sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

Zerwürfnis mit Chefarzt kein Grund für Freistellung



Animositäten zwischen dem Chefarzt einer Klinik und einer ungekündigten Oberärztin sind kein Grund für deren Freistellung von der Arbeit. Eine tariflich unkündbare Arbeitnehmerin darf mit einer bezahlten Freistellung von der Arbeit nicht unter Druck gesetzt werden, damit sie einem Aufhebungsvertrag zustimmt, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein in Kiel in einem am 8. April bekanntgegeben Urteil.

Konkret ging es um eine angestellte geschäftsführende Oberärztin einer Klinik. Die Medizinerin ist nach den geltenden tariflichen Bestimmungen ordentlich nicht kündbar. Neben der Patientenversorgung gehörte zu ihren Aufgaben Lehrverpflichtungen und wissenschaftliche Arbeiten.

Als 2018 ein neuer Chefarzt in die Klinik kam, entwickelten sich schnell Spannungen zwischen der Oberärztin und ihrem neuen Vorgesetzten. Als die Ärztin dann auch noch längere Zeit arbeitsunfähig krank war und im November 2019 zur Arbeit zurückkehren wollte, wurde sie unter Fortzahlung ihrer Vergütung "insbesondere auch für Verhandlungen über die Aufhebung beziehungsweise Abwicklung ihres Anstellungsverhältnisses" freigestellt. Sie musste Visitenkarten, Schlüssel, Mitarbeiterausweise und auch ihr Dienst-Laptop abgeben. Ihr Account an der Klinik wurde vom Arbeitgeber gelöscht.

Sieg auf ganzer Linie

Doch die Ärztin wollte weiter auf ihren Posten arbeiten und zog deshalb vor Gericht. Nachdem das Arbeitsgericht ihrem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgab, wurde sie vorübergehend in einer anderen Klinik eingesetzt, allerdings nicht als geschäftsführende Oberärztin.

Das LAG gab der Frau jetzt im vollen Umfang recht. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Beschäftigung als geschäftsführende Oberärztin. Sie dürfe auch nicht deshalb ihre Arbeit verlieren, weil der Chefarzt ihre Position an einen mitgebrachten Oberarzt vergeben hat. Ein solcher vom Chefarzt hervorgerufener "Teamüberhang" sei kein "schutzwürdiges Interesse für eine Freistellung", so das Gericht.

Die Oberärztin habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Die Klinik habe die einseitige Freistellung "zur Durchsetzung nicht schutzwürdiger Eigeninteressen missbraucht", rügte das LAG. Die Oberärztin müsse nicht gegen ihren Willen Verhandlung über die Aufhebung und Abwicklung ihres Arbeitsvertrages führen. Die Eilentscheidung auf Weiterbeschäftigung sei auch deshalb dringend geboten, weil die Klinik die Oberärztin für Dritte quasi "unsichtbar" gemacht hatte. Sie wurde nicht mehr auf der Klinik-Homepage aufgeführt und sie war sowohl in der Krankenversorgung als auch für die Wissenschaft und Forschung nicht mehr existent.

Az.: 3 SaGa 7 öD/19