege- und Betreuungsleistungen "aus einer Hand" anbietet.

Zwar hätten hier die WG-Bewohner die erforderlichen Pflegedienstleistungen von Anbietern in Anspruch genommen, die organisatorisch mit dem Vermieter verbunden sind. Dazu seien sie aber vertraglich nicht verpflichtet gewesen. Die Gesamtheit der WG-Bewohner könne laut Mietvertrag auch einen anderen Pflegedienstanbieter frei wählen.

Grad der Behinderung ist unwichtig

Nicht ausschlaggebend sei zumindest nach dem Betreuungsrecht, welchen Grad der Pflegebedürftigkeit der Bewohner hat. Im konkreten Fall habe die Pflegeversicherung bei dem Betroffenen auch nur Leistungen zur ambulanten und nicht stationären Pflege gewährt.

Wegen der Unterbringung in einer Pflege-WG habe der Betreuer auch nicht weniger Arbeit, befand das Gericht. Denn er müsse weiterhin Aufgaben der Überwachung und Organisation wahrnehmen. Auch müsse er sich zudem um die Apotheke, den Optiker, den Augenarzt oder um Hygieneartikel selbst kümmern.

Inwieweit die Heimaufsicht für vermeintliche Pflege-WGs zuständig ist und diese, etwa zur Sicherung der Pflegequalität, kontrollieren darf, hängt dagegen vom jeweiligen Heimrecht eines Bundeslandes ab. So hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf am 24. November 2017 für das Heimrecht in Nordrhein-Westfalen entschieden, dass zwei Wachkomapatienten keine Wohngemeinschaft bilden können und daher eine der Heimaufsicht unterliegende, genehmigungspflichtige Pflegeeinrichtung vorliegt. Als "Heim- und Pflegeeinrichtung" zahlt die Pflegeversicherung geringere Pflegesätze als für Bewohner einer "Wohngemeinschaft".

Frage nach dem selbstverantworteten Leben

Im entschiedenen Fall hatte ein Pflegedienst aus dem Kreis Viersen geklagt, der sich gegen die Feststellung der Heimaufsichtsbehörde wehren wollte, dass er eine Pflegeeinrichtung betreibt. Der Pflegedienst hatte eine Wohnung angemietet und die einzelnen Zimmer an schwerst Pflegebedürftige, insbesondere Wachkomapatienten, untervermietet und diese "Rund-um-die-Uhr" betreut. Das sei eine, nicht von der Behörde zu kontrollierende Wohngemeinschaft, so der Pflegedienst.

Die Heimaufsichtsbehörde verwies darauf, dass die Bewohner in der vermeintlichen Wohngemeinschaft gar nicht "selbstverantwortet" wohnen können.

Das Verwaltungsgericht urteilte, dass keine "Wohngemeinschaft", sondern eine "Heimeinrichtung" vorliegt. Die Bewohner würden Rund-um-die-Uhr betreut; allein der Pflegedienst als Vermieter biete die Vollversorgung. Die erbrachten Leistungen seien typisch für Pflegeheime.

Auch "Rudi Carrells Mühle" ist ein Pflegeheim

Ähnlich hatte auch schon das Verwaltungsgericht Hannover am 21. September 2011 zur "Rudi Carells Mühle" geurteilt, dass diese als Pflegeheim einzustufen sei. Die Mühle des verstorbenen Showmasters hatten die neuen Eigentümer umgebaut und die einzelnen Zimmer an schwer pflegebedürftige Menschen untervermietet. Gleichzeitig übernahm die intensivmedizinische und hauswirtschaftliche Betreuung der Pflegedienst der Vermieterin.

Das Verwaltungsgericht hatte hier ebenfalls geurteilt, dass keine Wohngemeinschaft, sondern eine Pflegeeinrichtung vorliege. Wohnen, Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung werde aus einer Hand angeboten.

Das Verwaltungsgericht Berlin betonte dagegen in einem am 3. September 2013 bekanntgegebenen Urteil zu Demenz-WGs, dass es darauf ankomme, ob der Mietvertrag mit einem Betreuungs- und Pflegevertrag gekoppelt ist. Sei das der Fall, liege nach dem Heimrecht eine der Heimaufsicht unterstehende stationäre Einrichtung vor.

Davon gingen im entschiedenen Rechtsstreit die Berliner Richter auch aus. Die pflegebedürftigen und auf das Betreuungspersonal angewiesenen Bewohner könnten praktisch keinen anderen als den mit der Vermieterin seit Jahren kooperierenden Pflegedienst beauftragen, ohne dann ihr Apartment aufgeben zu müssen.

Az.: XII ZB 517/17 (BGH Wohngemeinschaft Betreuer)

Az.: 26 K 6422/16 (Verwaltungsgericht Düsseldorf, Wachkomapatienten)

Az.: 11 A 913/10 (Verwaltungsgericht Hannover, Rudi Carells Mühle)

Az.: VG 14 K 80.12 (Verwaltungsgericht Berlin, Demenz WG)

Frank Leth