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Senioren

Studie: Depressionen im Alter unterschätzt




Depressionen werden bei alten Menschen unterschätzt.
epd-bild/Gustavo Alàbiso
Ältere Menschen werden im Gesundheitssystem benachteiligt, wenn es um das Angebot einer Psychotherapie geht, kritisiert die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Sie fordert deshalb mehr Aufklärung und Suizidprävention für Senioren.

Depressionen bei alten Menschen werden nach Expertenansicht in Deutschland oft falsch oder gar nicht behandelt. Dies trage mit "zu den drastisch erhöhten Suizidraten im Alter" bei, heißt es in dem am 26. November in Berlin vorgestellten dritten "Deutschland-Barometer Depression" der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Depressive Symptome bei Senioren wie Hoffnungs- und Freudlosigkeit, Schlafstörungen oder Erschöpfungsgefühl würden oft nicht als Ausdruck einer eigenständigen schweren Erkrankung gesehen, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ulrich Hegerl. Vielmehr würden depressive Symptome "als nachvollziehbare Reaktion auf die Bitternisse des Alters oder als Folge körperlicher Erkrankungen fehlinterpretiert". Bei der repräsentativen Online-Umfrage über Einstellungen zu und Erfahrungen mit Depression wurden 5.350 Personen zwischen 18 und 79 Jahren befragt.

Hauptursachen von Depressionen

Vier von fünf Befragten (83 Prozent) glaubten demnach, dass eine Depression am häufigsten im jungen und mittleren Erwachsenenalter auftritt. Diese Annahme liege vor allem darin begründet, dass Stress und Belastung am Arbeitsplatz für die Deutschen zu den Hauptursachen von Depressionen zählten. Da diese berufsbezogenen Aspekte bei Senioren weniger bedeutsam seien, werde die Erkrankung im Alter als weniger relevant angesehen.

Weiter weiß laut Umfrage nur knapp die Hälfte (45 Prozent), dass Depression auch eine Erkrankung des Gehirns ist. "Depression hängt viel weniger von den aktuellen Lebensumständen ab, als viele glauben", betonte Hegerl. "Es ist eine eigenständige Erkrankung, die jeden treffen kann - auch Senioren."

86 Prozent der Deutschen gingen davon aus, dass es Älteren schwerer fällt, sich bei Depression Hilfe zu suchen. Dies gelte insbesondere für die Psychotherapie: 71 Prozent der Befragten glauben, dass Ältere seltener bereit sind, die Hilfe eines Psychotherapeuten anzunehmen. Tatsächlich seien 31 Prozent der an Depression erkrankten Befragten zwischen 30 und 69 Jahren in psychotherapeutischer Behandlung. Bei den Betroffenen über 70 sind es nur zwölf Prozent.

Psychotherapie wird selten angeboten

Allerdings wäre eine deutliche Mehrheit (64 Prozent) der befragten Menschen im Alter über 70 bereit, eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, wie es weiter hieß. "Älteren Menschen wird viel zu selten eine Psychotherapie angeboten", sagte Hegerl. "Sie werden im Versorgungssystem eindeutig benachteiligt."

Laut Umfrage meinten aber 22 Prozent, dass bei Älteren die Behandlung körperlicher Erkrankungen wichtiger sei. Jeder Sechste (17 Prozent) habe sich zudem dafür ausgesprochen, Ressourcen des Gesundheitssystems lieber für die Behandlung jüngerer Patienten mit Depression auszugeben.

Zwei Drittel der Befragten gaben im "Deutschland-Barometer Depression" an, dass sie sich über die Erkrankung im Alter nicht gut informiert fühlen. Deshalb sei eine Aufklärung über Depression und Suizidprävention für ältere Menschen besonders wichtig, sagte Hegerl. Laut Stiftung gaben in der Umfrage 21 Prozent an, dass bei ihnen bereits die Diagnose einer Depression gestellt wurde. Von den Älteren (70-79 Jahre) sagten dies nur neun Prozent.

Lukas Philippi