sozial-Branche

Corona-Krise

Diakonie: Lage wohnungsloser Menschen hat sich verschärft




Kölner Priesterseminars für Obdachlose geöffnet
epd-bild/Guido Schiefer
Obdachlose in Notunterkünften haben in Zeiten der Corona-Krise keine Chance, den geforderten Abstand zueinander einzuhalten. Dabei gehören sie zu den Hochrisiko-Patienten.

Die Lage wohnungsloser Menschen hat sich nach Ansicht der Diakonie in Hannover in der Corona-Krise deutlich zugespitzt. "Der Aufruf, zu Hause zu bleiben, ist mit den Lebensumständen der Menschen ohne Wohnung nicht vereinbar", sagte der Leiter des Diakonischen Werkes Hannover, Rainer Müller-Brandes.

In den Notunterkünften für Obdachlose wie etwa der Notschlafstelle "Alter Flughafen" müssten die Menschen dicht an dicht übernachten, kritisierte Sozialpädagoge Pascal Allewelt. Abstand zueinander zu halten, wie aktuell von den Behörden gefordert, sei ihnen schlicht nicht möglich: "Da ist nur Feldbett an Feldbett an Feldbett." Dabei zählten die Betroffenen aufgrund des Alters sowie oft chronischer Krankheiten zu den Corona-Hochrisiko-Patienten.

"Die Menschen benötigen Einzelzimmer"

Zudem dürften die obdachlosen Menschen in den Unterkünften nur vom Abend bis zum nächsten Morgen unterkommen. Dabei hätten viele von ihnen, wie zum Beispiel Migranten aus Osteropa, keine andere Unterbringungsmöglichkeit. "Sie können keine Wohnung bezahlen." Wegen Gewaltstrukturen in den Unterkünften zögen es manche sogar vor, auf der Straße zu übernachten. "Diese Menschen benötigen Einzelzimmer", forderte Allewelt. "Sie brauchen ein Mindestmaß an Privatsphäre."

Diakonie-Leiter Müller-Brandes sagte, dass in gemeinsamen Gesprächen mit der Stadt und Region Hannover aktuell darüber nachgedacht werde, wie die Lage entschärft werde könne. Da aber auch viele Hilfsangebote wie die Tafel derzeit geschlossen seien, wüssten Wohnungslose oft nicht mehr, wo sie Essen, einen Platz zum Schlafen und zum Duschen oder medizinische Betreuung bekommen könnten. Die Diakonie arbeite deshalb unter Hochdruck, die bisherigen Angebote nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten und neue zu entwickeln, betonte Müller-Brandes

Beratung durch geöffnete Fenster

Wohnungslose Menschen kämen beispielsweise in die Zentrale Beratungsstelle in der Berliner Allee 8, um Behördenbriefe oder ihre sozialen Leistungen abzuholen, hieß es. Dort sind den Angaben der Beratungsstelle zufolge etwa 2.500 Menschen postalisch gemeldet. Rund 800 kommen derzeit regelmäßig vorbei.

Um das Risiko einer Corona-Infektion zu minimieren, laufe das Angebot derzeit meist über den "Fensterladen", sagte Leiterin Ursula Büchsenschütz. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bedienten die Menschen an mehreren Fenstern: "Wir wollen unsere Klienten nicht nur weiter versorgen, sondern gleichzeitig auch schützen." In Hannover leben nach Schätzungen der Diakonie etwa 3.000 Menschen ohne Wohnung. Rund 300 von ihnen sind obdachlos und leben auf der Straße.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Diakonbie Württemberg, Dioeter Kaufmann, sieht die Versorgung von Wohnungslosen gefährdet. Kommunale Unterkünfte seien geschlossen, Mittagstische überwiegend auch. Tafelläden öffneten vereinzelt wieder, hätten aber weniger im Verkauf als sonst, weil in den Lebensmittelgeschäften momentan weniger übrigbleibe, sagte Kaufmann, der auch dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört.

Cristina Marina, Marcus Mockler