sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Arbeitszeitgesetz auch für Rund-um-die-Uhr-Wohngruppe bindend



Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rund-um-die-Uhr-Betreuung von Heimkindern in familienähnlichen Wohngruppen erschwert. Wie die Leipziger Richter am 8. Mai urteilten, gelten für die dort eingesetzten Erzieher die gesetzlichen Arbeits- und Ruhezeiten, so dass das Personal häufiger wechseln muss. Auch wenn Erzieher über mehrere Tage Kinder und Jugendliche betreuten, bilden sie damit noch keine "häusliche Gemeinschaft", für die das Arbeitszeitgesetz nicht anzuwenden ist.

Konkret ging es um eine Jugendhilfe-Einrichtung des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Im Raum Berlin betreibt sie unter anderem sieben Wohngruppen mit Kindern und Jugendlichen ab sechs Jahren, die in ihren Herkunftsfamilien nicht mehr leben können.

Jede Wohngruppe besteht aus meist sechs Betreuten sowie drei gleichbleibenden Erziehern. Sie werden "alternierend betreut", das heißt, dass die Erzieher sich alle zwei bis sieben Tage mit der Arbeit abwechseln. Während ihrer Beschäftigung haben sie mehrere Stunden Pausen, aber auch Nachtbereitschaften.

Ziel ist eine familienähnliche Betreuungssituation. "Dabei sind die Kinder und Jugendlichen aus beziehungsschwachen Strukturen besonders auf eine intensive Bindungsarbeit angewiesen", so Diakonie-Direktorin Barbara Eschen.

Im konkreten Fall hatten Arbeitsschutzbehörden gerügt, dass die Erzieher die gesetzliche Arbeitszeit von maximal zehn Stunden pro Tag sowie die Ruhezeiten häufig nicht einhalten.

Die diakonische Einrichtung berief sich auf eine Ausnahmevorschrift im Arbeitszeitgesetz. Danach ist das Gesetz nicht für Arbeitnehmer anwendbar, wenn sie "in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und sie eigenverantwortlich erziehen, pflegen und betreuen".

Das Bundesverwaltungsgericht urteilte: Auch wenn die Erzieher die Kinder und Jugendlichen über mehrere Tage Rund-um-die-Uhr betreuen, liege damit noch keine "häusliche Gemeinschaft" vor. Dazu sei "ein gemeinsames Wohnen und Wirtschaften auf längere Zeit erforderlich, das auf personelle Kontinuität sowie nahezu permanente Verfügbarkeit des Arbeitnehmers angelegt" ist. Eine "häusliche Gemeinschaft" müsse so eng sein, dass sich Arbeits- und Ruhezeiten nicht voneinander trennen lassen.

Als Folge des Urteils müssen nun zwei weitere Erzieher eingestellt werden. Wegen der nun häufiger wechselnden Bezugspersonen sei eine intensive Bindungsarbeit nicht mehr möglich, so die Diakonie. Nach dem Urteil benötigten die Träger die Hilfe des Landes, erklärte Eschen. Nötig sei unbedingt eine Übergangsfrist sowie Hilfe bei der Suche nach neuen Standorten. Betroffen seien rund 50 dieser speziellen Wohngruppen in Berlin mit insgesamt 300 Kindern und Jugendlichen.

Az.: 8 C 3.18