sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Zeitintensive Vorstellungsgespräche auch mit behinderten Bewerbern



Öffentliche Arbeitgeber müssen auch schwerbehinderte Bewerber zu Vorstellungsgesprächen einladen. Dass der Bewerberkreis möglichst klein gehalten werden soll, sei kein Grund, geeignete schwerbehinderte Bewerber nicht einzuladen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in Kiel in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 29. August.

Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte über sein Online-Portal "Ingenieure/-innen (FH - Diplom/Bachelor)" der Fachrichtungen Kraftfahrzeugtechnik, Maschinenbau, Elektrotechnik oder vergleichbarer Fachrichtungen gesucht. Auf die Stelle bewarb sich auch der mit einem Grad der Behinderung von 60 eingestufte Kläger. Dieser hatte einen höherwertigen Universitäts-Abschluss mit der Note "gut" geschafft.

Der schwerbehinderte Stellenbewerber nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl dies die gesetzlichen Bestimmungen für öffentliche Arbeitgeber so vorsehen. Der Mann fühlte sich wegen seiner Behinderung diskriminiert und verlangte eine Entschädigung.

Störung des Betriebsfriedens

Die Behörde hielt ihr Vorgehen für rechtmäßig. Sie habe den Bewerberkreis wegen der aufwendigen Vorstellungsgespräche möglichst klein halten wollen. Daher seien nur Bewerber mit Bachelor-Abschluss, darunter auch behinderte Menschen, eingeladen worden.

Während des Verfahrens erweiterte die Behörde ihre Begründung. Eine Einstellung von zu hoch qualifizierten Bewerbern könne zu einer Störung des Betriebsfriedens und Konkurrenzkämpfen zwischen den weniger qualifizierten Beschäftigten führen. Eine deshalb unterbliebene Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch sei vom Bundesarbeitsgericht gebilligt worden.

Doch das Kraftfahrt-Bundesamt muss zwei Monatsgehälter, insgesamt 7.000 Euro, als Diskriminierungsentschädigung an den Kläger zahlen, urteilte das LAG. Der Kläger sei mit seinem Uni-Abschluss für die Tätigkeit fachlich geeignet und hätte daher zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen.

Hier sei der Kläger auch nicht wegen seiner Überqualifizierung und einer möglichen Gefahr des Betriebsfriedens nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Vielmehr seien allein personalwirtschaftliche Gründe hierfür verantwortlich. Die Behörde habe lediglich sich zeit- und arbeitsintensive Vorstellungsgespräche sparen wollen. Die gesetzliche Verpflichtung, grundsätzlich geeignete schwerbehinderte Bewerber trotz des Zeitaufwandes zum Vorstellungsgespräch einzuladen, sei vom Gesetzgeber aber gewollt. Da das Kraftfahrt-Bundesamt dem nicht nachgekommen sei, habe es "die Rechte des schwerbehinderten Klägers leichtfertig verletzt".

Az.: 5 Sa 375 öD/18