sozial-Branche

Pflege

Arbeitgeber: Flächentarif verfassungsrechtlich bedenklich



Die privaten Anbieter in der Altenpflege machen gegen einen allgemeingültigen Tarif für Löhne und Gehälter in ihrer Branche verfassungsrechtliche Bedenken geltend.

Der bpa-Arbeitgeberverband stellte am 27. März in Berlin ein entsprechendes Gutachten des früheren Richters am Bundesverfassungsgericht, Udo di Fabio, vor. Die Arbeiterwohlfahrt widersprach umgehend.

Eingriffe des Staates in die Tarifautonomie seien nur zu begründen, wenn damit unfairer Wettbewerb, etwa durch Lohndumping, unterbunden werde, argumentierte di Fabio. Die bereits stark regulierte Pflegebranche unterscheide sich von anderen Wirtschaftszweigen. Ein zusätzlicher Eingriff zur Regulierung der Löhne sei gravierend und stoße daher auf verfassungsrechtliche Bedenken.

Der Präsident des bpa-Arbeitgeberverbandes, der frühere Wirtschaftsminister und FDP-Politiker Rainer Brüderle, sagte, in der Pflegebranche gebe es keinen Wettbewerb über Lohndumping, sondern einen Wettbewerb um Arbeitskräfte. Weitere Regulierungen seien überflüssig.

AWO verweist auf eigenes Gutachten

Wolfgang Stadler, der Bundesvorsitzend der AWO, sagte der Wettbewerb in der Pflege basiere in erster Linie auf Personalkosten, denn die machen rund 80 Prozent der Gesamtkosten aus. "Nur ein einheitlicher Tarifvertrag kann sicherstellen, dass der Wettbewerb zwischen den Anbietern nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen und die Lohnschraube immer weiter nach unten gedreht wird." Die Blockadehaltung der privaten Arbeitgeber sich tarifvertraglich zu binden, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, sei schlicht nicht mehr zeitgemäß.

Er verwies auf ein Gutachten, dass die Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaft ver.di 2016 von dem Arbeitsrechtler Raimund Waltermann erstellen ließen, das keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken an einer möglichen Allgemeinverbindlichkeitserklärung aufgezeigt hat. Das Gutachten der privaten Pflegeanbieter werde man noch rechtlich prüfen, sagte Stadler.

Die AWO bleibe bei ihrer Forderung, nach der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen in der Altenpflege, "weil es der sinnvollste und gerechteste Weg ist, im Namen der Pflegebedürftigen und der Pflegefachkräfte".

Flächendeckende Verträge stehen im Koalitionsvertrag

Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag dafür sorgen, dass Tarifverträge in der Altenpflege flächendeckend zur Anwendung kommen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) haben vereinbart, den Weg dafür in diesem Jahr frei zu machen. Ziel ist eine bessere Bezahlung und Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs vor dem Hintergrund des gravierenden Personalmangels in der Altenpflege.

Die privaten Arbeitgeber lehnen einen Flächentarif ab. Insgesamt betreiben sie etwa die Hälfte der ambulanten Dienste und rund 43 Prozent der Pflegeheime. Ein Teil gehört dem bpa-Arbeitgeberverband an.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas