sozial-Recht

Landgericht

Patientenverfügung kann Zwangsbehandlung nicht verhindern



Eine Patientenverfügung bewahrt nicht unbedingt vor einer Zwangsbehandlung. Ist die Zwangsbehandlung oder auch eine Zwangsunterbringung eines psychisch Kranken in einer psychiatrischen Einrichtung zum Schutz anderer Personen erforderlich, kann dies auch gegen den in einer Patientenverfügung festgelegten Willen geschehen, entschied das Landgericht Osnabrück in einem am 15. Januar bekanntgegebenen Beschluss.

Im konkreten Fall hatte eine Gemeinde gerichtlich die Zwangsunterbringung und die Zwangsbehandlung eines psychisch kranken Mannes beantragt. Er stelle wegen seines sexuell enthemmten und aggressiven Verhaltens eine Gefahr für andere Personen dar. Bei dem Mann bestehe zudem auch eine potenziell lebensbedrohliche körperliche Erkrankung, für die eine Medikamenteneinnahme erforderlich sei. Mangels Krankheitseinsicht lehne dies der psychisch Kranke aber ab. Das zuständige Amtsgericht ordnete daraufhin Zwangsunterbringung und Zwangsbehandlung an.

Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt

Dagegen legte der Mann Beschwerde ein und verwies auf seine Patientenverfügung. Darin lehnt er "jede Zwangsbehandlung egal mit welchen als Medikamenten bezeichneten Stoffen" ebenso ab wie die "Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung". Grundlage war eine Muster-Patientenverfügung der Initiative "PatVerfü", die diese im Internet unter dem Motto "Für Freiheit, gegen Zwang" anbot. Die Initiative wendet sich zudem politisch gegen bestimmte Formen der psychiatrischen Behandlung.

Das Landgericht Osnabrück ging nun davon aus, dass sich der Mann als Unterzeichner der Patientenverfügung "allein gegen psychiatrische Zwangsbehandlungen schützen wolle". Dies sei bei der Auslegung zu berücksichtigen, so dass der Ausschluss einer Zwangsmedikation bei körperlichen Leiden nicht greife. Unter den üblichen Voraussetzungen sei hier eine Zwangsbehandlung daher zulässig, insbesondere dann, wenn die Person die Notwendigkeit der Behandlung nicht erkennen könne.

Auch die zwangsweise psychiatrische Unterbringung könne die Patientenverfügung nicht verhindern, entschied das Landgericht. Zwar könne der Einzelne mit seiner Verfügung auf sein Selbstbestimmungsrecht verweisen. Eine Zwangsbehandlung und -unterbringung könne aber dennoch zulässig sein, "wenn sie dem Schutz der Allgemeinheit dient". Dies sei hier der Fall. Gegen den Beschluss wurde die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Az.: 4 T 8/20 bis 4 T 10/20