sozial-Branche

Pflege

Gastbeitrag

Gute Pflege beginnt mit einer guten Ausbildung




Heidemarie Rotschopf
epd-bild/Diakonie RWL
Allen Appellen und Initiativen zum Trotz hat sich der Fachkräftemangel in der Pflege im vergangenen Jahr noch verschärft. Rund 40.000 Stellen blieben 2018 bundesweit unbesetzt. Heidemarie Rotschopf ist Referentin bei der Diakonie RWL - und beschreibt in ihrem Gastbeitrag für epd sozial, wie die Verbände in NRW auf die Misere reagieren - mit der Gründung einer Ausbildungsallianz.

In Nordrhein-Westfalen waren es offiziellen Quellen zufolge etwa 10.000 Stellen. Was ist zu tun? Vorschläge sind zahlreich vorhanden, jedoch nur im Zusammenwirken aller Beteiligten liegt die Chance, dem Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal etwas entgegen zu setzen. Deshalb haben die Trägerverbände eine Ausbildungsallianz gegründet.

Im Juli 2017 hat der Bundesgesetzgeber im Juli 2017 das Pflegeberufegesetz verabschiedet. Die bisher im Altenpflegegesetz und Krankenpflegegesetz getrennt geregelten Pflegeausbildungen werden zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammengefasst. Künftig gibt es einen einheitlichen Berufsabschluss zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann.

Diese Reform betrifft in Nordrhein-Westfalen etwa 37.000 Auszubildende. Damit die ambitionierten Ziele, die mit dem Gesetz verbunden sind, erreicht werden können, haben die Trägerverbände in NRW, ähnlich wie in Niedersachsen, die Ausbildungsallianz Nordrhein-Westfalen gegründet.

Zehn Partner ziehen an einem Strang

Daran beteiligen sich zehn Partner, darunter neben der Freien Wohlfahrtspflege NRW unter anderem die Krankenhausgesellschaft NRW und der Arbeitgeber- und Berufsverband Privater Pflege. Zum Start der Allianz haben sie Ende Januar eine Erklärung abgegeben, in der Folgendes steht:

1. Gute Pflege braucht gute Ausbildung: Die Ausbildungsallianz strebt auf der Grundlage der neuen gesetzlichen und dafür erforderlichen finanziellen Rahmenbedingungen gemeinsam eine erfolgreiche Umsetzung der Pflegeausbildung und deren stetige Verbesserung in Nordrhein-Westfalen an.

2. Gute Ausbildung braucht gemeinsame Verantwortung: Für eine übergreifende, verlässliche und gemeinschaftliche Ausbildung will die Allianz eine enge Vernetzung aller Akteure, damit alle voneinander lernen. Dabei soll die Trägervielfalt in NRW berücksichtigt werden.

3. Gemeinsame Verantwortung ermöglicht faire Rahmenbedingungen: Alle Beteiligten stehen gemeinsam für faire Rahmenbedingungen innerhalb der von ihnen vertretenen Organisationen, damit eine gute Ausbildung angeboten wird. Dazu gehört auch eine faire Bezahlung für die Auszubildenden, ebenso wie die erforderliche Refinanzierung der Pflegeschulen.

4. Faire Rahmenbedingungen erfordern weitere Unterstützung: Politik und Kostenträger sind aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten, damit die neue Ausbildung mit den notwendigen fairen Rahmenbedingungen für eine gute Ausbildung einhergeht und die Umsetzung gelingt. Neben der administrativen Unterstützung durch die Politik gehört hierzu auch die Bereitschaft der Kostenträger, den erforderlichen Aufwand zu finanzieren.

Neue Kooperationen sind zwingend nötig

Die Partner der Allianz verfolgen das Ziel, möglichst zeitnah verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist enorm wichtig im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Entscheiden sich zum Beispiel die evangelischen Pflegeschulen aufgrund von Unklarheiten dafür, anstatt mit zwei lediglich mit einer neuen Klasse im Jahr 2020 zu starten, bedeutet das für die Diakonie RWL, die sich über die Freie Wohlfahrtspflege NRW an der Allianz beteiligt, dass auf einen Schlag rund 1.100 Fachkräfte weniger ausgebildet werden.

Ab 2020 kann keine Einrichtung mehr allein ausbilden. Ein Krankenhaus benötigt als Partner einen ambulanten Pflegedienst und eine stationäre Altenhilfeeinrichtung. Ein ambulanter Pflegedienst wiederum braucht ein Krankenhaus und ein Altenheim. Das ist neu, bietet aber auch die Chance voneinander zu lernen. Daraus resultiert ein großer Abstimmungsbedarf unter den beteiligten Partnern.

Auch bei der Finanzierung der Ausbildung ändert sich etwas: Ein Landesfonds soll die ab 2020 neu ausgerichtete Pflegeausbildung finanzieren und eine wohnortnahe, qualifizierte und ausreichende Ausbildung sicherstellen.

Die Notwendigkeit, in der Gesundheits- und Pflegebranche in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen übergreifend zusammenzuarbeiten, ist nicht auf die Pflegeausbildung beschränkt. Mit dem hier gegründeten Netzwerk verbinden wir als Diakonie in Nordrhein-Westfalen auch die Hoffnung, dass es sich an anderen Stellen als hilfreich erweist.

Mehr Jugendliche müssen angesprochen werden

Insgesamt müssen mehr Jugendliche für den Pflegeberuf begeistert werden. Das kann nur gelingen, wenn schon in der Ausbildung die Bedingungen so gestaltet sind, dass sie wirklich ausgebildet und nicht vorwiegend als Arbeitskräfte eingesetzt werden. Schließlich beginnt gute Pflege immer mit einer guten Ausbildung. Die größte Herausforderung für die Träger der Einrichtungen liegt darin, den uralten Konflikt des Bildungs- versus des Versorgungsauftrages zu lösen. Das gilt besonders für die Praxisanleitungen, die im Mittelpunkt dieses Konfliktes stehen.

Laut Pflegeberufegesetz müssen zehn Prozent der praktischen Ausbildung durch eigens dafür pädagogisch qualifizierte Praxisanleitungen unterstützt abgeleistet werden. Die Träger der Ausbildung bekommen die Kosten dafür – gesetzlich verbrieft – aus dem Ausbildungsfonds erstattet. Das ist eine Chance, die praktische Ausbildung zu verbessern und durch gute Praxisanleitung bei den Auszubildenden zu punkten. Schließlich wünschen sich 82 Prozent der Pflegeschülerinnen laut einer Umfrage der Gewerkschaft ver.di, dass Praxisanleiter mehr Zeit für sie haben.

Kompetenzvermittlung im Vordergrund

Die neue Pflegeausbildung vermittelt keine Lerninhalte, sondern ist durch den Erwerb von Kompetenzen gekennzeichnet. Unterrichtet werden zum Beispiel Pflegeprozesse und Pflegediagnostik, Kommunikation oder Berufsethik. Jeder Träger der praktischen Ausbildung sollte genau die Kompetenzen, die in seinem Einsatzbereich erworben werden können, ermitteln, beschreiben und transparent darstellen. Alle Auszubildenden, die das Arbeitsfeld durchlaufen, auch die der Partner, müssen sie erwerben.

Die Träger sind dabei auf die Zusammenarbeit mit weiteren Partnern angewiesen, weil am Ende nur dann gut ausbildete Fachkräfte zur Verfügung stehen, wenn sich alle Beteiligten intensiv abstimmen. Bestenfalls beginnen sie bereits bei der Erstellung des Ausbildungsplans, der zukünftig Bestandteil des Ausbildungsvertrages sein wird, mit der gemeinsamen Arbeit an der Kompetenzbeschreibung.

Damit die Pflegeausbildung attraktiv und modern gestaltet werden kann, bedarf es auch ansprechender Lernbedingungen. In den Pflegeschulen existiert ein großer Investitionsstau. Wir brauchen mehr Platz und neue Räume, in denen digitales Arbeiten und Lernen gelingt. Auch die Umstellung der Curricula in den Schulen wird nicht zum Nulltarif zu haben sein, deshalb fordern wir eine Art "Innovationsfinanzierung" für die Pflegeschulen. Insbesondere hier nimmt die Ausbildungsallianz die Landesregierung und die Kranken- und Pflegekassen in die Pflicht.

Heidemarie Rotschopf ist Referentin bei der Diakonie RWL und für die Ausbildung in Gesundheitsberufen zuständig.