sozial-Politik

Gesundheit

Hintergrund: So impft Europa gegen Masern



Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will im Mai einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Pflichtimpfung gegen Masern vorlegen. Er reagiert damit auf eine erneute Debatte über eine Impfpflicht nach einem Masernausbruch in einer Hildesheimer Grundschule und einer Warnung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), fehlender Impfschutz gehöre weltweit zu den größten Gesundheitsrisiken.

Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, einer Agentur der Europäischen Union, schreiben zehn europäische Länder Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln verpflichtend vor: Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Italien, Lettland, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien und Ungarn.

Italien hat die 2017 nach einem Masernausbruch mit Todesfällen beschlossene Impfpflicht für Kinder unter 17 Jahren allerdings wieder aufgeweicht. Seit diesem Jahr reicht eine Selbstauskunft der Eltern, während 2018 eine Bestätigung der Gesundheitsbehörde über Impfungen gegen zehn Krankheiten verlangt wurde. Ohne die Bescheinung wurden die Kinder nicht in die Kita aufgenommen. Eltern schulpflichtiger Kinder wurden Bußgelder angedroht. Die Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtpopulistische Lega hatten angekündigt, die Pflicht wieder abzuschaffen.

Mehr Impfungen in Frankreich

Frankreich weitete 2018 die Impfpflicht deutlich aus. Seit dem 1. Januar geborene Kinder müssen gegen elf statt bis dahin drei Krankheiten geimpft werden. Andernfalls können sie keine Kita oder öffentliche Einrichtungen besuchen. Zum Schulbeginn müssen die Eltern erneut Impfnachweise vorlegen. Es gibt aber keine Strafen. Ein Viertel der Franzosen steht dem Impfen kritisch gegenüber. Durch die Gesetzesänderung steigen die Impfraten.

In Polen gewinnen hingegen die Gegner an Boden, die die seit 60 Jahren bestehende Impfpflicht abschaffen wollen. Das Parlament will sich mit einem Gesetzentwurf der Impfgegner beschäftigen.

Auch in den USA wird aktuell auf einen Masernausbruch mit einer regionalen Impfpflicht reagiert: Der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio rief für Teile von Brooklyn Anfang April den Gesundheitsnotstand aus, nachdem die Krankheit in der dortigen jüdisch-orthodoxen Gemeinschaft ausgebrochen war. Wer keine Impfung nachweisen kann, muss bis zu 1.000 Dollar (897 Euro) Strafe zahlen. Kontrolliert wird der Impfstatus durch das Gesundheitsamt der Stadt.

Erste Masernimpfung bei 85 Prozent der Kinder

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation waren 2017 weltweit 85 Prozent aller Kinder unter zwei Jahren zumindest einmalig gegen Masern geimpft. In 167 Ländern sei zudem eine zweite Impfung vorgesehen: Diese hatten 2017 insgesamt 67 Prozent aller Kinder erhalten. Als Voraussetzung für die Ausrottung einer Krankheit sieht die WHO eine Immunität von mehr als 95 Prozent in der Bevölkerung.

In Deutschland spricht sich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, dafür aus, eine mögliche Impfpflicht nicht auf Masern zu beschränken. Es stünden nur noch Mehrfachimpfstoffe zur Verfügung. Ein einzelner Impfstoff gegen Masern müsste importiert werden, erklärte er in der Debatte um eine Impfpflicht. Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts (Stiko) empfiehlt einen Vierfachimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken.

Die Stiko empfiehlt für Kinder und Jugendliche in Deutschland Standardimpfungen gegen 14 Krankheiten. Eltern müssen eine Impfberatung nachweisen, wenn sie ihr Kind in einer Kita anmelden.



Mehr zum Thema

Ethikrat: Debatte um Masern-Impfpflicht greift zu kurz

In Deutschland reißt die Debatte um eine Impfpflicht bei Masern nicht ab. Zu Beginn der Europäischen Impfwoche am 24. April äußerte der Deutsche Ethikrat Kritik an der Diskussion.

» Hier weiterlesen