sozial-Branche

Frauenhäuser

Geortet und bedroht im Netz




Cybergewalt: Viele Frauen werden in sozialen Netzwerken bedroht.
epd-bild / Thomas Lohnes
Drohungen, Beleidigungen und Verfolgung per WhatsApp, Twitter oder Facebook: Wenn Frauen vor ihren gewalttätigen Partner ins Frauenhaus geflüchtet sind, geht die Gewalt im Netz oft weiter. Frauenhäuser stehen vor neuen Aufgaben.

"Ich weiß, wo du bist, und ich kriege dich": Drohungen, sexuelle Bloßstellungen und Verfolgung im Internet sind für Frauenhäuser zum Dauerproblem geworden. "Die Gewalt geht für viele Frauen auch nach der Flucht ins Frauenhaus im Netz weiter", sagt Marion Steffens von der Landesarbeitsgemeinschaft der Autonomen Frauenhäuser in Nordrhein-Westfalen.

Sie kommt über WhatsApp, per Mail, in sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Snapchat auch in die geschützten Räume der Frauenhäuser, in die jedes Jahr zwischen 15.000 und 17.000 Frauen in Deutschland vor ihren gewalttätigen Männern flüchten, häufig mit ihren Kindern. Und: Über die Smartphones der Frauen und ihre Aktivitäten in sozialen Medien kann der Standort des Zufluchtsortes gefunden werden - und die Frauen auch in der realen Welt massiv in Gefahr bringen.

"Die Anforderungen an die Arbeit der Frauenhäuser hat sich durch die Online-Mediennutzung unserer Bewohnerinnen stark verändert", sagt Steffens. Gleichzeitig sei eine neue Gewaltkultur im Netz entstanden, in der enthemmt beschimpft, bedroht und gemobbt werde - öffentlich sichtbar und dauerhaft dokumentiert.

Fehlendes Fachwissen

Die in der Frauenhauskonferenz NRW vernetzten Frauenhäuser verschiedener Träger wollen sich deshalb verstärkt mit dem Thema Cybergewalt beschäftigen und vor allem an Schutzstrategien arbeiten - und deutschlandweit darauf aufmerksam machen. Denn es fehle vielen Kolleginnen an Fachwissen und entsprechenden Fortbildungen zu Datenschutz und rechtlichen Möglichkeiten, kritisierten Mitarbeiterinnen jüngst auf einer Fachtagung der Frauenhauskonferenz NRW in Dortmund.

Frauen und Mädchen sind besonders stark von Gewalt im Internet betroffen: 73 Prozent aller Internetnutzerinnen machen Erfahrungen mit Cybergewalt - werden sexuell beleidigt, bedroht, gemobbt oder gestalkt. Das ergab 2015 eine großangelegte Studie der UN, andere Untersuchungen kommen zu ähnlichen Ergebnissen.

"Cybergewalt ist eine enorme Bedrohung für die Gesundheit der Betroffenen", sagt Marion Steffens. Gerüchte, Nacktbilder oder Beleidigungen verbreiten sich für sie unkontrollierbar weiter, zerstören den Ruf, schließen sie aus Freundeskreisen aus. "Das kann genauso zu Angstzuständen, Depressionen und Traumatisierungen führen wie physische Gewalt", sagt Steffens, die selbst im Frauenhaus Ennepe-Ruhr-Kreis arbeitet. "Das Netz bietet den gewalttätigen Partnern weitere Möglichkeiten, die ins Frauenhaus geflüchteten Frauen unter Druck zu setzen und die Kontrolle über sie aufrecht zu halten."

Opfer aufgespürt

Denn die Frauen nutzen soziale Netzwerke oder Messenger-Dienste wie WhatsApp, um mit Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben oder auch, um sich neue Kontakte aufzubauen. "Es ist ihnen und auch ihren jugendlichen Kindern oft extrem wichtig, weiter im Netz sein zu können", sagt Stefanie Nowak vom Frauenhaus Lippe. "Es ist ja auch schon so viel in ihrem Leben zusammengebrochen."

Über Ortungsfunktionen im Handy, auf die viele Apps automatisch zugreifen, aber auch über geknackte Passwörter der Smartphone-Accounts können die verlassenen Männer ihre Opfer aber aufspüren - auch, wenn sie die Telefonnummer wechseln, warnt Meike Adam von der Kölner Social-Media-Agentur MerkWert, die soziale Einrichtungen zum Datenschutz berät. Passwörter wechseln, Handyeinstellungen genau überprüfen - und auf jeden Fall die Ortung ausschalten, rät Adam. "Medienkompetenz ist zentral für die Frauenhausarbeit geworden."

Ums Unsichtbarwerden von Frauen im Netz darf es dabei aber nicht gehen, findet Frauenhaus-Aktivistin Marion Steffens. Im Gegenteil: "Wir brauchen eine digitale Gegenbewegung", sagt Steffens. "Die Diskussion nach den Kölner Gewaltvorfällen zeigt, wie schnell Debatten im Netz umschlagen und wie sie jetzt aggressiv zur Stimmungsmache gegen Flüchtlinge genutzt werden statt zu einer Auseinandersetzung mit Sexismus." Die Stimme der Frauenhausbewegung sei in der Debatte kaum zu hören gewesen, weil es kaum Internetpräsenz gibt. "Zum Sexismus dieser Gesellschaft - im Netz und außerhalb - müssen wir aber unsere Stimme erheben und eigene Themen stark machen."

Miriam Bunjes

« Zurück zur vorherigen Seite


Weitere Themen

"Den demografischen Wandel aktiv gestalten"

Kaum eine Entwicklung wird Deutschland so sehr prägen wie der demografische Wandel. Welche Auswirkungen hat er auf unsere Gesellschaft? Was sind die Herausforderungen, wo lauern Gefahren? Ein Gastbeitrag von Imme Lanz, Geschäftsführerin des Deutschen Evangelischen Verbandes für Altenarbeit und Pflege.

» Hier weiterlesen

Warnung vor gesellschaftlicher Spaltung durch soziale Ungleichheit

Die Nationale Armutskonferenz warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft durch soziale Ungleichheit. "Es ist ganz offensichtlich, dass sich immer mehr Langzeitarbeitslose und sozial Benachteiligte in Deutschland keine Verbesserung ihrer sozialen Lage mehr erhoffen", erklärte der Sprecher der Armutskonferenz, der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel, anlässlich des Welttags der Sozialen Gerechtigkeit am 20. Februar.

» Hier weiterlesen

Der Unmut wächst

Der Markt für günstige Wohnungen in Deutschland ist extrem angespannt. Darunter leiden vor allem die, die ohnehin oft ausgegrenzt sind.

» Hier weiterlesen